Luke 4:1-12

Vom Teufel versucht

Der Herr ist getauft. Der Heilige Geist, der Ihn gezeugt hat und der Ihn immer völlig erfüllte, ist auf Ihn herabgekommen, und das ist das Zeichen, dass sein Dienst beginnen kann. Doch zuvor wird Er durch den Geist, der Ihn versiegelt hat, in die Wüste geführt. Er ist der wahre Sohn, der durch den Geist der Sohnschaft geleitet wird. Er wird nicht nur in die Wüste geführt, Er wird auch, als Er in der Wüste ist, in der Wüste umhergeführt. Die Initiative zu den Versuchungen geht also von dem Geist aus, der den Herrn an den Platz bringt, wo das stattfinden soll.

Der Geist tut das, um uns zu zeigen, was der Mensch nach den Gedanken Gottes ist und damit Er darin ein Vorbild für uns ist. Der Herr wurde nicht als der ewige Sohn versucht, sondern als der Sohn Gottes, der Mensch ist. Darum kann Er ein Vorbild für uns sein. Das Ziel ist, dass Er die Versuchungen durchlebt, in denen Adam versagte. Adam wurde versucht und unterlag, während er in den idealsten Umständen war. Der Herr durchsteht die Versuchungen in Umständen, in denen wir uns befinden, nicht in solchen wie Adam. Dadurch, dass Er in den Versuchungen standgehalten hat, hat Er den Starken gebunden und kann nun mit seinem Dienst beginnen und damit, Menschen aus der Macht des Teufels zu befreien.

Lukas beschreibt die Versuchungen nicht in historischer Reihenfolge (wie Matthäus), sondern in einer moralischen Reihenfolge, das bedeutet, in einer Reihenfolge dem Inhalt der Versuchungen entsprechend. Diese Reihenfolge stimmt damit überein, wie Johannes in seinem Brief die Elemente der Welt aufführt: „Die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens“ (1Joh 2:16). Der Herr wird zuerst im Blick auf seine körperlichen Bedürfnisse versucht, dann im Blick auf die Herrlichkeit der Welt; schließlich hat der Teufel eine geistliche Versuchung für Ihn bereit, indem er Ihm vorschlägt, sein Recht als Messias einzufordern. Die erste Versuchung spricht die Lust des Fleisches an, die zweite die Lust der Augen, die dritte den Hochmut des Lebens. Die Versuchungen durch den Teufel betreffen den ganzen Menschen, seinen Leib, seine Seele und seinen Geist (siehe 1Thes 5:23, wo die Reihenfolge umgekehrt ist).

Alle diese Versuchungen wirken sich bei dem Herrn so aus, dass seine Vollkommenheit umso mehr aufleuchtet. Er kann sagen, dass der Teufel gar keinen Anknüpfungspunkt für die Sünde in Ihm hat (Joh 14:30). Das können wir nicht sagen, aber wir können doch, geradeso wie Er, standhaft bleiben, wenn Versuchungen auf uns zukommen. Der Sieg wird nicht errungen, indem man denkt, man sei darüber erhaben, sondern indem man dem Vorbild des Herrn Jesus folgt, wie Er das Wort Gottes angewendet hat. Es sollte immer die normale Richtschnur unseres Lebens in allen unseren Umständen sein. Das bedeutet, dass wir nur handeln, wie Gott es will, und dass wir im Vertrauen auf Ihn handeln. Das ist wahrer Gehorsam und wahre Abhängigkeit. So handelt der Herr, und was kann Satan mit einem Menschen tun, der sich niemals außerhalb des Willens Gottes bewegt und für den dieser Wille die einzige Triebfeder zum Handeln ist?

Der Herr Jesus wurde vierzig Tage lang vom Teufel versucht. Die drei Versuchungen, die für uns aufgezeichnet sind, sind seine letzten und schwersten Versuchungen. Hier setzt der Teufel alles daran, um den Herrn doch noch zu einer Handlung zu bringen, die nichts mit dem Auftrag Gottes zu tun hat. Und wie schwach ist Er geworden, als er vierzig Tage lang nichts gegessen hat. Das ist für den Teufel der gegebene Augenblick, mit seinen letzten Versuchungen zu kommen. Auch Mose hat einmal vierzig Tage lang nichts gegessen und getrunken, aber er war die ganze Zeit allein bei Gott, ohne dass Satan dort Zugang hatte (2Mo 24:18). Der Herr war natürlich auch die ganze Zeit bei Gott, aber Er war doch all diesen Versuchungen des Teufels ausgesetzt.

Die erste Versuchung

Der Teufel leitet die erste seiner drei letzten Versuchungen mit den Worten ein: „Wenn du Gottes Sohn bist.“ Er fordert den Herrn gleichsam heraus, das doch zu beweisen, und zwar indem Er aus einem Stein Brot macht. Der Teufel anerkannt die Macht, die das Wort des Herrn hat, dass Er dem Stein das nur zu sagen braucht, und der Stein würde sich in Brot verwandeln. Und hatte Er nicht riesigen Hunger? Kann man dann nicht am besten seine Macht gebrauchen, um dem abzuhelfen? Später wird Er mehrere Male eine große Volksmenge mit ein paar wenigen Broten sättigen.

