Luke 18:22

Der reiche Oberste

Da kommt ein Oberster zum Herrn und hat eine Frage. Seine Frage macht deutlich, dass er auf seine eigene Rechtschaffenheit vertraut und dass es ihm daher an der Gesinnung eines Kindes fehlt. Er begreift nicht, dass im Menschen nichts Gutes zu finden ist. Er meint, er könne etwas tun, um das ewige Leben zu erben, wo doch nur diejenigen, die wie die Kinder werden, das ewige Leben aus Gnade bekommen können. Das ewige Leben ist das Leben des Reiches. Daher spricht er davon, es zu erben. Seine Frage diesbezüglich bedeutet, dass er in das Reich eingehen will.

Die Antwort soll den Obersten zum Nachdenken bringen. In seiner Antwort fragt der Herr, warum er Ihn „guter Lehrer“ nenne. Der Herr wartet seine Antwort nicht ab, sondern hilft ihm auf die Sprünge, indem Er ihm sagt, dass keiner gut ist als nur Gott. Wenn der Oberste jedoch meint, dass der Herr als Mensch, und nicht mehr als ein Mensch, ein guter Lehrer ist, jemand, von dem man lernen kann, wie man sich das ewige Leben verdienen kann, dann wird er seiner Herrlichkeit nicht gerecht. Der Herr weiß, was im Herzen des Obersten ist, aber damit dieser das selbst sieht, sagt Er ihm, was er alles tun kann, um in das Reich einzugehen: einfach das Gesetz halten, und Er nennt ihm dann auch die Gebote.

Der Herr fragt nicht, ob er sie kennt, denn Er weiß, dass der Oberste sie kennt. Aber die Gebote zu kennen und sie auch wirklich zu halten, ist zweierlei. Der Herr nennt ihm fünf Gebote, nicht alle zehn. Und achte einmal darauf, welche Gebote Er dem Obersten nennt. Die fünf, die Er ihm nennt, sind Gebote, die die Beziehung von Menschen untereinander regeln.

Der Oberste kann in aller Aufrichtigkeit sagen, dass er diese Gebote von Jugend an gehalten hat. Wie er das sagt, klingt nicht nach Prahlerei. Der Herr weist ihn auch nicht zurecht, als sei er jemand, der sich für fromm ausgibt, aber im Innern nichts taugt. Zugleich beweist seine Antwort, dass er überhaupt kein Bewusstsein von Sünden hat und dass er also Gott und Christus nicht kennt.

Dann kommt der Herr zum Kern. Er sagt dem Obersten, dass ihm eins fehlt. Er weiß, dass der Oberste reich ist und dass sein Herz an seinen Besitztümern hängt. Indem Er ihm sagt, er solle alles verkaufen und es an die Armen verteilen, stellt Er ihn auf die Probe. Wenn er wirklich nach dem ewigen Leben verlangt, wird er breit sein, alles dafür aufzugeben.

Wenn er tut, was der Herr sagt, hat das für ihn eine zweifache Folge. Er wird sich einerseits einen Schatz in den Himmeln sichern. Andererseits darf er zu dem Herrn kommen und Ihm nachfolgen. Dem Herrn nachzufolgen, bedeutet für die Erde Verwerfung, aber in der Zukunft den Genuss des Schatzes. Es geht darum, wer dieser „Mir“, der das sagt, für das Herz ist. Das bestimmt alles. Wenn Er vor den Blicken steht, ist die Kraft vorhanden, auf der Erde alles preiszugeben, und dann ist Glaube da, dass der wahre Schatz in den Himmeln ist.

Als der Oberste hört, was der Herr verlangt, wird er nicht böse, sondern betrübt. Er sieht die Realität vor sich, dass er, um das ewige Leben zu erben, alles aufgeben muss, und er kann auf seine Besitztümer nicht verzichten. Sie sind für ihn zu kostbar. Der Grund ist, dass er in dem Herrn Jesus und in den Dingen, die Er ihm vorstellt, nichts Anziehendes sieht. Der Oberste hätte mit seinem Reichtum wohl das ewige Leben kaufen wollen; aber alles verkaufen und weggeben und dann in dem Glauben, dass der Schatz in den Himmeln sicher ist, einen Weg der Erniedrigung gehen ‒ das will er nicht.

Der Herr hat seinen Finger auf die Begierde gelegt, die ihn beherrscht und die durch die Reichtümer, die er besitzt, genährt wird. Der Reichtum, der in den Augen des Menschen ein Zeichen der Gunst Gottes zu sein scheint, erweist sich nur als Hindernis, wenn es um sein Herz und um den Himmel geht.

Die Aufforderung des Herrn macht deutlich, dass er seinen Reichtum liebt, sein Geld, den Mammon; das hatte er zuvor niemals bei sich vermutet. Aber jetzt kommt ans Licht, was unterschwellig immer schon da war. Das geschieht, weil er in der Gegenwart dessen ist, der, da Er reich war, um unsertwillen arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden (2Kor 8:9). Der Oberste fand seine Stellung und seinen Besitz sehr wertvoll und konnte es nicht ertragen, nichts zu haben und nichts zu sein.

Was für ein Unterschied zu dem, der es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm und den Menschen gleich wurde und der, als Er äußerlich wie ein Mensch erfunden wurde, sich selbst erniedrigte, indem Er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz (Phil 2:6-8).

Als der Herr sieht, dass der Oberste traurig wird, weist Er auf die Gefahr des Reichtums hin als ein Hindernis dafür, ins Reich Gottes einzugehen. Er vergleicht einen Reichen mit einem Kamel, das schon allein nicht durch das Öhr einer Nadel gehen kann und oft noch viel aufgeladen hat, wodurch es noch unmöglicher wird, hindurchzugehen.

Die Bildersprache ist eine Übertreibung, die jedem deutlich macht, dass ein Reicher, der an seinem Geld hängt, nicht in das Reich eingehen kann. Bei jemandem, der viel Geld und Besitz hat, ist es häufig so, dass er nur schwer darauf verzichten kann. Um in das Reich eingehen zu können, muss man auf allen Reichtum, sei er nun materieller oder geistlicher oder intellektueller Art, verzichten.

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