Luke 19:11-27

Ein hochgeborener Mann

Die Jünger hören, wie der Herr Jesus über die Errettung spricht. Das lässt sie an das Friedensreich denken. Sie sehen in Ihm den Messias. Alle ihre Gedanken sind darauf gerichtet, dass Er nach Jerusalem gehen, sich dort auf den Thron Davids setzen und das Reich Gottes öffentlich in Herrlichkeit und Majestät aufrichten wird. Weil sie immer damit beschäftigt sind, haben sie, wenn Er von seinen Leiden und seinem Tod sprach, nie etwas davon begriffen. Auch jetzt gehen sie von der verkehrten Annahme aus, Er gehe nach Jerusalem, um den Thron zu besteigen und seine Regierung anzutreten.

Der Herr kennt ihre Gedanken, und darum fügt Er ein Gleichnis hinzu. Der hochgeborene Mann ist Er selbst. Er ist der Sohn Gottes, auch als Mensch. Er ist auf die Erde gekommen, um das Reich Gottes aufzurichten, aber Er ist verworfen. Nun reist Er in ein fernes Land, den Himmel, um dort ein Reich zu empfangen. Er ist wirklich König mit einem wirklichen Königreich. Er regiert jedoch noch nicht öffentlich, sondern in den Herzen derer, die Ihn als Herrn bekennen. Doch Er kommt zurück, um sein Reich aufzurichten.

Bevor Er zum Himmel geht, gibt Er seinen Knechten, das sind die, die Ihn als Herrn bekennen, ein Pfund, und Er gibt ihnen den Auftrag, damit zu handeln. Er fügt hinzu, dass sie handeln sollen, bis Er wiederkommt. Allen Knechten, die ausdrücklich seine Knechte genannt werden, wird dieselbe Summe anvertraut. Die Zahl zehn spricht von Verantwortung. Alle Knechte sind dafür verantwortlich, mit dem zu handeln, was der Herr ihnen gegeben hat. Dass sie dieselbe Summe bekommen, bedeutet, dass der Unterschied im Ergebnis die Folge ihres Fleißes, ihres Einsatzes, ihrer Motivation usw. ist, nicht ihrer Fähigkeiten.

Der Herr erzählt in Matthäus 25 ein Gleichnis, das diesem hier in Lukas sehr ähnlich ist. Es besteht jedoch ein Unterschied. Dort spricht Er über einen Menschen, der ins Ausland geht und der jedem seiner eigenen Knechte eine unterschiedlich hohe Summe anvertraut (Mt 25:14; 15). In Matthäus 25 legt Er den Nachdruck auf die Macht und Weisheit des Gebers, der unterschiedliche Gaben gibt, entsprechend der Fähigkeit jedes Knechtes. Das Ergebnis ist ein Erlös, der den unterschiedlichen Gaben entspricht, aber eine gleiche Belohnung (Mt 25:19-23).

Während im Matthäusevangelium mehr die souveräne Macht des Herrn im Vordergrund steht, geht es in Lukas mehr um die Verantwortung der Knechte. In dem Pfund können wir das uns anvertraute Gut sehen (1Tim 6:20). Was uns anvertraut ist, ist die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi (2Kor 4:6). Der Gedanke dabei ist, dass das in unserem Leben sichtbar wird. Im Evangelium nach Lukas bedeutet das, dass wir den Menschen in unserer Umgebung die Gnade zeigen, die uns in Christus gegeben ist. Wenn die Gnade von uns zu anderen ausgeht, wird diese Gnade auch in anderen anfangen zu wirken, und dadurch wird die Wirksamkeit der Gnade zunehmen. So können wir mit der Gnade handeln.

Außer Knechten sind da auch Bürger. Die Bürger sind die Juden. Sie haben den Herrn Jesus verworfen, denn sie hassten Ihn. Ihr Hass war so groß, dass sie Ihm, als Er einmal weg war, sogar eine Gesandtschaft hinterhersandten, um noch einmal besonders zu betonen, dass sie seine Königsherrschaft nicht wollten.

Das geschah, als sie Stephanus steinigten. Der hatte ihnen in der Kraft des Heiligen Geistes gleichsam eine letzte Gelegenheit geboten, Ihn im Nachhinein als ihren König anzunehmen (Apg 7:54-60). Dadurch, dass sie Stephanus töteten, sandten sie Christus zur Erklärung gleichsam die Botschaft hinterher, dass sie mit Ihm nichts zu tun haben wollten. Damit unterschrieben sie ihr eigenes Urteil, das später, im Jahre 70, durch die römischen Heere unter der Führung von Titus ausgeführt wurde, indem sie Jerusalem zerstörten.

