Joel 1:4-7

Die Heuschrecken

Der Ausgangspunkt für Joels Prophezeiung ist eine Heuschreckenplage, die in letzter Zeit das Land geplagt hat. Dass diese Plage eine Strafe Gottes ist, wird denen klar sein, die ein Ohr haben, um zu hören. Das war auch der Fall, als der HERR diese Plage in Ägypten über die Unterdrücker seines Volkes schickte (2Mo 10:12-15; Ps 78:46; Ps 105:34). Genau wie die Plage in Ägypten ist auch die Plage in den Tagen Joels beispiellos.

Wenn sowohl Ägypten als auch Israel von einer beispiellosen Heuschreckenplage heimgesucht werden, kann das nur bedeuten, dass Israel Ägypten geistlich gleich geworden ist (vgl. Off 11:8). Gott warnt sein Volk auch mehrmals, dass sie mit den Plagen und Krankheiten Ägyptens bestraft werden, wenn sie ungehorsam sind (5Mo 28:38; 42; 60). Sowohl für Ägypten als auch für Israel ist diese Plage eine Züchtigung Gottes, die zur Buße und zum Gebet anregen soll (vgl. Amos 4:9; 1Kön 8:37-40).

Eine einzelne Heuschrecke ist unbedeutend, sie macht überhaupt keinen Eindruck, kann einfach so zertreten werden. So fühlen sich die Israeliten in ihrem Unglauben den Riesen in Kanaan gegenüber (4Mo 13:33). Aber in großer Zahl sind sie überwältigend und vernichtend (Ri 6:5; Ri 7:12). Je schwächer das Werkzeug ist, desto deutlicher wird durch dessen Einsatz und dadurch, was es tut, dass Gott hinter ihm steht und dass Er es einsetzt.

Die vier Namen, mit denen Joel die Heuschrecken erwähnt, scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich um verschiedene Arten von Heuschrecken handelt, jede mit ihrem eigenen Namen, die nacheinander das Land geplagt haben:

1. Der Name der ersten (Nager) lautet auf Hebräisch gazam, das ist eine junge, flügellose Heuschrecke.

2. Die zweite Heuschrecke heißt arbèh, das ist die voll entwickelte, geflügelte Heuschrecke (dies ist auch der Name der Heuschrecke, die Gott einst als Plage über Ägypten einsetzte).

3. Die Dritte (Abfresser oder Springer) heißt yélek und ist eine andere Art von Heuschrecken.

4. Die Vierte (Vertilger oder Ausrotter) heißt chasil und ist eine weitere Art.

Die Bibel erwähnt neun Arten von Heuschrecken, von denen die vier, die Joel erwähnt, die gefährlichsten und schädlichsten sind.

Da ein Heuschreckenschwarm alles frisst und nichts übriglässt, bezieht sich „übriggelassen“ auf etwas, was wieder gesprossen ist, nachdem alles kahlgefressen worden war. Das passt auch zu der Vorstellung, dass das Land nacheinander von vier Heuschreckenarten besucht wurde.

Die Zahl Vier findet sich in zwei anderen Bibelstellen, die von Strafen Gottes über das Volk sprechen (Jer 15:3; Hes 14:21). Vier ist die Zahl der Erde. Die Erde hat vier Windrichtungen (vgl. Dan 7:2; Off 7:1; Off 20:8). Es gibt auch vier Jahreszeiten, die das Leben auf der Erde bestimmen. Die Zahl Vier steht für etwas Allumfassendes. Die Erwähnung von den Namen von vier Heuschrecken deutet darauf hin, dass es sich um ein Gericht handelt, das sich über ganz Juda, in alle Richtungen, ausgebreitet hat.

Für ein von der Ernte abhängiges Volk ist eine Plage wie die der Heuschrecken eine lebensbedrohliche Katastrophe. Die immer wieder abgehaltenen Erntefeste weisen auf die Wichtigkeit der Ernte hin. Plötzlich gibt es keine Ernte mehr einzusammeln. Alles verschwindet auf einen Schlag. Es gibt keine Versicherung, die den Schaden deckt. Alle Lebensgrundlagen sind verschwunden. Das Land steht am Rande des Abgrunds. Deshalb muss die Botschaft von Joel gehört werden. Oder ist das Volk so weit von Gott entfernt, dass es nicht mehr zu erreichen ist?

Unter dem Volk Gottes in unserer Zeit sind „Heuschrecken“ systematisch damit beschäftigt, dem Volk Gottes die Nahrung zu rauben. In Gottes Wort werden die Heuschrecken mit dämonischen Mächten in Verbindung gebracht (Off 9:3). Diese Kräfte dringen zunehmend in die Christenheit ein. Sie manipulieren Christen, die sich nicht unter die Autorität des Wortes Gottes stellen, sondern glauben, dass sie Gott auf ihre eigene Weise dienen können.

