Mark 4:35-41

Sturm auf dem See

Kapitel 4 enthält eine Übersicht über den Dienst des Herrn und unseren Dienst. Er ist der wahre Diener und bereitet uns zu, damit wir als Diener seinen Fußspuren zu folgen. Er hat die Ergebnisse des Dienstes gezeigt. Die Frucht ist verhältnismäßig gering. Was Frucht bringt, muss mehr Frucht werden, und die Frucht muss zu Licht werden. Was der Herr im Verborgenen gelehrt hat, muss in der Öffentlichkeit an andere weitergegeben werden. Er beschreibt auch in zwei Gleichnissen die beiden Seiten des Dienstes, die für die gegenwärtige Zeit wichtig sind. Es geht um die innere und die äußere Seite des Wachstums. Gott bewirkt das Wachstum, doch äußerlich wird die Christenheit es ein Baum.

In der letzten Begebenheit dieses Kapitels, dem Sturm auf dem See, sehen wir auch, dass der Herr schläft, so wie im ersten Gleichnis (Mk 4:27). Er schläft während des Sturms an Bord des Schiffes. Im Sturm sehen wir die äußeren Umstände, die sich gegen den großen Diener und gegen seine Diener richten.

Der Herr ist den ganzen Tag bis zum Abend beschäftigt gewesen (vgl. Ps 104:23). Als der Abend geworden ist, gibt Er seinen Jüngern den Befehl, auf die andere Seite des Sees zu fahren. Er sagt: „Lasst uns übersetzen“. Er geht mit. Er ist bei Ihnen, obwohl Er schläft. So sieht es jedenfalls manchmal aus, wenn wir Ihm dienen. Wir wissen, dass Er bei uns ist, doch manchmal scheint es, als würde Er schlafen. Solange es keine Stürme gibt, merken wir das nicht, doch wenn Stürme kommen, wird offenbar, wer wir sind, und wir können sehen, wer Er ist.

Als Er an Bord geht, lässt Er die Volksmeng zurück. Die Jünger nehmen Ihn „wie er war“ in dem Schiff mit. Diese Hinzufügung, die uns nur Markus gibt, zeigt uns, wie wichtig es ist, den Herrn in unserem Leben zuzulassen „wie Er ist“ und uns keine andere Vorstellung von Ihm zu machen. Es gehört sich nicht für uns, Ihm zu sagen, wie Er sein soll und dass wir Ihn erst in unser Leben zulassen, wenn Er unseren Vorstellungen über Ihn entspricht.

Wir müssen uns fragen, wie wir Ihn in unserem persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensschiff mitnehmen. Paulus spricht in 2. Korinther 11 von der Gefahr, dass wir problemlos jemanden ertragen, der einen anderen Jesus predigt, als er gepredigt hat (2Kor 11:4). Wenn wir das tun, nehmen wir Ihn nicht so mit, wie Er ist. Um wissen zu können, ob wir den Herrn Jesus so mitnehmen „wie Er war“ (und ist!), müssen wir die Bibel öffnen. Wenn wir das, was wir darin über Ihn lesen, in unseren Herzen bewahren, wird das zur Folge haben, dass wir unser Leben nach seinem Willen ausrichten. Dann wird Er in allem den ersten Platz einnehmen und wir werden Ihm mit Liebe und Dankbarkeit nachfolgen und dienen.

Außer dem Schiff, wo Er an Bord ist, sind auch noch andere Schiffe bei Ihm. Das erinnert uns an die Gläubigen, die allerlei Wunderwerke in seinem Namen tun. Sie sind nicht bei den Jüngern (Mk 9:38; 39), doch der Herr gebraucht sie, weil sie in seinem Namen handeln. Alle diese anderen Schiffe sind auch auf dem See und im Sturm, doch sie sind genauso bei Ihm. Obwohl Er nicht bei ihnen an Bord ist, teilen sie den Segen, dass der Sturm gestillt wird.

Die Jünger im Sturm sind ein Bild von Dienern, die in Prüfungen kommen. Dieses Ereignis ist auch ein Bild von der Geschichte der treuen Diener während all der vergangenen Jahrhunderte. Nachdem der Herr in den vorhergehenden Gleichnissen die Entwicklung des gesäten Wortes gezeigt hat, zeigt der Heilige Geist jetzt noch, wie es den Jüngern in der Zeit ergehen wird, in der das Wort gesät wird. Sie werden in sehr große Schwierigkeiten kommen. Der Feind wird einen Sturm gegen sie erwecken.