Belohnung der treuen Knechte

Die Bürger wollten zwar nicht, dass Er König über sie wäre, aber das verhinderte nicht, dass Er das Reich empfing. Nachdem Er es empfangen hat, kehrt Er zurück. Lukas spricht nicht über die Zeit, die zwischen dem Empfangen des Reiches und seiner Rückkehr vergangen ist. Im jetzigen Augenblick sind schon fast 2000 Jahre vergangen, seit Er das Reich empfing, aber Er ist noch nicht zurückgekehrt. Der Augenblick seiner Rückkehr kommt jedoch immer näher. Wenn Er zurückkehrt, lässt Er seine Knechte, denen Er das Geld gegeben hat, zu sich rufen. Er will wissen, was sie erhandelt haben. Das ist sein gutes Recht. Er hat seinen Knechten das Geld gegeben, damit sie für Ihn Gewinn damit machten.

Der Erste, der zu Ihm kommt, berichtet Ihm, dass sein Pfund (der Knecht sagt „dein“ Pfund) zehnfachen Gewinn erbracht hat. Er hat voller Hingabe an seinen Herrn mit dem ihm anvertrauten Pfund gearbeitet. Der Gewinn besteht nicht in der Anzahl bekehrter Menschen, die jemand vorzuweisen hat, oder in der Zahl der Predigten, die jemand gehalten hat, sondern in dem, was im ganzen Leben des Knechtes von Christus sichtbar geworden ist.

Das Leben Christi brachte Gott reiches Lob. Überall, wo Menschen Ihn sahen und hörten, verherrlichten sie Gott, obwohl viele von ihnen Ihn nicht annahmen und Ihn schließlich sogar verwarfen. In dem Maß, wie dieses Leben Christi im Leben eines Gläubigen zu sehen ist, wird Er das belohnen. Dabei geht es nicht um den Besitz einer besonderen Gabe, sondern um eine Gesinnung, die alles für Christus tut. Das steht also jedem Gläubigen frei, ohne Unterschied. Dafür kann er sich entscheiden.

Wie gesagt, geht es um Verantwortung. Dieser Knecht bekommt die Anerkennung des Herrn. Der Herr lobt ihn mit einem „Wohl“ oder „Gut gemacht“ und nennt ihn einen guten Knecht. Der Herr belohnt ihn auch. Weil der Knecht im Geringsten treu war (siehe auch Lk 16:10), wird ihm viel anvertraut. Er darf im Reich zusammen mit Christus regieren (Mt 19:28; 1Kor 6:2; 3; 2Tim 2:12; Off 2:26; 27) und Gewalt über zehn Städte haben. Er hat in seinem Leben gezeigt, dass er mit der Habe seines Herrn gut gewirtschaftet hat. Die Belohnung im Reich, die er bekommt, entspricht seiner Arbeit hier.

Der Zweite kommt. Er nennt das Pfund ebenfalls „dein“ Pfund und kann seinem Herrn fünf zusätzliche Pfunde übergeben. Auch er ist in seinem Dienst für den Herrn fleißig gewesen, aber doch nicht mit derselben Hingabe wie der andere. Der Herr drückt daher seine Anerkennung auch nicht auf dieselbe Weise aus wie bei dem Ersten. Dennoch bekommt auch dieser Knecht die Belohnung, die seinem Gewinn entspricht. Er bekommt auch sein Teil im Reich und darf über fünf Städte Gewalt haben.

Der böse Knecht und die Bürger

Dann kommt der nächste Knecht vor seinen Herrn. Auch er spricht ihn mit „Herr“ an und anerkennt damit seine Autorität, und auch er sagt „dein“ Pfund. Er anerkennt damit, dass das, was er bekommen hat, von seinem Herrn ist, aber es ist alles bloß ein Lippenbekenntnis. Innerlich ist da keine Verbindung zwischen ihm und seinem Herrn. Darum war da auch gar keine Hingabe an Ihn. Es war nichts in seinem Leben, das Menschen dazu brachte, Gott zu verherrlichen. Das Pfund, das er bekommen hatte, hat er in einem Schweißtuch beiseitegelegt. Er hatte nicht die Absicht, für seinen Herrn zu schwitzen. Das hat er dann auch nicht getan.