Es geht auch nicht darum, ob Er das kann oder nicht, sondern ob der Vater das will. Diese erste Versuchung hat es mit dem körperlichen Bedürfnis nach Essen zu tun, das auch Christus eigen ist. Er ist wahrhaft Mensch und braucht Brot für seinen Körper. Hunger zu haben, ist keine Sünde, und auch essen, um den Hunger zu stillen, ist keine Sünde.

Wie gesagt hat Er die Macht, aus diesem Stein Brot zu machen. Auch der Gebrauch seiner Macht ist keine Sünde. Wenn Er diese Macht jedoch auf Drängen des Teufels zu seinem eigenen Nutzen gebrauchen und jetzt essen würde, hätte Er gesündigt. Er hätte dann gegessen, ohne den Auftrag seines Vaters zu haben. Wenn Er gegessen hätte, dann hätte Er sich von seinen körperlichen Bedürfnissen leiten lassen statt von seinem Vater. Er hätte statt der Abhängigkeit von dem Willen Gottes den eigenen Willen gelten lassen.

Wie vollkommen antwortet Er dem Teufel mit einem Zitat aus dem Wort Gottes. Der Herr sagt nicht zu Satan: „Ich bin Gott und du bist Satan, geh weg.“ Das wäre nicht zur Ehre Gottes gewesen und auch für uns keine Hilfe. Er nimmt den Platz ein, den auch wir haben. Geradeso wie Er können wir den Versuchungen des Teufels nur widerstehen und ihn verjagen, indem wir das Wort Gottes anführen.

Seine Antwort auf diese erste Versuchung zeigt, dass Er gegenüber Gott den Platz einnimmt, der sich für Menschen geziemt, und das ist der Platz vollkommener Abhängigkeit von Gott. Das natürliche Leben des Menschen ist davon abhängig, dass er Brot isst. Das geistliche Leben des Menschen ist davon abhängig, dass er das Wort Gottes annimmt und dem Wort gehorcht. Er hört jeden Morgen auf das, was Gott zu sagen hat (Jes 50:4), und das bestimmt, was Er tut und spricht und wohin Er geht; darin findet Er seine Kraft. Viele Gläubige leben von Steinen statt von Brot. Wenn das Wort nicht unsere tägliche Nahrung ist, brauchen wir auch nicht zu erwarten, dass unsere Kinder danach verlangen.

Der Herr Jesus zitiert jedes Mal etwas aus dem fünften Buch Mose. In diesem Buch liegt die Wüstenreise hinter dem Volk, und das Gelobte Land liegt vor ihnen. Gott zeigt dem Volk in diesem Buch, wie Er in der Wüste für sie gesorgt hat, was Er sie in der Wüste hat lehren wollen und was ihnen nach der Wüste an herrlichen Segnungen bevorsteht. Gott will ihre Herzen durch alles, was Er in diesem Buch sagt, so bilden, dass sie sich alle nur auf Ihn ausrichten.

Er möchte ein Volk von Söhnen besitzen, mit denen Er über das sprechen kann, was sein Herz beschäftigt. Und ein Sohn ist zum Wohlgefallen Gottes. Das sehen wir vollkommen in dem Sohn, aber Gott will das auch so gerne in allen seinen Kindern sehen. Dazu ist es nötig, dass unser Leben durch das Wort Gottes gebildet wird und wir dadurch leben und unser Leben nicht von unseren körperlichen Bedürfnissen bestimmen lassen, als würde sich alles darum drehen.

Die zweite Versuchung

Zu seiner zweiten Versuchung führt der Teufel Ihn auf einen hohen Berg. Von dieser Höhe aus lässt er Ihn alle Reiche des Erdkreises sehen. Als wäre Er nicht allgegenwärtig! Doch hier ist Er Mensch und unterwirft sich dieser Versuchung. Wir sehen hier auch die Macht des Teufels, der in der Lage ist, blitzartig alle herrschenden Mächte und die damit verbundene Herrlichkeit zu zeigen. Er kann diese Macht übrigens nur ausüben, wenn Christus ihm dazu die Gelegenheit gibt.

Die große Versuchung besteht darin, dass der Teufel Ihm anbietet, er könne alle Macht über alle Reiche der Erde und alle Herrlichkeit, die dazu gehört, bekommen, ohne dafür leiden zu müssen. Wie anziehend muss das Angebot für jemanden gewesen sein, der äußerst geschwächt ist! Der Teufel prahlt nicht, wenn er sagt, dass die Reiche ihm übergeben sind. Das ist so, seit ihm der Mensch beim Sündenfall die Herrschaft über sein Leben gab. Wenn er sagt, dass er sie dem gibt, dem irgend er will, ist das eine Täuschung. Im eingeschränkten Sinn ist das so (Off 13:4), aber absolut gesehen ist das eine Lüge. Gott ist nämlich der höchste Herrscher (Dan 4:22). Er setzt Könige ein und setzt sie ab (Dan 2:21). Der Herr bestreitet jedoch weder das eine noch das andere.

