Job 4:6-11

Gottes Gunst für den Gerechten

Eliphas spricht Hiob auf seine Gottesfurcht an (Hiob 4:6). War das nicht seine „Zuversicht“, sein Vertrauen? Wo ist dieses Vertrauen jetzt? Er deutet an, dass mit diesem Vertrauen in Gott etwas nicht stimmt, denn sonst würde Hiob nicht so in Sack und Asche sitzen. Er weiß, dass Hiob Gott fürchtete, aber davon ist in seiner Reaktion auf die Katastrophen, die ihn trafen, nichts zu sehen, so urteilt er. Tatsächlich sagt Eliphas das Gleiche wie Satan, der ebenfalls behauptet hat, dass Hiob Gott nur wegen seines Wohlstands den er hatte fürchtete (Hiob 1:9).

Und dann die Aufrichtigkeit von Hiobs Wegen. Basierte seine Hoffnung nicht auch darauf, dass ihm nichts Schlimmes zustoßen würde? Auch hier sehen wir eine verschleierte Anschuldigung, dass mit Hiob nicht alles in Ordnung ist. Er fürchtete Gott und war ehrlich im Umgang mit den Menschen, und doch passierte ihm all dieses Böse.

Ohne Hiob direkt eines Mangels an Gottesfurcht zu beschuldigen, gibt Eliphas Hiob etwas zu bedenken, das eine Unterstellung in diese Richtung beinhaltet. In jeder seiner Reden spricht Eliphas von Hiobs Gottesfurcht (Hiob 4:6; Hiob 15:4; Hiob 22:4), die er verdeckt in Frage stellt. Aber Hiob ringt nicht mit der Frage: „Bin ich gottesfürchtig und vollkommen?“ Die Frage, mit der er ringt, ist diese: „Warum handelt Gott auf diese Weise mit einem so gottesfürchtigen und vollkommenen Menschen, wie ich es doch bin?“

Eliphas sieht das jedoch nicht. Für ihn ist die Sache viel einfacher. Hiob sollte mal untersuchen, ob jemals ein Unschuldiger umgekommen ist und ob die Gerechten jemals ausgerottet worden sind (Hiob 4:7). Er lehrt Hiob die Lektion, dass Gott keine Katastrophe über die Gerechten kommen lässt und dass das Böse nur den Bösen trifft, egal wie mächtig er ist. Aber Eliphas vergisst zum Beispiel Abel. Abel wurde gerade deshalb ermordet, weil er wegen des Opfers, das er brachte, besser war als sein Bruder (1Mo 4:3-8; vgl. Jes 57:1; Pred 9:2; Mt 23:35; Heb 11:36-38). Auch widerspricht das Urteil von Eliphas über Hiob dem Urteil, das Gott über Hiob gesprochen hat (Hiob 1:8; Hiob 2:3).

Der Maßstab, den Eliphas bei seiner Beurteilung von Hiobs Situation anlegt, ist der seiner eigenen Erfahrung und Wahrnehmung und nicht der der göttlichen Offenbarung, dessen, was Gott zeigt. Gott kann sich ihm auch nicht offenbaren, denn er hat seine eigene Vorstellung davon, wer Gott ist. Dieser Maßstab – die eigene Vorstellung davon, wer Gott ist – wird auch vom modernen Menschen angelegt. Für den Menschen, auch den sogenannten christlichen Menschen, ist nicht das, was Gott in seinem Wort offenbart, normativ und bestimmend, sondern das, was er „fühlt“ und „sieht“. Hier sehen wir ein Beispiel für Religion anstelle einer Relation mit Gott, für Theologie, oder auch „Gottesgelehrtheit“ anstelle von „von Gott gelehrt zu sein“ (Jes 54:13).

Die Grundlage für Eliphas′ Argumentation ist das Gesetz von Säen und Ernten (Hiob 4:8; Gal 6:8 ; Spr 22:8a ; Hos 8:7a). Das kann er beobachten und beurteilen. Sein Urteil stützt sich nicht auf die Schrift, sondern auf seine eigene Erfahrung. Die Gesetzmäßigkeit, die er beobachtet, ist vorhanden, funktioniert aber nicht immer auf eine für uns logisch erklärbare Weise. Das ist jedoch die Art, wie Eliphas damit umgeht. Er macht es zu einer starren, absoluten Gesetzmäßigkeit ohne Ausnahme. Dabei stützt er sich auf das, was er beobachtet hat.

Er sieht, dass Menschen leiden, weil sie sündigen. Was sie ernten, wird durch das bestimmt, was sie säen. Hiob erntet Leid, dann muss er Sünde gesät haben. In der Tat ist die Prämisse des Arguments der drei Freunde: Wer ist jemals unschuldig umgekommen? Wir sehen dies in Eliphas′ weiterer Anschuldigung in der dritten Gesprächsrunde verstärkt, wo er diesen Ausgangspunkt mit eiserner Logik ausführt (Hiob 22:1-11).

Er stellt fest, dass Hiob „durch den Odem Gottes … und durch den Hauch seiner Nase“ umkommt (Hiob 4:9). Mit „dem Odem Gottes“ ist sein Gericht gemeint. Der Odem kann mit einem heißen, brennenden Wind verglichen werden, der über ein Kornfeld zieht und die Ernte verdorren und verloren gehen lässt (vgl. 2Thes 2:8). „Den Hauch seiner Nase“ deutet auf Gottes Zorn und Grimm über die Sünde hin (vgl. 2Sam 22:16; Apg 9:1).

In den Hiob 4:10; 11 gibt Eliphas eine Illustration eines Ungerechten. Er vergleicht ihn mit einem brüllenden Löwen und seine Stimme mit der eines jungen Löwen. Aber der gemachte Eindruck hat keine Wirkung, wenn es darum geht, eine Katastrophe abzuwenden. Wenn die Katastrophe eintritt, ist von seinem imposanten Brüllen und Knurren nichts mehr übrig. Von den ehemals so imposanten Ungerechten ist nichts mehr übrig.

Im Hebräischen werden acht verschiedene Namen für Löwen verwendet. Sie werden alle verwendet, um das Mächtige dieses Tieres anzuzeigen. Hier wird beschrieben, dass ihnen auch die zerstörende und zerreißende Kraft, die sie besitzen, irgendwann genommen wird, sodass sie jede Bedrohung verlieren. Auch für die Zukunft bleibt keine Bedrohung, denn der Löwe kommt um und die Jungen werden zerstreut. So geht der Ungerechte zugrunde und ebenso seine Kinder. Laut Eliphas ist dies eine wichtige Lektion für Hiob.

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