Job 22:6

Die direkte Anklage

Eliphas fährt fort, Beispiele für Hiobs Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit zu nennen. Er erhebt die übelsten Anschuldigungen, die jeder Grundlage entbehren. Beweise oder Zeugen gibt es nicht. Das geht weit über Verdächtigungen hinaus – und wie schnell werden wir dessen schuldig. Eliphas beschuldigt Hiob der sozialen Ungerechtigkeit. Hiob mag denken, dass er in Gottes Gunst steht und rein ist, aber wie kann er das sein, wenn er seinem Nächsten Unrecht getan hat? Deshalb bringt Gott diese Katastrophen über ihn, sagt Eliphas, der sich keine andere Erklärung für das Leid vorstellen kann.

Wenn jemand Unglück in seinem Geschäft hat, Krankheit in seiner Familie, einen geliebten Menschen verliert, dann ist eine Schlussfolgerung schnell gezogen. Wie grausam ist das! Es widerspricht auch dem klaren Hinweis, dass ein Fall nur auf der Grundlage von zwei oder drei Zeugen festgestellt werden kann (2Kor 13:1). Später wird Hiob all diese Anschuldigungen mit Nachdruck zurückweisen und widerlegen (Hiob 31).

Eliphas leitet aus der Situation, in der sich Hiob befindet, die Verbrechen ab, derer sich Hiob zweifellos schuldig gemacht hat. Er begründet dies mit dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Gott bestraft Hiob mit denselben Dingen, deren er sich schuldig gemacht hat. Hiob ist nun ohne jeden Besitz und ohne Kleidung. Das bedeutet, dass er von anderen Besitz genommen und den Nackten die Kleidung weggenommen haben muss (Hiob 22:6).

Eliphas scheut sich nicht, die Situation so zu beschreiben, als wäre er selbst Augenzeuge gewesen. Hiob lieh seinen Brüdern, seinen Familienmitgliedern, Geld und nahm ein Pfand. Als sie nicht zurückzahlten, was sie sich geliehen hatten, zog er sie bis auf den nackten Leib aus (2Mo 22:26; 5Mo 24:6; 17). Er schildert Hiobs Handeln als das von jemandem, der skrupellos die Schwachen ausraubt, selbst wenn es sich um seine Familie handelt.

Laut Eliphas hat Hiob die Menschen nicht nur bestohlen, ihnen etwas weggenommen, sondern ihnen auch nicht gegeben, was sie brauchten (Hiob 22:7). Er hat den Müden, die Erfrischung brauchten, kein Wasser gegeben. Er hat den Hungrigen kein Brot gegeben. Dies zeigt seine kriminelle, herzlose Haltung gegenüber den Bedürftigen. Deshalb wird er nun selbst von Durst und Hunger gequält.

Ja, er hat anderen schon auch mal etwas gegeben (Hiob 22:8). Aber er tat dies aus demselben Eigeninteresse heraus, das ihn dazu veranlasste, einigen nichts zu geben. Hiob gab Land an einen „Mann der Gewalt“. Dies war zu seinem eigenen Vorteil. Die angesehene Person, die dort lebte, würde den großzügigen Hiob sicherlich belohnen, indem sie ihren Einfluss für ihn nutzte, wenn er etwas brauchte. Du darfst nicht denken, dass Hiob die Mildtätigkeit kannte. Er gehörte zu den Menschen, von denen es heißt, dass sie denen, die an Macht oder Ansehen über ihnen stehen, schmeicheln, und andere verachten, die machtlos und ohne Ansehen sind.

Zu diesen machtlosen, unbedeutenden Menschen gehören auch die Witwen und Waisen (Hiob 22:9). Ihnen gilt die besondere Fürsorge Gottes. Er ist der „Vater der Waisen und der Richter der Witwen“ (Ps 68:6a). Hiob kümmerte sich nicht darum. Wenn eine Witwe zu ihm kam und ihn um einen Gefallen bat, schickte er sie mit leeren Händen weg. Mit den Waisenkindern ging er noch unbarmherziger um. Er zerschlug „die Arme der Waisen“, was bedeutet, dass er den Waisen alles wegnahm, was sie besaßen und was ihnen im Leben noch etwas Halt gab. Wie unbarmherzig!

Deshalb darf sich Hiob nicht wundern, dass um ihn herum „Schlingen“ sind, dass er ein Gefangener der Folgen seiner Sünden ist (Hiob 22:10). Und zwar eben darum, wegen all der schrecklichen Sünden, die er begangen hat. Deshalb macht „ein plötzlicher Schrecken“ ihn „bestürzt“. Damit bezieht sich Eliphas auf die schrecklichen Katastrophen, die Hiob heimgesucht haben und durch die Gott ihm alles genommen hat.

Oder ist Hiob blind für den Grund der Dunkelheit, in der er sich befindet (Hiob 22:11)? Das kann doch wohl nicht wahr sein? Es ist sonnenklar, dass er aufgrund seiner Sünden dieses Leiden über sich selbst gebracht hat. Die „Wasserflut“, die ihn bedeckt, spricht von den Sorgen und Schmerzen, die ihn überschwemmt haben. Wenn Hiob nur nicht denken würde, dass all dies ohne Grund geschehen ist. Natürlich ist dies ein Aufruf Gottes an ihn, seine Sünden zu bekennen.

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