Job 7:11-21

Gott ist sein Feind

Ab Hiob 7:11 gibt es sozusagen ein plötzliches Aufleben bei Hiob. Nach seinen Worten in den Hiob 7:1-10 über die Nichtigkeit und Leere des Lebens flammt sein Widerstand gegen das Schicksal, das Gott ihm zugedacht hat, auf, und er fordert Gott gleichsam vor Gericht heraus. Er zieht Ihn zur Rechenschaft.

Er kann nicht schweigen über das, was Gott ihm angetan hat; er wird nicht darüber schweigen (Hiob 7:11). Die Verzweiflung seines Geistes sucht nach einem Ausweg. Er findet sie, indem er klagt, indem er die Bitterkeit seiner Seele ausdrückt. Er kann den Gedanken nicht verkraften, dass er bald zu Grabe getragen wird und damit den Verlust von allem, was ihm lieb und teuer ist.

Er schreit zu Gott, ob er für ihn ein Meer oder ein Seeungeheuer ist (Hiob 7:12). Sieht Gott ihn so? Gott stellt einen Schutz um ihn herum auf, als wäre er ein tobendes Meer oder ein alles verschlingendes Seeungeheuer. Er hat das Gefühl, dass Gott alles in seiner Macht Stehende tut, um ihn in Schach zu halten, damit er anderen keinen Schaden zufügt.

Er sagt Gott, dass er versucht, Trost auf seinem Schlafplatz zu finden (Hiob 7:13) und sagt damit, dass er kein wütendes Meer oder ein Seeungeheuer ist. Er sucht auch seinen Schlafplatz auf, um seine Klagen zu unterdrücken. Er ist jemand, der Trost und Unterstützung braucht, er sehnt sich einfach nach Frieden und Sicherheit. Wie kann Gott dann denken, dass er wie das Meer oder ein Seeungeheuer gebändigt werden müsste?

Außerdem stört Gott ihn durch Träume und ängstigt ihn durch Visionen oder Gesichte, wenn er versucht, Ruhe zu finden (Hiob 7:14). Auch Eliphas hatte Visionen (Hiob 4:14-21) und sah darin die Größe Gottes. Hiob erlebt nur Albträume und sieht nur die Schrecken Gottes in seinem Traum.

Aufgrund all seiner Qualen erlebt Hiob Gott als Feind, während er doch ein starkes Bedürfnis nach einem Freund hat. Hiob beschuldigt Gott, sein Leben so unerträglich zu machen, dass er es vorziehe, durch Ersticken zu sterben (Hiob 7:15). Schließlich hat das Leben überhaupt keinen Sinn mehr. Es besteht aus einer Abfolge von Elendszuständen, die ununterbrochen jeden Tag und jede Nacht zu spüren sind. Dann ist es doch wohl klar, dass er lieber tot als lebendig wäre?

Er verachtet das Leben, wie es jetzt ist (Hiob 7:16). Es ist zu einer schweren Last geworden und hat nichts Anziehendes mehr. Es ist ein tröstlicher Gedanke für ihn, dass er nicht ewig, nicht immer, in diesem Elend auf der Erde leben wird. An sich ist das ein Gedanke, der auch dem Christen Ruhe und Trost gibt, wenn er in Not ist. Viele Christen leben auf der Erde, als ob sie für immer hier bleiben würden. Sie haben nicht den Wunsch, die Erde zu verlassen, um sie gegen den Himmel einzutauschen, weil sie es hier so sehr genießen.

Was für Hiob eine Flucht ist, ist für den hingegebenen Christen ein Wunsch. Hiob will das Elend loswerden. Der Christ erwartet die Freude. Hiob schaut auf das Hier und Jetzt, der Christ schaut auf die Zukunft.

Hiob fleht Gott an, ihn in Ruhe zu lassen. Seine Tage sind ein einziger Seufzer, sie vergehen in Windeseile, aber Gott gönnt ihm in der wenigen Zeit, die er hat, keine Ruhe. Und er braucht gerade jetzt dringend Ruhe. Hier weiß Hiob nicht, worum er bittet, und glücklicherweise antwortet Gott nicht auf sein Flehen. Wenn Gott ihn wirklich in Ruhe lassen würde, würde er seine Hände von ihm nehmen. Das würde wirklich endlose Unruhe bedeuten. Wenn Gott einen Menschen sich selbst überlässt, ist er hoffnungslos verloren.

