Luke 12:13-21

Hütet euch vor aller Habsucht

Jemand aus der Volksmenge fällt dem Herrn ins Wort. Es geht um ein Erbe, das verteilt werden soll, und davon will er einen Teil haben. Hier tut sich eine andere Gefahr auf. Der vorige Abschnitt betraf die Gefahr der Verfolgung durch gesetzliche Menschen. Nun wird auf die Gefahr der Geldgier, des Materialismus eingegangen, und das hat mit Habsucht zu tun.

Während der Herr ernste Worte über Lehren der Pharisäer spricht, über Sünde, die nicht vergeben werden kann, und die Verfolgung seiner Jünger, ist jemand der Meinung, dass es doch wohl wichtigere Dinge gebe, zum Beispiel das Aufteilen einer Erbschaft. Der Mann hat so den Gedanken, dieser Mensch könne doch mal eben einen Konflikt lösen, den er mit seinem Bruder wegen der Teilung einer Erbschaft hat. Es ist eigentlich nicht einmal eine Bitte, sondern mehr eine Aufforderung. Sein Bruder hat sich mit dem Erbe davongemacht, und er steht mit leeren Händen da. Nach allem, was er von diesem Menschen gehört hat, scheint er ihm die geeignete Person zu sein, um als Schlichter in diesem Konflikt aufzutreten.

Er anerkennt, dass Er über ihm steht, denn er redet Ihn als „Lehrer“ an. Der Herr redet den Bittsteller mit „Mensch“ an, und darin klingt ein ernster Tadel durch in dem Sinn: „Mensch, belästigst du mich mit so etwas? Du weißt gar nicht, was du redest.“ Er fragt den Mann, wie er dazu kommt, dass Er Richter oder Erbteiler sein soll. Wer hat Ihn dazu angestellt? Gott jedenfalls nicht.

Gewiss ist Er Richter und Erbteiler, aber nicht jetzt. Wenn Er jetzt als Richter gekommen und als solcher aufgetreten wäre, hätte niemand vor Ihm bestehen können. Auch die Zeit, das Erbe zu teilen, war nicht angebrochen. Er ist nicht gekommen, um sich für irdische, sondern für himmlische Ziele einzusetzen. Wenn die Menschen Ihn angenommen hätten, ja, dann hätte Er zweifellos hier unten Erbschaften verteilt. Aber so, wie es jetzt ist, ist Er nicht als Richter oder Erbteiler über die Menschen oder ihre irdischen Angelegenheiten gesetzt.

Der Herr wird keine Regeln zur Verteilung von irdischem Besitz geben, sondern Er gebraucht die Bitte, um die tiefere Ursache dazu ans Licht zu bringen: Habsucht. Er spricht den Bittsteller persönlich an. Er weiß, dass die Bitte aus Habsucht hervorkommt, aus dem Wunsch, mehr haben zu wollen, als man besitzt. Beim Verteilen von Erbschaften wird deutlich sichtbar, was in den Herzen ist. Menschen werden in solchen Situationen von der Angst beherrscht, andere könnten sich mit etwas Wertvollem davonmachen, das sie selbst übersehen haben, und sie könnten das Nachsehen haben.

Habsucht ist es, wenn man mehr haben will, als zum Leben ausreichend ist. Sie ist Götzendienst (Kol 3:5; 6), denn sie verdrängt Gott und den Herrn Jesus aus dem Herzen und stürzt das Leben ins Verderben. Der Herr macht auch darauf aufmerksam, dass das Leben nicht zum Besitz eines Menschen gehört. Das ist den Menschen nicht bewusst. Man kann noch so viele Besitztümer haben und darüber nach Willkür verfügen ‒ das Leben eines Menschen ist ein Geschenk Gottes.

Gleichnis vom reichen Toren

Für den Herrn ist das ein so wichtiges Thema, dass Er durch ein Gleichnis klare Belehrung dazu geben will. Die Gefahr der Habsucht wird darin deutlich dargestellt. Er berichtet von einem Menschen, der sehr reich ist. Und dieser Reichtum nimmt noch zu. Sein Land bringt immer wieder viel ein.

Für einen echten Juden ist das übrigens ein Beweis der Gunst Gottes für seine Treue zum Gesetz Gottes. Darin steht ja, dass Gott seinen Segen mit der Treue gegenüber seinem Gesetz verbindet (5Mo 28:1-6). Wegen der Untreue des Volkes Gottes handelt Gott mit seinem Volk jedoch nicht mehr auf der Grundlage des Gesetzes. Da kann es geschehen, dass der Treue leidet und der Untreue Segen empfängt. Damit setzte Asaph sich auseinander, der das auch feststellte (Ps 73:2-15). Asaph lernte jedoch auch die Lösung dieses Problems kennen, und zwar dadurch, dass er in das Heiligtum Gottes hineinging und von dort aus auf das Ende der Gottlosen Acht gab (Lk 12:16-20). Auf dieses Ende weist der Herr Jesus auch in diesem Gleichnis hin.

