Matthew 18:1-14

Werden wie ein Kind

Der Herr spricht jetzt über zwei Themen, die wir schon in Kapitel 16 gefunden haben: das Reich und die Gemeinde. So schließt sich dieses Kapitel an Kapitel 16 an. Hier nun lernen wir die Bedeutung des Reichs und der Gemeinde in der Praxis.

Soeben hatte der Herr seinen Jüngern erklärt, dass sie Söhne des Reichs sind. Offenbar beschäftigt sie das immer noch, denn sie stellen dem Herrn darüber eine Frage. Während es ihnen aber darum geht, wer der Größte ist, macht der Herr ihnen klar, dass im Reich nur das Kleine zählt.

Die erste Eigenschaft, die zum Reich gehört, ist die eines Kindes. Kinder sind schwach und können ihre Rechte nicht zur Geltung bringen gegenüber einer Welt, die über sie hinwegsieht, in deren Augen sie nicht mitzählen. Stattdessen sehen wir bei Kindern die Haltung der Abhängigkeit und Niedrigkeit. Der Herr ruft nun ein Kind zu sich. Ohne Furcht kommt das Kind zum Herrn und zu den Männern, die bei Ihm stehen. Das Kind sieht aber nur auf den Herrn, der es in die Mitte der Männer stellt, damit sie es alle gut sehen können.

Als das Kind nun so mitten unter ihnen steht und sie es anschauen, hören sie die Worte des Herrn, dass sie sich ändern und wie ein Kind werden müssen. Wenn sie sich nicht ändern und wie ein Kind werden, dann ist es sicher, dass sie nicht in das Reich der Himmel hineinkommen werden. Solange ihr verworfener Herr nicht anwesend sein wird, ist es die Geisteshaltung eines Kindes, die seinen Nachfolgern geziemt.

Nach dem Urteil des Herrn hat es Folgen für die Stellung im Reich, wie ein Kind zu werden. Das große Beispiel für Erniedrigung ist der Herr selbst, von dem wir in Philipper 2 lesen, dass Er sich selbst erniedrigt hat (Phil 2:8). Er ist deshalb der Größte im Reich der Himmel. Mit diesem Beispiel vor Augen sagt der Herr seinen Jüngern, dass sie alle ihr Bestes tun sollen, um der Größte zu sein. Natürlich kann nur einer der Größte sein, aber es verhält sich damit, wie Paulus sagt, wie mit dem Erringen der Siegerkrone in einem Wettkampf. Diesen Preis kann nur einer der Wettkampfteilnehmer bekommen: der Sieger. Worum es Paulus bei diesem Vergleich allerdings geht, hören wir in seinen anspornenden Worten, dass jeder so laufen soll, dass er diesen Preis erringt (1Kor 9:24).

Wenn jemand wie ein Kind wird, ist noch mehr damit verbunden als nur die Stellung im Reich. Der Herr sagt, dass jemand, der ein einziges Kind in seinem Namen aufnimmt, Ihn aufnimmt. Das heißt, dass der Herr sich mit jedem Nachfolger einsmacht, der die Gesinnung eines Kindes offenbart, denn das ist seine eigene Gesinnung. Er hat sich nicht für seine Rechte eingesetzt. Er war abhängig und niedrig.

Fallstricke

Hier warnt der Herr alle ernstlich, die das Vertrauen auf Christus und auf Gott bei „diesen Kleinen“ erschüttern, d. h. bei seinen Nachfolgern, die die Kennzeichen von Kindern haben. Alles, was deren Vertrauen zum Schaden ist, wird Anstoß bzw. Fallstrick genannt. Die Höhe der Strafe macht dabei ziemlich deutlich, wie sehr diese Geringen dem Herrn am Herzen liegen und wie weit solche, die die Geringen zu Fall bringen wollen, von seinem Herzen entfernt sind. Zu einem derart schrecklichen Menschen gehört eben eine furchtbare Strafe, die auch den Nebeneffekt hat, dass er eine so schreckliche Tat unmöglich noch einmal begehen kann.

Dann spricht der Herr ein „Wehe“ über die Welt wegen der Fallstricke, die über sie kommen werden. Diese Fallstricke sind notwendig, denn sie offenbaren den Charakter der Welt.

Die Welt ist hier die Zusammenfassung alles Bösen, das eingesetzt wird, die Geringen zu Fall zu bringen. Der Mensch, durch den diese Fallstricke kommen, ist der Antichrist, der Mensch der Sünde, in dem die Sünde der Welt sozusagen zusammengeballt ist und dessen einzige Absicht darin besteht, die Menschen von Gott wegzuführen. Über die ganze Welt und über diesen Menschen wird das „Wehe“ ausgesprochen. Sie werden dem gerechten Gericht, das sie treffen wird, nicht entfliehen.

