Luke 16:23-31

Die umgekehrten Rollen nach dem Tod

Das Leben auf der Erde, wie glänzend es auch sein mag, ist begrenzt. Der Augenblick des Todes kommt unwiderruflich. Dann zeigt sich, dass der Gegensatz zwischen dem Armen und dem Reichen sehr viel größer ist, als er auf der Erde war. Der Arme stirbt. Für ihn bedeutet das den Übergang vom Elend auf der Erde zu einem herrlichen Ort. Die Engel holen ihn ab und tragen ihn in den Schoß Abrahams (Heb 1:14), wo lauter Segen und Freude und Genuss sind. Das muss für die Pharisäer sehr ungewöhnlich geklungen haben.

Auch der Reiche stirbt. Dann zeigt sich der riesige Kontrast. Er stirbt und wird begraben. Von Engeln ist keine Rede und noch viel weniger vom Schoß Abrahams, dem Ort, nach dem jeder Jude verlangte. Sobald er die Augen auf der Erde geschlossen hat, schlägt er sie im Hades auf und empfindet sofort die Qualen dieses Ortes. Außerdem sieht er in der Ferne Abraham und Lazarus in seinem Schoß. Es ist eine der Qualen des Hades, den Platz des Segens zu sehen und daran zu denken, dass man dort hätte sein können, und sich zugleich bewusst zu sein, dass man nie dorthin kommen kann. Das ist der Wurm, der nicht stirbt, die ewige Reue.

Der Reiche ist sich seiner qualvollen Lage sofort vollständig bewusst. Er denkt nicht an seine Sünden, sondern an sein Elend. Er bittet auch nicht darum, daraus befreit zu werden. Im Hades ändert jemand seine Gesinnung nicht. Wer auf der Erde nicht nach Gott verlangte und Ihn nicht liebte, verlangt auch im Hades nicht nach Gott und hat Ihn auch dort nicht lieb. Im Hades ist niemand, der Gott anfleht, ihn daraus zu befreien. Das Einzige, was der Mann sucht, ist ein bisschen Kühlung seiner Zunge, wodurch die Qualen etwas gemildert werden könnten.

Er bittet Abraham, Lazarus mit etwas Wasser an der Fingerspitze zu ihm zu senden. Auf der Erde hatte er sich nicht um Lazarus gekümmert. Er hätte nicht daran gedacht, jemanden wie Lazarus um eine Gefälligkeit zu bitten. Allein den Gedanken daran würde er widerlich gefunden haben. Nun fleht er darum, dass Lazarus ihm einen Liebesdienst erweist! Der Egoismus bringt einen Menschen dazu, etwas zu tun, woran er unter anderen Umständen nicht gedacht hätte. Im Jenseits wird die irdische Wirklichkeit in ihrem wahren Licht gesehen.

Abraham antwortet dem Reichen, dass seiner Bitte nicht entsprochen werden wird. Der Hades ist der Ort, wo Menschen sich nach den geringsten Dingen, die sie auf der Erde hatten, sehnen und danach verlangen, deren Wünsche aber nie erfüllt werden. Aus der Antwort erkennt man, dass die Rollen, verglichen mit der Situation auf der Erde, vollständig umgekehrt sind. Er nennt ihn „Kind“ und erinnert ihn damit an das Vorrecht, das er auf der Erde hatte, zu dem auserwählten Volk Gottes zu gehören.

Abraham erinnert ihn an sein Leben und an das Gute, das er darin empfangen hat. Der Reiche, der nun der Arme ist, sieht seine reich gefüllten Tafeln und sein Leben der Feste wieder vor sich. Abraham erinnert ihn auch an Lazarus, der da das Böse empfangen hat. Der Mann sieht auch Lazarus wieder an seinem Tor liegen, umgeben von Hunden, die seine Geschwüre lecken. Er hat sich nicht darum gekümmert. Alles, was der Reiche Lazarus verwehrt hat, empfängt Lazarus jetzt. Und alles, wofür der Reiche in seinem Egoismus keinen Blick und kein Herz hatte, bekommt er jetzt.

Wir sollen übrigens nicht denken, dass der Reiche die Qualen als Strafe für seinen Reichtum bekommt. Er kommt nicht wegen seines Reichtums an den Ort der Qual, sondern wegen seines Egoismus und weil er nur für sich selbst gelebt hat. Er war ein Verwalter, der die Güter seines Herrn vergeudete und sich nicht um die „ewigen Hütten“ kümmerte. Er ist mit seinen Sünden nie zu Gott gegangen, er hat nie seinen Egoismus als Sünde bekannt. Er hat niemals eingesehen, dass aller Reichtum, den er in seinem Leben „empfangen“ hatte (so drückt Abraham es aus), von Gott war. Alles war von und für ihn selbst. Alle anderen, wie Lazarus, konnten zuschauen, aber sie bekamen nichts davon.