Sein Verhalten kam aus einem völlig verkehrten Bild seines Herrn hervor. Von seiner Gnade hat er nichts verstanden, er hat Ihn nie kennengelernt. Er hatte Angst vor Ihm, hielt Ihn für streng und ungerecht. Er hatte so seine eigene Sicht auf diesen Herrn und meinte, dass man besser nichts mit Ihm zu tun hätte. Dass er doch mit Ihm zu tun haben würde, hat er nicht wahrhaben wollen. Für solch einen Herrn zu leben, schien ihm unerträglich. Man durfte alles nicht tun, und man musste doch alles tun. Es war alles ein „Muss“. In der Sicht auf seinen Herrn wollte er sich auch nicht korrigieren lassen. Er hielt daran fest, und das bestimmte sein Leben.

Mit den Aussagen über seinen Herrn fällt der Knecht sein eigenes Urteil. Wenn er sich wirklich vor dem Herrn fürchtete und der Herr wirklich so streng war und seiner Meinung nach ungerecht tätig war, dann hätte ihn das zu einem anderen Handeln veranlassen müssen, als er es nun an den Tag gelegt hat. Der Herr nennt ihn einen bösen Knecht, weil dieser Knecht nicht nach dem getan hat, was er wusste. Er hat seine Vorstellung von Ihm als Entschuldigung gebraucht, um gar nichts mit seinem Pfund zu unternehmen. Wenn er sich wirklich gefürchtet hätte, würde er sein Geld auf eine Bank gegeben haben. Einfaches nüchternes Nachdenken hätte ihn dann schlussfolgern lassen, dass das Geld dann wenigstens noch etwas für Ihn eingebracht hätte. Es war ja sein Geld, und der Auftrag war, damit zu handeln.

Der Herr tadelt ihn nicht, dass er keine Geschäfte getätigt hat. Wenn er keine Energie hatte, um zu handeln, dann hätte er, indem er das Geld auf die Bank brachte, erkannt, dass sein Herr ein Recht auf Gewinn hatte. Weil er sich jedoch von selbstsüchtiger Furcht leiten ließ, hat er gezeigt, dass bei ihm keine Liebe zu seinem Herrn vorhanden war (1Joh 4:18). Es fehlte ihm nicht so sehr an der Kraft zum Handeln, sondern an dem richtigen Geist oder der richtigen Gesinnung, um zu handeln. Er kannte die Gnade nicht. Wenn wir einen gesetzlichen Geist haben, dienen wir nur uns selbst.

Der böse Knecht bekommt nicht nur keinen Lohn, sondern er erleidet auch Verlust. Was ihm anvertraut war, verliert er, weil er nichts damit unternommen hat. Er hat es niemals wirklich besessen, denn er hatte es weggesteckt. Doch er wusste, dass er es hatte, denn er konnte es seinem Herrn geben, aber es war etwas außerhalb von ihm, nicht in ihm. Der äußere Schein, das schöne Äußere, wird ihm weggenommen. Was für ihn die Bedeckung seiner inneren Verdorbenheit war, ist für den treuen, hingegebenen Knecht die Zierde für die Echtheit des Glaubens, der in ihm ist. Darum bekommt der treue Knecht das hinzu, was der böse Knecht missbraucht hat.

Die Dabeistehenden weisen den Herrn darauf hin, dass dieser Knecht doch schon so viel hat. Er hat schon zehn, und nun bekommt er noch eins dazu. Die Antwort zeigt, wie sehr der Herr völlige Treue und Hingabe und Einsatz schätzt. So jemand kann nicht genug belohnt werden. Aber wer keine innere Verbindung mit Ihm hat und nur den Schein aufrechthält, etwas zu besitzen, von dem wird auch dieser Schein weggenommen werden.

Am Schluss seines Gleichnisses kommt der Herr auf die Bürger zurück, über die Er zu Beginn auch gesprochen hat (Lk 19:14). Er nennt sie hier seine Feinde. Er erinnert daran, dass sie nicht wollten, dass Er über sie herrschte. Auch für sie kommt der Tag der Abrechnung. Für sie gibt es ein passendes Gericht. Sie müssen ebenso wie die Knechte vor Ihm erscheinen, aber mit ihnen findet kein Gespräch statt. Sie sollen in seinem Beisein erschlagen werden. Sein Königtum ist ein gerechtes Königtum. Er regiert in Gerechtigkeit, sowohl was die Belohnung, als auch was das Gericht über das Böse betrifft.

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