Der Sturm, in den die Jünger hineinkommen, ist kein gewöhnlicher Sturm. Sie waren ja einiges gewöhnt. Gewiss waren die Fischer unter ihnen mit dem Wasser vertraut. Doch hier verlieren auch die erfahrensten Seeleute alles Vertrauen in die eigene Steuermannskunst und, was noch schlimmer ist, auch den Glauben an ihren schlafenden Meister.

Der Herr schläft in vollkommener Ruhe, während alles um Ihn her in heller Aufregung ist. Das steht in völligem Gegensatz zu dem Mann im nächsten Kapitel. Dieser befindet sich an einem Ort absoluter Ruhe, zwischen Gräbern, doch nirgends ist es so unruhig wie in seinem Herzen (Mk 5:1-7).

Hier haben wir den einzigen Hinweis in den Evangelien auf den Schlaf des Herrn. Er schläft den Schlaf vollkommenen Vertrauens auf seinen Gott (Ps 4:8). Von seiner Ruhe hätten sie lernen können, ebenfalls ruhig zu sein. Davon ist jedoch nichts zu sehen. Im Gegenteil. Als sie Ihn aufwecken, machen sie Ihm den Vorwurf, es kümmere Ihn nicht, dass sie umkommen.

Der Sturm ist eine große Prüfung. Noch größer ist die Prüfung, dass der Meister dem Sturm scheinbar keine Aufmerksamkeit schenkt. Wäre der Glaube wirksam gewesen, hätte er eine Stütze bei dem Gedanken gefunden, dass Er bei ihnen an Bord ist. Er teilt das Los der Seinen, oder besser: Sie teilen sein Los. Wenn wir uns bewusst sind, dass die Gefahren nicht so sehr uns und unser Werk, sondern Ihn und sein Werk bedrohen, dann gibt es in Wirklichkeit gar keine Gefahr.

Die Jünger sehen hingegen so sehr auf die Gewalt des Sturms, dass sie Angst haben, sie könnten umkommen. Deshalb wecken sie den Meister mit dem Vorwurf auf, dass es Ihm gleichgültig sei, was mit ihnen geschehe. Lasst uns jedoch bedenken, dass der Sohn Gottes in die Welt gekommen ist, um das Erlösungswerk zu vollbringen und die Ratschlüsse Gottes auszuführen. Sollte es dann möglich sein, dass Er und sein ganzes Werk unerwartet durch einen – in den Augen der Menschen – zufälligen Sturm im See umkommen?!

In seiner Gnade kommt der Herr ihrem Unglauben zu Hilfe. Er wird wach und schilt den Wind und den See. Ein Wort von Ihm beweist, dass Er der Herr der Schöpfung ist. Dass Er den Wind und den See schilt, weist darauf hin, dass die Entfesselung dieser Elemente durch Satan verursacht wurde.

Während der Mensch nicht hört, gehorchen die Kräfte der Natur auf der Stelle (Ps 93:4). Der Herr hat Autorität über den Wind, denn Er zieht einher auf den Fittichen (o. Flügeln) des Windes (Ps 104:3). Er hat auch Macht über das Meer, denn Er hat ihn gemacht (Ps 95:5). Er benötigt keinen Stab wie Mose und keinen Mantel wie Elia, um den See zu schlagen (2Mo 14:21; 2Kön 2:8).

Nachdem Er das Wort an die Elemente gerichtet hat, richtet Er das Wort nun an die Jünger. Er tadelt sie nicht, dass sie Ihn gerufen haben, doch er tadelt ihren Unglauben. Sie hätten auf Ihn und auf seine göttliche Macht vertrauen sollen und nicht denken sollen, dass Er durch die Wellen verschlungen werden würde. Sie hätten sich an ihre eigene Verbindung zu Ihm erinnern sollen, die sie durch Gnade mit Ihm bekommen hatten. Was für eine Ruhe besaß Er! Der Sturm verwirrt Ihn nicht. Seine göttliche Ruhe, die kein Misstrauen kennt, ließ es zu, dass Er inmitten des Sturms schlief. Wir sind in demselben Boot bei Ihm, gepriesen sei sein Name! Wenn der Sohn Gottes nicht versinkt, versinken auch wir nicht.

Als der Herr seine Macht offenbart hat, entsteht Furcht bei den Jüngern. Der Diener ist der Herr der Naturelemente. Sie fragen sich, wer Er wohl ist. Das Geheimnis seiner Person, Gott und Mensch, ist nicht zu ergründen. Er, der kurz zuvor noch als Mensch schlief, weil Er müde war, offenbart sich einen Augenblick später als der allmächtige Gott.

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