Luke 7:11-17

Der Jüngling zu Nain

Die Gnade Gottes in Christus setzt ihren Weg fort. Auf diesem Weg liegt auch Nain. Der Her geht dorthin, und mit Ihm gehen zweierlei Arten von Menschen: viele seiner Jünger und eine große Volksmenge. Als Er sich, umgeben von den vielen Menschen, dem Stadttor nähert, kommt Ihm ein Zug entgegen, in der Mitte ein Toter, der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe. Israel ist wie diese Witwe, ohne Mann. Israel hat einen einzigen Sohn, auf den es seine Hoffnung hätte setzen sollen. Und gerade Er wird in den Tod gehen, und damit wird alle Hoffnung des Volkes verschwinden. Israel selbst wird Ihn zu Tode bringen.

Auch bei der Witwe sind viele Menschen. So treffen hier zwei große Menschengruppen aufeinander. Der Mittelpunkt der einen Menschenmenge ist das Leben. Der Mittelpunkt der anderen Menschenmenge ist der Tod. Der Herr sieht die Mutter, die Witwe. Sie ist ihrer letzten Stütze und Freude beraubt. Ihr Mann war schon gestorben, und nun muss sie ihren Sohn zu Grabe tragen. So findet bei dem Stadttor, dem Ort, wo Recht gesprochen wird, die Konfrontation zwischen dem Leben und dem Tod statt. Eine der beiden Mengen muss der anderen Platz machen. Wer hat das Durchgangsrecht?

Menschlich betrachtet hat der Tod das letzte Wort. Der Tod hat das Recht auf seiner Seite. Ist der Tod nicht der gerechte Lohn der Sünde (Röm 6:23)? Wird der Tod jedoch mit dem Leben konfrontiert, verliert der Tod sein Recht und seinen Anspruch auf das Leben. Lukas erwähnt, dass „der Herr“ die Mutter sieht. Er, der Herr, hat die Gewalt über Leben und Tod. Der Tod wird vor dem Anspruch dessen weichen müssen, der tot war und lebendig ist von Ewigkeit zu Ewigkeit (Off 1:18).

Als der Herr sie sieht, und Er kennt ihr ganzes Leben und ihren Kummer, wird Er „innerlich bewegt über sie“. Der Ausdruck „innerlich bewegt“ kommt im Lukasevangelium dreimal vor: Der Samariter ist innerlich bewegt über den Mann, der unter die Räuber fiel (Lk 10:33), der Vater ist innerlich bewegt über seinen jüngsten Sohn, als er ihn von fern kommen sieht (Lk 15:29), und hier ist der Herr innerlich bewegt. Dann spricht der Herr die tröstlichen Worte: „Weine nicht.“ Das kann Er sagen, weil Er die Quelle allen Trostes ist. Er spricht diese Worte zu der Witwe, ohne dass sie sich hörbar an Ihn gewandt hätte. Er handelt aus der Fülle seiner Gnade heraus. Bei der Frau ist kein Glaube zu sehen. Wir sehen nur Gnade und Mitgefühl von Seiten des Herrn.

Dann kommt Er, der das Leben ist, näher heran. Er rührt die Bahre an, und die Träger stehen still. Warum rührt Er die Bahre an? Weil Er sich mit dem Tod einsmacht. Die Bahre ist seine Bahre. Sie weist auf seinen Tod hin, den Er für andere schmecken wird. Dadurch wird Er anderen das Leben mitteilen können. Jeder andere Mensch würde durch diese Berührung verunreinigt werden, doch bei Ihm ist es umgekehrt. Was Er anrührt, wird durch seine Reinheit rein. Wir haben das beim Berühren des Aussätzigen gesehen (Lk 5:13). Beim Berühren des Toten sehen wir, dass seine mächtige Hand dem Tod Einhalt gebietet.

Dann spricht Er Worte des Lebens. Er spricht den Toten an, und der Tote gehorcht. Der Gestorbene ist ein junger Mann, der in der Kraft seines Lebens vom Tod ergriffen wurde. Aber der Tod muss den jungen Mann freigeben, als er den Sohn Gottes mit Autorität sagen hört: „Ich sage dir, steh auf“ (Joh 5:25).

Das Ergebnis lässt nicht auf sich warten, sondern ist sofort da. Der Tote setzt sich auf. Die erste Lebensäußerung ist, dass er spricht. Das ist auch die Auswirkung bei jeder Bekehrung. Wenn jemand aus dem Tod ins Leben übergegangen ist, wird er davon zeugen. Dann gibt der Herr ihn seiner Mutter. Er weiß, was der junge Mann braucht, und Er weiß, was die Mutter braucht. Er versetzt beide in das Verhältnis zurück, das sie hatten, ehe der Tod eintrat. Er hat die Familienbande eingerichtet. Er sagt dem jungen Mann nicht, er solle Ihm nachfolgen. Der junge Mann muss für seine Mutter da sein. Das ist der Auftrag, den der Herr ihm gibt. Und die Mutter bekommt ihren Trost und ihre Stütze zurück.

Er gibt ihn ihr, Er ist der Geber jeder guten Gabe. Einmal wird Israel den eingeborenen Sohn zurückbekommen, wenn Er aus den Toten auferstanden und zu seinem Volk zurückgekehrt ist.

Was hier geschieht, macht wieder großen Eindruck, und Gott wird verherrlicht. Alle sehen, dass Gott in Christus anwesend ist und dass Gott in Ihm sein Volk besucht. Er ist für sie jedoch nicht mehr als ein großer Prophet, einer in der Reihe anderer großer Propheten. Sie sehen nicht, dass Er der Messias ist. Doch das, was Er getan hat, sorgt dafür, dass in der weiteren Umgebung das Wort bekannt wird, dass Gott sein Volk besucht hat.

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