Noch einmal fragt Hiob Gott in seiner Verzweiflung, warum Er den kümmerlichen Menschen für so wertvoll hält, dass Er sich mit ihm beschäftigt (Hiob 7:17). Warum nimmt sich der große Gott der Ewigkeit die Zeit und Mühe, ihn jeden Morgen aufzusuchen und ihn mit Plagen und Schmerzen zu prüfen (Hiob 7:18)? Das ist doch verschwendete Zeit und Mühe, denn es nützt Ihm in keiner Weise, Er hat keinen Nutzen davon. Hiob meint hier zweifelsohne sich selbst. Ungeduldig fragt er, warum Gott Freude daran hat, einen Menschen wie ihn jeden Tag so zu quälen und zu peinigen.

Die Antwort auf die verzweifelte Frage der Hiob 7:17; 18 wird auf brillante Weise in Psalm 8 durch die Vorstellung von Christus, dem Menschensohn, dem letzten Adam, gegeben (Ps 8:4-7). Der Wert des Menschen für Gott wird in dem Menschen Christus Jesus gesehen. Jede Prüfung, mit der Er einen der Seinen besucht, soll ihn diesem einzigartigen Menschen ähnlicher machen.

Hiob fragt Gott, wie lange Er wohl mit seinen Prüfungen weitermachen wird, bevor Er aufhört, ihn zu beachten, und seinen Blick auf etwas anderes richtet (Hiob 7:19). Wie lange wird er noch das Ziel aller Pfeile Gottes sein müssen? Hiob hat das Gefühl, dass Gott nur ihn ständig im Visier hat, um ihn zu treffen. Gott gibt ihm so wenig Ruhe, dass er sich nicht einmal dazu kommt, seinen Speichel zu schlucken. Das Schlucken von Speichel nimmt nicht viel Zeit in Anspruch, es ist in einem Augenblick erledigt. Selbst diese kurze Zeit der Ruhe wird ihm von Gott nicht geschenkt, so jedenfalls empfindet es Hiob.

Sein Appell im Blick auf die Sünde

Hier spricht Hiob fragend von seiner Sünde (Hiob 7:20). Es handelt sich nicht um ein Bekenntnis. Hiob hat noch einen langen Weg vor sich, bevor er zu dem Bekenntnis kommt, das er am Ende des Buches ablegt (Hiob 40:3-5; Hiob 42:6). Angenommen, er hätte gesündigt, was sollte er dann tun? Es handelt sich nicht um eine Frage des überzeugten Gewissens, sondern darum, Gott zur Rechenschaft zu ziehen. Wer kann Ihm widerstehen? Wenn Er nach Sünde beim Menschen sucht, wird Er sie immer finden.

„Beobachter der Menschen“ ist ein Name, der darauf hinweist, dass Gott sich um die Menschen kümmert und sie bewacht oder vor Bösem beschützt (Jes 27:3; Ps 12:8; Ps 31:24). Hiob verwendet diesen Namen jedoch nicht in diesem Sinn, sondern in einem missbilligenden Sinn. Er sieht in Gott jemanden, der ihn immer bewacht und ihn nie in Ruhe lässt. Er ist Gottes Zielscheibe und wie trifft Gott ihn! Nicht ein Pfeil liegt daneben, jeder Pfeil ist ein Treffer. Gott hat es auf ihn abgesehen. Er schüttet seinen ganzen Unmut über ihn aus.

Hiob fühlt, dass er sich selbst zur Last geworden ist. Dies ist die schwerste Last, die ein Mensch zu tragen bekommen kann. Wir können die Last eines anderen tragen, aber es gibt niemanden, der unser eigenes Ich als Last übernehmen kann. Jeder kennt zutiefst nur seine eigene Not. Es gibt keine größere Befreiung als die von uns selbst, von unserem eigenen Ich.

In Hiob 7:20 spricht Hiob über seine (mögliche) Sünde. In Hiob 7:21 fragt er, warum Gott ihm seine Übertretung nicht vergibt, wenn er bereits gesündigt hat. Er fragt auch, warum Gott seine Schuld nicht wegnimmt. Als Begründung gibt er an, dass er sowieso im Staub liegen wird. Dann ist er nicht mehr da.

Hiob ist verzweifelt. Warum kann Gott ihm nicht vergeben, anstatt mit seiner strafenden Hand fortzufahren? Hiob hat das Bedürfnis, erlöst zu werden. Wenn Gott in der Lage ist, zu vergeben und zu erlösen, warum straft er ihn dann weiterhin? Schließlich nützt es Gott nichts, wenn Er ihn weiter bestraft, denn er wird sowieso sterben und im Staub liegen (Hiob 3:13). Dann wird Gott ihn gar nicht mehr sehen, auch wenn Er ihn noch so ernsthaft sucht.

Obwohl Hiob hier zu menschlich über Gott spricht, hören wir doch wieder seine Sehnsucht nach Gott. Er will Gott nicht loslassen und er erwartet auch, dass Gott ihn nicht loslässt, sondern ihn sucht.

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