Job 37:20

Die Schlussworte Elihus an Hiob

Nach dem Höhepunkt in Hiob 37:13 kommt Elihu zu seinen Schlussworten. Darin wendet er sich an Hiob (Hiob 37:14). Er bittet ihn, „dies zu Ohren“ zu nehmen, d. h. die Lektionen aus der Herrschaft Gottes über die Natur. Dazu muss Hiob eine Haltung der Ehrfurcht und der Aufmerksamkeit einnehmen und „die Wunder Gottes“ betrachten, die Er in der Natur offenbart. Wenn er bereit ist zu hören, wird er die Wunder Gottes in sich aufnehmen und sein Geist wird von der Ehrfurcht erfüllt sein, die Ihm gebührt.

Ab Hiob 37:15 stellt Elihu Hiob einige Fragen, die ihm vor Augen führen sollen, wie unwissend er tatsächlich ist und wie unfähig er ist, Gott in seinem Umgang mit ihm zu beurteilen. In diesem Licht sollte ihm klar werden, dass es ihm absolut nicht zusteht, Gott zur Rechenschaft zu ziehen. Er weiß gar nichts und Gott weiß alles.

Diese Methode der Belehrung in Form von Fragen ist die gleiche Methode, die Gott in seiner Ansprache an Hiob in den folgenden Kapiteln verwendet. Gott wird nichts anderes tun, als Hiob dieselbe Art von Fragen zu stellen, nur viel ausführlicher und mit dem Ergebnis, dass Hiob vor Ihm auf die Knie sinkt.

Die erste Frage Elihus bezieht sich auf die Ordnung, die Gott in seinen Werken geschaffen hat und durch die Er sie regiert (Hiob 37:15). Hat Hiob eine Vorstellung davon, wie Gott alle seine Werke miteinander verbindet und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen? Natürlich nicht. Auch auf die Frage, wie Gott „den Blitz seines Gewölks leuchten lässt“, muss er die Antwort schuldig bleiben.

Die folgende Frage an Hiob lautet, ob er weiß, wie die Wolken schweben (Hiob 37:16). Hiob kennt die Antwort nicht. Er hatte keine Kenntnis von den Naturgesetzen, die der Mensch im Lauf der Zeit entdeckt hat. Er kann sie nur mit stummer Verwunderung betrachten und sich fragen, wie die schweren, mit Wasser gefüllten Wolken noch schweben können. Es kann nicht anders sein als durch die mächtige Hand Gottes. Wie Er das macht, ist unmöglich zu erklären. Wissen wir mit all unserer Kenntnis der Physik die Antwort? Wir wissen es ebenso wenig. Wir sehen die Gesetzmäßigkeiten, aber wie sie entstanden sind, wissen wir nicht ohne die Offenbarung Gottes in seinem Wort.

Gott, der all diese Wunder tut, ist der Vollkommene an Wissen. Derjenige, der in der Lage ist, eine solche Ordnung in der Natur zu schaffen und die Wolken schweben zu lassen, muss alles wissen (1Sam 2:3b). Er hat vollkommene Kenntnis in sich selbst und von allen seinen Werken, von allem, was außerhalb von Ihm ist, von der ganzen Schöpfung und von jedem Menschen, denn alles ist von Ihm gekommen. Im Gegensatz dazu ist der Mensch ein völlig unwissendes Geschöpf.

Die Temperatur liegt ganz in Gottes Hand. Weiß Hiob, wie die Temperatur so hoch steigen kann, dass ihm heiß wird und seine Kleider am Körper kleben (Hiob 37:17)? Er weiß, dass der Südwind Hitze bringt (Lk 12:55), aber weiß er auch, wie Gott die Erde schwül macht und diesen Wind aus dem Süden wehen lässt?

Und was kann er dagegen machen? Er hat Gott doch nicht dabei geholfen, den Himmel auszubreiten, der während der Hitze „fest wie ein gegossener Spiegel“ (Hiob 37:18) ist? Das hat Gott ganz allein getan (vgl. Jes 44:24b). Hiob kann den Wolken nicht befehlen, die Hitze zu dämpfen. Das kann nur Gott tun. Was kann Hiob anderes tun, als die Hitze zu ertragen? Wenn die Dinge so liegen, was kann ein so schwaches, hilfloses und unwissendes Menschenkind gegen Gott vorbringen, wenn Er mit ihm handelt?

Elihu ist sich seiner eigenen Unwissenheit über die Dinge, die er Hiob über Gott erzählt hat, bewusst. Aber vielleicht weiß Hiob mehr und will ihm und allen anderen sagen, was sie Gott sagen sollen (Hiob 37:19). Schließlich hatte Hiob Gott gesagt, dass er seinen Fall vor Ihm darlegen wolle (Hiob 13:3; 18-22). Er würde Gott wissen lassen, dass Gott nicht gut mit ihm verfuhr. Elihu fühlt sich selbst im Dunkeln, wenn es darum geht, Gott zu beurteilen, und so wird es auch jedem gehen, der auf Gott in seiner Regierung über die Natur blickt. Wer wagt zu behaupten, dass er Gottes Handeln ergründen kann? In den Worten Elihus liegt eine sanfte Ermahnung an Hiobs Adresse.