So wie der Reiche die Strafe nicht bekommt, weil er reich war, so bekommt Lazarus den Trost im Jenseits nicht, weil er auf der Erde arm und verstoßen war. Wie gesagt, bedeutet Lazarus „Mein Gott ist Hilfe“. Er hat in seinem Leben auf der Erde die Bedeutung seines Namens sichtbar werden lassen. Lazarus hat sich wegen seines Schicksals nicht gegen Gott aufgelehnt. Das hätte er leicht tun können, aber er hat sich weiter auf Gott verlassen. Er hatte auf der Erde nichts anderes als Gott, und er hat in der Herrlichkeit auch nichts anderes.

Abraham spricht von Trost für Lazarus, nicht von Segen, obwohl dort nichts als Segen ist. Trost erhält jemand, der viel gelitten hat und nun Erleichterung und Rettung erfährt. Das Leiden ist für Lazarus vorbei, und er genießt nun das Gegenteil.

Übrigens ist es durch das, was sowohl der Reiche als auch Lazarus bewusst erleben, ganz deutlich, dass die Lehre vom Seelenschlaf eine Irrlehre ist. Abraham weist weiter darauf hin, dass es im Jenseits unmöglich ist, einen Ortswechsel vorzunehmen. Er spricht von einer großen Kluft zwischen dem Ort der Qual und dem Ort des Trostes und des Segens. Die Lehre vom Fegefeuer ist eine schlimme Täuschung. Das Fegefeuer gibt es nicht einmal, aber es ist auch unmöglich, den Platz, den jemand nach seinem Tod einnimmt, zu wechseln (Pred 11:3).

Bekehrung nur durch das Wort Gottes

Dann hören wir von dem Mann etwas, was er auf der Erde nie gezeigt hat: Sorge um andere. Wenn Lazarus denn nicht zu ihm kommen kann, soll er doch zu seiner Familie gehen dürfen, um sie zu warnen. Lazarus soll seine Brüder ernstlich warnen, damit sie dem Schrecklichen, was sein Teil ist, entkommen. Aber auch dieser Bitte kann nicht entsprochen werden. Der Hades ist auch der Ort, wo Gebete nicht erhört werden. Im Hades wird viel gefleht, aber von dort wird nie etwas kommen, was Segen für die Erde bedeutet. Die Zeit, zu flehen, ist dann vorbei, es ist zu spät. Flehen gehört zum Leben auf der Erde, nicht zum Hades.

Abraham weist auf Mose und die Propheten hin. Seine Brüder sind nicht ohne Zeugnisse. Sie können das Wort Gottes lesen, wie er das in seinem Leben auf der Erde auch hätte tun können. Während der Herr die Worte Abrahams anführt, die dieser im Jenseits gesprochen hat, stehen die Pharisäer dabei; sie faseln vom Gesetz und hören nicht darauf. Es ist ein Wink für sie, wirklich auf Mose und die Propheten zu hören, denn dann werden sie nicht an diesen schrecklichen Ort kommen.

Der Mann meint, dass er es besser weiß, und will Abraham überzeugen, dass, wenn jemand von den Toten zu ihnen geht, sie sich doch wohl bekehren werden. Abraham wiederholt, dass das Einzige, was jemanden von seinen Sünden überführen kann, das Wort Gottes ist. Nicht einmal das größte Wunder bringt jemanden zur Bekehrung.

Kurze Zeit, nachdem der Herr diese Begebenheit erzählt hatte, stand tatsächlich ein Mann, der auch Lazarus hieß, von den Toten auf, als Er ihn rief. Viele Brüder des reichen Mannes kamen damals, um den, der auferweckt worden war, zu sehen (Joh 12:9). Mit welchem Ergebnis? Dass sie zum Glauben kamen? Nein, statt sich zu bekehren, berieten jedenfalls die Obersten, ja sogar die Hohenpriester, dass sie auch den auferstandenen Lazarus töten wollten, ebenso wie den, der durch seine Auferstehungskraft ihren tödlichen Hass gegen sich erregt hatte. Keine Rede davon, dass sie sich überzeugen ließen und auf Mose und die Propheten hören würden.

So geht es auch, als der Herr gestorben und auferstanden ist. Dann bestechen sie die Soldaten, damit die eine Lüge über seine Auferstehung verbreiten: Er sei nicht auferstanden, sondern seine Jünger hätten seinen Leichnam gestohlen. Das einzige Licht für eine unwissende Seele, das einzige Zeugnis, das einem toten Sünder ewiges Leben bringt, ist das Wort Gottes, wenn es im Glauben angenommen wird.

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