Es gibt Menschen, die vorgeben, Leiter des Volkes Gottes zu sein, zugleich aber dem Volk sagen, dass man die Bibel nicht ernst nehmen soll. Oder sie sagen, dass die Bibel nur wahr ist, wenn man erlebt, was sie sagt – so als ob die Wahrheit Gottes von den Gefühlen eines Menschen abhängt und nicht nur von der Tatsache, dass Gott gesprochen hat und dass die Bibel schon allein deshalb wahr ist, egal wie sehr das manchmal bestimmten menschlichen Gefühlen widerspricht. In dieser Situation werden Propheten gebraucht, um uns daran zu erinnern, was wir verloren haben, und um uns auf den reichen Inhalt und den Nährwert des Wortes Gottes hinzuweisen.

Die Betrunkenen

Nachdem er die Alten und alle anderen Bewohner des Landes aufgefordert hat, ihm zuzuhören, spricht Joel nun besonders zu den Betrunkenen. Betrunkene sind Menschen, die Gottes Segnungen missbrauchen. Dass Er sie zum Aufwachen auffordern muss, obwohl sie nichts mehr zu trinken haben, zeigt, wie blind und unempfindlich sie für die Äußerungen des Zornes Gottes sind. Sie schlafen noch ihren Rausch aus, während Gott so ernst spricht. Die Betrunkenen sind offenbar in großer Zahl anwesend, weil sie als Gruppe angesprochen werden können. Viele Einwohner von Judäa leben noch in einem sorglosen Taumel weiter.

Hier wird die sorglose Freude besonders angeprangert. Diejenigen, die nicht durch Gottes Stimme in seinem Wort geweckt werden, werden dies durch seine Züchtigung. Diejenigen, die nicht durch Gerichte in der Ferne zum Stillstand kommen, werden diese Gerichte am eigenen Leib erfahren. Es ist gerecht, dass Gott ihnen den Luxus und den Überfluss nimmt. Je mehr ein Mensch sein Glück davon abhängig macht, was ihn befriedigt und was seinen Gefühlen Befriedigung verschafft, desto härter erlebt er das Gericht, wenn es ihn in diesen Dingen trifft. Plötzlich werden sie entdecken, dass all diese Segnungen keine wirkliche Befriedigung gegeben haben, weil sie abseits von Gott genossen wurden, um ihre eigenen Begierden zu befriedigen. Sie werden weinen und wehklagen. Fünfmal wird in diesem Kapitel von Wehklagen oder Ähnlichem gesprochen (Joel 1:5; 8; 9; 10; 11).

Die einzigen Menschen, für die dieses Gericht keine Strafe ist, sind die Nasiräer. Denn sie trinken keinen Wein; sie haben freiwillig darauf verzichtet (4Mo 6:1-4). Der Nasir ist ein schönes Bild für jemanden, der sich ganz freiwillig dem Herrn opfert, um allein für Ihn zu leben. Dabei verzichtet er auf Dinge, die an sich nicht falsch sind – es war für einen Israeliten nicht falsch, Wein zu trinken –, die aber die Gefahr in sich tragen, dass die volle Hingabe an Christus behindert wird.

Auf irdische Segnungen zu verzichten bedeutet, dass diesen Dingen ein untergeordneter Platz eingeräumt wird. Es bedeutet: Verzicht auf das Recht, dein Geld und Gut sowie deine Zeit und Kapazitäten nach deinen eigenen Vorstellungen auszugeben. Man übergibt alles an Christus, damit Er die Autorität darüber hat. Christen, die freiwillig auf den Genuss irdischer Segnungen verzichten, werden nicht trauern, wenn sie diese Segnungen plötzlich verlieren.

Trunkenheit ist die einzige Sünde, die in diesem Buch im Zusammenhang mit Israel erwähnt wird. Daher scheint es, dass diese Sünde im Besonderen den Zustand des Volkes charakterisiert. Trunkenheit bedeutet, dass wir Gott die Dinge, die Er dem Menschen in seiner Schöpfung zum Genuss gegeben hat, im Überfluss und getrennt von Ihm nehmen. Jeder Mensch, der behauptet, mit Gott in Verbindung zu stehen, aber in Wirklichkeit getrennt von Ihm lebt, ist nicht in der Lage, ein nüchternes und überlegtes Urteil über die Dinge des Lebens zu fällen. Er ist vernebelt in seinem Denken.

Von Gott getrennt zu leben bedeutet, dass wir Gott nicht in die Dinge des Lebens einbeziehen. Wir planen, ohne Ihn zu fragen, was Er davon hält. Planen ist nicht falsch, aber es ist falsch, Pläne zu machen, ohne Ihn zu konsultieren und erst hinterher seine Entscheidung zu akzeptieren. Wenn das Volk Gottes einmal so lebt, muss Gott zu drastischen Methoden greifen, um es aus seinem „Rausch“ zu wecken. Er will an allem beteiligt sein, was sein Volk tut. Er kann nicht zulassen, dass sein Volk an Ihm vorbeigeht, Ihn nicht befragt.