Der Teufel will Ihm die Reiche zwar geben, doch er fordert eine Gegenleistung. Der Teufel gibt niemals etwas, ohne dass ein Preis dafür bezahlt werden muss. Der Preis ist immer: Ehre für ihn. Die teuflische List seines Vorschlags besteht darin, dass der Herr Jesus, wenn Er das getan hätte und sich die Reiche auf diese Weise angeeignet hätte, zugleich in der Macht des Teufels gewesen wäre und der Teufel wirklich alle Herrschaft gehabt hätte. Was der Teufel gibt, ist für ihn nicht verloren. Wer von ihm etwas annimmt, verkauft ihm seine Seele.

Als Antwort auf diese zweite Versuchung führt der Herr Jesus wieder etwas aus dem Wort Gottes an, und wieder aus dem fünften Buch Mose. Der Teufel hat vorgeschlagen, Er solle ihn durch einen einfachen Kniefall anbeten. Doch im Wort Gottes steht, dass alle Anbetung und aller Dienst nur für Gott sein soll. Durch diese Antwort zeigt der Herr einerseits, dass das Einzige, um das es Ihm geht, vollkommene Hingabe an Gott ist. Andererseits macht Er dadurch deutlich, dass in diesem Licht weltliche Macht und Majestät Ihm an sich nichts bedeuten.

Gott anzubeten ist die höchste Berufung eines Menschen. Gott der Vater möchte Anbeter haben, danach sucht Er (Joh 4:23; 24). Im fünften Buch Mose geht es auch besonders um einen Ort der Anbetung, wo Gott seinem Volk als Söhnen begegnen will, damit sie Ihn anbeten. Söhne sagen „Abba, Vater“ (Röm 8:15; Gal 4:5; 6). Diese Beziehung zu kennen und zu genießen, lässt alle Herrlichkeit der Welt völlig unbedeutend werden.

Die dritte Versuchung

In seinem dritten Anlauf, den Herrn zu versuchen, führt der Teufel Ihn zum Tempel in Jerusalem. Der Herr lässt sich auf die Zinne des Tempels mitnehmen. Der Teufel schlägt Ihm vor, sich von dort hinabzuwerfen. Wieder leitet er diesen Vorschlag mit den herausfordernden Worten ein: „Wenn du Gottes Sohn bist …“ Er sagt damit: „Wenn du das dann wirklich bist, dann beweise mir das mal.“ Um seiner Versuchung Nachdruck zu verleihen, zitiert der Teufel nun selbst etwas aus dem Wort Gottes. Er sagt, dass der Herr, wenn Er tatsächlich Gottes Sohn ist, sich ruhig hinabwerfen kann, denn Er könne dann ja auf die bewahrende Unterstützung von Engeln Gottes rechnen. Ist Er es nicht, den die Engel verehren? Wenn Er darauf einginge, würde Er bei Menschen auf dem Tempelplatz Berühmtheit erlangen. Sie würden Ihn sicher als den Messias annehmen.

Diese Versuchung ist in Wirklichkeit eine Versuchung zur Selbsterhöhung in dem, was Gott gegeben hat. Aber der Herr Jesus sucht nicht sich selbst. Er kennt das Wort auch. Er weiß, dass derselbe Psalm darüber spricht, im Schutz des Höchsten zu sitzen. Das ist der Platz, den Er einnimmt, und darum liegt Ihm der Gedanke völlig fern, Gott zu versuchen. Er hat es nicht nötig, Gott „auf die Probe zu stellen“, ob es zutrifft, was Er gesagt hat.

Dazu kommt noch, dass der Teufel, wenn er die Bibel zitiert, immer auszugsweise zitiert. Der Teufel kennt die Bibel sehr gut. Er zitiert aus Psalm 91 (Ps 91:12; 13). Aber wir können sicher sein, dass er, wenn er etwas aus der Bibel zitiert, immer Verse verdreht oder sie nur teilweise wiedergibt. Hier lässt er absichtlich etwas weg, und zwar die Worte „dich zu bewahren auf allen deinen Wegen“. Der Teufel spricht nicht über die Wege des Herrn, denn der Herr Jesus geht seinen Weg im Gehorsam gegenüber Gott.

Die dritte Versuchung soll Ihn an der Treue Gottes zweifeln lassen. Es ist ein Austesten, ob Gott wohl tut, was Er in seinem Wort gesagt hat. In der Antwort, die der Herr gibt und die wieder aus der Schrift kommt und zwar wieder aus dem fünften Buch Mose, wird sein vollkommenes Vertrauen auf Gott deutlich. Israel hat Gott bei Rephidim versucht. Sie wollten einmal wissen, ob Gott mit ihnen war, während die Beweise dafür doch so zahlreich waren. Der Herr widersteht der Versuchung mit dem Schriftwort, das davor warnt, den Herrn, seinen Gott zu versuchen. Es ist eine Beleidung Gottes, wenn wir Ihm nicht auf sein Wort hin vertrauen, auch wenn es vielleicht so scheint, als würden die Umstände beweisen, man könne Gott nicht vertrauen.

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