Die eindringliche Warnung im Blick auf die Fallstricke ist auch für jeden Jünger sehr wichtig. Er wird damit in Berührung kommen. Er kann unversehens in Versuchung kommen, etwas zu tun (Hand) oder irgendwo hinzugehen (Fuß), weil der Versucher ihm irgendetwas Schönes vorgaukelt. Eine sündige Tat bzw. ein sündiger Weg muss um jeden Preis verhindert werden. Deshalb soll der Jünger ohne Selbstmitleid Hand oder Fuß abhacken, d. h. radikal zu der Versuchung „nein“ sagen, eine sündige Tat zu tun oder einen sündigen Weg einzuschlagen, wie hoch der Preis dafür auch sein mag. „Ja“ zu sagen würde unendlich viel mehr kosten.

Dasselbe gilt für das Auge. Es ist lebenswichtig, das Auge im Zaum zu halten und ihm nicht die Chance zu geben, etwas anzuschauen, was zu einer Sünde führen würde. Bei Eva ist das Auge der Anlass zur Sünde geworden. Der Teufel zeigte ihr den Baum, dessen Früchte zu essen Gott dem Menschen verboten hatte. Dem Teufel gelang es aber, Eva den Baum auf seine Weise betrachten zu lassen und in ihr den Wunsch zu wecken, davon zu essen. Sie „riss ihr Auge nicht aus“, sondern nahm und aß – mit allen schrecklichen Folgen (1Mo 3:1-7). Darum müssen auch wir gut bedenken, dass der Verlust auch des Kostbarsten in diesem Leben nichts ist im Vergleich zu den Schrecknissen des ewigen Feuers in der anderen Welt.

Gleichnis vom verlorenen Schaf

Mit „diesen Kleinen“ bezeichnet der Herr hier seine Jünger, nicht etwa kleine Kinder. Auch in Mt 18:6 hat der Herr nicht über Kinder gesprochen, sondern über Kleine, Geringe. Das Wort „klein“ bezieht sich hier nicht auf Lebensalter oder Körpergröße, sondern bedeutet „gering“, „demütig“ und „klein im eigenen Bewusstsein“. Die Engel sind hier die himmlischen Wesen, die diese Geringen ununterbrochen vor dem Vater repräsentieren bzw. ihr Leben dem Vater vorstellen.

Diese Worte des Herrn haben zu der Vorstellung geführt, dass jedes Kind einen „Schutzengel“ habe. Es ist sicher wahr, dass Kinder die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Jesus genießen. Aus Matthäus 2 kann man sogar schließen, dass der Herr Jesus selbst als Kind den Schutz eines Engels genoss (Mt 2:13; 19). Diese besondere Sorge bedeutet aber noch nicht, dass jedes Kind oder jeder Mensch zu seinem persönlichen Schutz immer einen besonderen Engel bei sich hat. Wenn in diesem Abschnitt von Schutz die Rede ist, dann ist damit der Schutz des Vaters und nicht der Engel gemeint. Mögen daher die Kleinen auf der Erde verachtet sein, ihre himmlischen Repräsentanten sind ständig in der unmittelbaren Gegenwart Gottes, des Vaters. Von daher leitet sich auch die Machtbefugnis für den Dienst der Engel ab, der den Geringen gilt (Heb 1:14).

Der Herr vergleicht die Sorge des Vaters für die Kleinen mit der Sorge eines Hirten für ein von der Herde abgeirrtes Schaf. Mit diesem Bild will der Herr deutlich machen, dass auch im Reich Sorge füreinander vorhanden sein soll. Sorgen wir ebenfalls für die, die sich verirrt haben? Suchen wir sie auf? Der Hirte geht dem Schaf nach, bis er es gefunden hat. Und wenn er es gefunden hat, ist es eine große Freude für ihn. Für dieses Schaf hat er sich eingesetzt. Die anderen Schafe bedurften dieser Sorge nicht.

Diese Unterweisungen für seine Jünger über das Reich und die Geringen schließt der Herr mit der Schlussfolgerung, dass ihr Vater in den Himmeln nicht will, dass eines dieser Kleinen, die hier auf der Erde unbedeutend sind, verlorengeht. Die Jünger müssen lernen, sich mit diesem Willen einszumachen und sich dafür einzusetzen, das Verirrte zurück zu bringen.

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