Heraufziehen der Heuschrecken

Zu den vier kleinsten Tieren auf der Erde, die aber überaus weise sind (Spr 30:24), gehört auch die Heuschrecke: „Die Heuschrecken haben keinen König, und doch ziehen sie allesamt aus in geordneten Scharen“ (Spr 30:27). Die Heuschrecken sind „eine Nation“, die zwar keinen König hat, aber dennoch mit Weisheit auszieht. Diese Weisheit kommt von Gott; Er regiert dieses Volk. Heuschrecken sind mächtig, weil sie zahllos sind. Außerdem bilden sie eine Einheit; es gibt keine Bresche, die in ihre Reihen geschlagen werden kann. Sie bilden weiterhin eine geschlossene Front.

Hierin liegt eine schöne Anwendung für die Gemeinde jetzt. Wenn wir die verheerende Wirkung beiseitelassen, wie es der oben zitierte Vers aus Sprüche 30 tut, sehen wir in diesen Tieren ein wunderbares Merkmal dafür, wie Gott die Gemeinde funktionieren lassen will. Auch sie hat keine sichtbare Leitung, sondern ist in allem auf die unsichtbare, aber nicht weniger reale Leitung des Heiligen Geistes angewiesen. Wenn sich jedes Glied der Gemeinde unter die Führung des Geistes stellt, sowohl im täglichen Leben als auch in den Versammlungen, wird sich dies in einem einheitlichen Handeln der Gläubigen ausdrücken. Dem Feind wird es nicht gelingen, Spaltung zu verursachen.

Es zeugt von Weisheit, wenn sich die Kinder Gottes dieser unsichtbaren Führung unterwerfen. Der Geist Gottes macht durch das Wort Gottes deutlich, wie Er jedes einzelne Glied und alle Glieder zusammen führen will. Wenn jedes Glied Gottes Wort liest, wird auch deutlich, was seine Funktion im Ganzen ist und wie diese Funktion ausgeübt werden kann, um dem Ganzen zu dienen.

Die Heuschrecken, von denen Joel spricht, werden als „eine Nation“ bezeichnet. Damit wird deutlich, dass in diesen Heuschrecken ein Beispiel für eine Nation auf dem Kriegspfad gesehen werden kann. Die mächtigen Waffen, über die sie verfügen, sind ihre Zähne, die mit den Zähnen eines Löwen und dem Gebiss einer Löwin verglichen werden (vgl. Off 9:8). Der König der Tiere packt seine Beute und zerreißt sie mit seinen Zähnen, ohne sie loszulassen. Das gleiche zerstörerische Werk tun Heuschrecken mit ihren Zähnen. Sie fressen alles, ohne etwas übrig zu lassen. Wenn diese winzige Geschöpfe schon ein solches Übel anrichten können, wie viel mehr wird es von dem feindlichen Volk getan werden, dessen Handlungen im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben werden (Joel 2:1-11).

Diese zerstörerische Kraft wird auf das losgelassen, was Gott „mein Land“ nennt. Deshalb betrifft die Züchtigung, die Gott über sein Land bringen muss, auch Ihn selbst. Wir sehen das in Joel 1:9, wo es heißt, dass Ihm keine Opfer mehr gebracht werden. Das macht deutlich, dass Gott kein Gericht von seiner hohen und erhabenen Position aus sendet, ohne selbst daran beteiligt zu sein (Klgl 3:33).

Das Land wird Israel anvertraut, um es für Ihn zu bewirtschaften und Ihm die Früchte davon zu geben. Es ist ihnen erlaubt, alles Gute davon zu genießen. Wenn sie aber das Land für ihr Eigentum halten und es plündern, muss Gott sie durch Züchtigung daran erinnern, was Er gesagt hat: „Denn mein ist das Land; denn Fremde und Beisassen seid ihr bei mir“ (3Mo 25:23b).

Mein Weinstock, mein Feigenbaum

Nachdem Gott im vorherigen Vers vom Land als „mein Land“ gesprochen hat, nennt Er Israel hier „meinen Weinstock“ und „meinen Feigenbaum“. Weinstock und Feigenbaum sind Symbole für Wohlstand, Frieden und Ruhe (1Kön 5:5; Mich 4:4). Weinstock und Feigenbaum werden oft zusammen erwähnt (Ps 105:33; Jes 36:16; Jer 5:17; Hos 2:14). Das Holz des Weinstocks ist wertlos (Hes 15:1-5). Der Bauer mit dem Weinstock und dem Feigenbaum interessiert sich nicht für das Holz dieser Bäume, sondern für ihre Frucht. Diese Frucht hat sein Volk nicht dem HERRN geschenkt, sondern für sich selbst genutzt.

Was also ein Geschenk Gottes an sein Volk ist, wird ihnen nun weggenommen. Und zwar radikal. Die Heuschrecken fressen nicht nur alles Grün, die Bäume werden sogar ihrer Rinde beraubt. Deshalb tragen Weinstöcke und Feigenbäume keine Früchte mehr. Im übertragenen Sinn gilt das auch für Israel. Das Volk hat schon lange keine Frucht mehr für Gott gebracht. Alles ist entblößt und tot. Erst wenn die Gemeinde entrückt ist und Gott den Faden mit Israel wieder aufnimmt, wird neues Leben kommen, wie Paulus sagt: „Was wird die Annahme anderes [sein] als Leben aus den Toten?“ (Röm 11:15).

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