In dem, was die Menschen kluge Politik und Einsicht nennen, verbirgt sich außerordentliche Selbstsucht und Torheit. Das kommt daher, dass sie meinen, sie selbst seien die Quelle der Weisheit. Der Mann überlegt bei sich selbst, er überlegt nicht mit Gott. Alles dreht sich um ihn selbst und seine eigenen Gedanken. Das färbt seine ganze Überlegung. Es heißt jedes Mal „ich will dies“, „ich will das“. Diese Art Überlegungen passt gut zu Menschen, die nur für das Diesseits leben. Er will alles für sich einsammeln, aber er unterlässt es, an die Reichtümer Gottes zu denken. Das macht seine Torheit aus.

Weil er nur von „ich“ spricht, sagt er auch „meine Scheunen, mein Weizen, meine Güter“. Er wird das alles ausführen. So gar nicht zu bedenken, ein abhängiger Mensch zu sein, nennt Jakobus „Rühmen in Großtuereien“ (siehe Jak 4:13-16). Der reiche Tor ist voller Habsucht. Er meint, dass alle seine Güter ihn in die Lage versetzen, sein Programm durchzuziehen. Dazu gehören ausruhen, essen, trinken, fröhlich sein. Das ist es, was der Mensch der Welt im Allgemeinen sucht: reichliche Ruhe, reichliches Essen und Trinken, viel Spaß und Vergnügen. Er hat keinen Blick für die Zukunft außerhalb dieser Welt. Das gegenwärtige Leben bedeutet ihm alles.

Es ist gar nicht so, dass der reiche Tor nach menschlichen Maßstäben seinen Besitz falsch gebraucht. Er lebt nicht unsittlich. Doch sein ganzes Tun und Lassen geht nicht weiter als bis zur Befriedigung seines Verlangens nach immer größerem Überfluss. Der reiche Eigentümer reißt immer wieder seine Scheunen ab und baut größere in der Absicht, alle seine Erträge sicherzustellen und seinen Besitz auszuweiten. Seine Gedanken sind ausschließlich auf das gegenwärtige Leben gerichtet, das, so denkt er, immer so weitergehen wird. Viele Christen sind leider auch so. Sie bauen Häuser und sammeln Vorräte an Geld und Gütern, als ob sie tausend Jahre hier leben würden.

Dann ertönt plötzlich mitten in der Nacht eine Stimme und spricht zu ihm. Womit war er da beschäftigt? Er brachte die letzte Nacht seines Lebens damit zu, große Pläne für die Zukunft zu machen, für eine Zukunft, die er nie erleben würde. Hierin gleicht er Belsazar, der die letzte Nacht seines Lebens mit einem grandiosen Festmahl zubrachte (Dan 5:1-4).

Wie viele Menschen gleichen ihm doch. Für sie ist das Leben ein einziges großes Fest, wo doch der Tag oder die Nacht kommt, wo dieses Leben plötzlich abgeschnitten wird. Gott spricht ihn an, so wie er ist („Du Tor“), und fällt sein Urteil. Mit Gott hat er nicht gerechnet und er hat schon gar nicht damit gerechnet, dass Gott ihm einen Strich durch seine Rechnung machen könnte.

Und worin besteht sein Urteil? Gott nimmt nicht seine Besitztümer weg. Das hätte Er tun können, aber das tut Er nicht. Der Tor sprach zuerst von seinen Besitztümern und erst in zweiter Linie von seiner Seele. Gott spricht zuerst von der Seele des Toren und danach von seinen Besitztümern. Gott fordert seine Seele, denn in seiner Hand ist „die Seele alles Lebendigen“ (Hiob 12:10). Der Tor dachte nicht an die in Lk 12:5 genannte Furcht.

Gott nimmt seine Seele weg und stellt die Frage: „Was du aber bereitet hast, für wen wird es sein?“ Auf diese Frage kommt keine Antwort. Die Antwort müssen du und ich geben, denn diese Frage richtet sich auch an uns. Der Tor hatte seine Seele zur Knechtschaft des Leibes erniedrigt, statt den Leib unter Kontrolle zu halten, so dass der Leib der Diener der Seele wäre und Gott der Herr von beiden.

Für uns selbst Schätze zu sammeln ist die Zwangsarbeit des eigenen Ich und des Unglaubens, der Rücklagen bildet. Das bedeutet, in dem Traum zu leben, man könne das noch lange genießen, einem Traum, den der Herr plötzlich beendet.

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