Elihu weiß, dass niemand Gott zu sagen braucht, was er (Elihu) gesagt hat (Hiob 37:20). Gott weiß nämlich schon längst alles (Ps 139:4). Wenn jemand meint, dies tun zu müssen, weil er denkt, dass Ihm etwas entgangen ist, und Ihn korrigieren will, dann wird er „verschlungen“ werden. Ein solcher Mensch wird, wenn er zu Gott geht, um Ihn zu informieren, von dem Bewusstsein der Allwissenheit Gottes überwältigt werden. Wenn es darum geht, Gott in seiner Regierung zu beurteilen, tut jeder gut daran, zu schweigen: „Alles Fleisch schweige vor dem HERRN“ (Sach 2:17a).

Abgesehen davon, dass wir nichts über das, was Gott tut, sagen können, sehen wir auch nichts davon; wir sind blind dafür (Hiob 37:21). Uns fehlt das Licht über das, was Gott tut; es ist vor uns durch die Wolken verborgen. Wir sehen die Wolken. Was Gott mit ihnen tun wird, entgeht uns. Aber das Licht leuchtet über ihnen, das dürfen wir wissen. Und zu seiner Zeit wird Er die Wolken durch den Wind vertreiben. Dann wird der Himmel hell.

Wir können dies auf unser Leben anwenden. Die Wolken sind ein Bild für die Prüfungen und Schwierigkeiten, die es in unserem Leben geben kann. Dann sehen wir das Licht nicht, aber wir wissen, dass es da ist. Wir wissen, dass Er über unseren Schwierigkeiten steht, auch wenn es schwierig ist, Ihn zu sehen. Wenn der Moment kommt, in dem Er die Wolken vertreibt, wird das Licht sichtbar. Wir sehen Ihn. Vielleicht sind die Schwierigkeiten nicht verschwunden, aber Er zeigt uns, wozu sie dienen.

Wenn der Himmel von Gott gereinigt ist, scheint es, als sei mit dem Wind aus dem Norden Gold gekommen, das Gold des strahlenden Wetters (Hiob 37:22). Mit diesen letzten Worten Elihus wird Hiob gleichsam auf das Gold des Redens Gottes selbst vorbereitet. In der Anwendung auf unser Leben können wir sagen, dass es nicht nur hell geworden ist, sondern auch bereichert. Die Läuterung des Glaubens ist kostbarer als geläutertes Gold (1Pet 1:7). Wir haben einen tieferen Eindruck von Gottes „furchterregender Pracht“ gewonnen, als wir zuvor hatten. Er hatte und hat alles in der Hand und steuert die Wolken in unserem Leben.

Elihu rundet seine Schlussworte mit einer Art Fazit ab. Er weist darauf hin, dass er und andere „den Allmächtigen“ nicht erreichen können (Hiob 37:23). Was er damit meint, ist das, was er dann über Gott sagt. Gott ist unerreichbar und unermesslich in der Erhabenheit seiner Kraft. Seine Fülle und seine Gerechtigkeit sind unbeugsam und unbestechlich. Niemals tut Er etwas, was dem Recht, der Rechtmäßigkeit einer Sache, mit der Er sich beschäftigt, widerspricht. Das gilt auch für Hiob.

Darüber hinaus ist Er gerecht im Gebrauch seiner Mittel. „Fülle der Gerechtigkeit“ ist wörtlich „höchst gerecht“. In allen Mitteln, die Ihm zur Verfügung stehen, leuchtet seine Gerechtigkeit auf, Er quillt über vor Gerechtigkeit, das ist sein Kennzeichen. Das bedeutet auch, dass Er die Fülle der Gerechtigkeit nicht beugt. Alle seine vollkommenen Eigenschaften setzt Er so ein, dass in seinem Umgang mit den Menschen jede unsensible oder barbarische Härte fehlt.

Aufgrund dieser Eigenschaften, die Er zum Nutzen der Menschen einsetzt, fürchten sie Ihn, d. h. sie haben Hochachtung und Ehrfurcht vor Ihm (Hiob 37:24; vgl. Ps 130:4). Es ist eine allgemeine Furcht vor Gott, wenn sie die Offenbarung seiner Macht sehen (Off 15:4). Diejenigen, die „weisen Herzens“ sind, sind Menschen, die ihre eigene Meinung über Gott haben und Ihm sagen wollen, wie Er regieren soll. Es fehlt ihnen die Ehrfurcht vor Ihm. Deshalb sieht Er sie nicht an, Er würdigt sie keines Blickes.

Damit hat Elihu gesagt, was er auf dem Herzen hatte. Die drei Freunde Hiobs glaubten, dass das Leiden das Ergebnis davon ist, dass Gott „kurzen Prozess“ gemacht hat. Sie hielten sich bei der Beurteilung des Leidens an das, was man eine „Kompensationstheologie“ nennen könnte. Diese Theologie geht davon aus, dass es eine Beziehung zwischen gerechtem Verhalten und Wohlstand, und zwischen sündigem Verhalten und Elend gibt. Elihu hat gezeigt, wie grundfalsch diese Theologie ist.

Hiob stellt die Regierung Gottes in seinem Leben in Frage. Aber von der Regierung Gottes in der Natur versteht er schon wenig. Elihu ermahnt Hiob daher, Gottes Weisheit in beiden Angelegenheiten anzuerkennen und Ihm zu vertrauen. Nachdem Elihu vom Erscheinen der Sonne nach dem Gewitter gesprochen hat, vom Kommen Gottes in seiner furchterregenden Pracht (Hiob 37:22), ist die Zeit reif, dass Gott selbst Hiob auf wundersame Weise über seine Wege belehrt (vgl. Hiob 1:1). Darum geht es in den folgenden Kapiteln.

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