Matthew 23:13-36

Erstes Wehe

Nun wendet sich der Herr direkt an die Schriftgelehrten und Pharisäer. Er spricht sein erstes „Wehe“ über sie aus und nennt sie „Heuchler“. Anstatt die Menschen auf das Reich der Himmel hinzuweisen und darauf, was nötig ist, um da hineinzugehen, verschließen sie es für die Menschen. Sie weisen nicht auf Gottes Interessen hin, sondern haben nur ihre eigenen im Blick. Darum bleiben sie selbst draußen, außerhalb des Reiches der Himmel. Andere aber, die hineingehen wollen, hindern sie daran. Darum hetzen sie das Volk gegen den Herrn Jesus auf. Alle, die Ihn aber annehmen, gehen ins Reich hinein. Über sie haben die Führer ihre Macht verloren. Sie wollen um jeden Preis den Verlust ihres Ansehens und ihres Einflusses auf das Volk verhindern.

Zweites Wehe

Das zweite „Wehe” kommt über sie wegen ihres Fanatismus, Jünger zu machen und wegen dessen, was sie anschließend mit diesen tun. Menschen, die sie unter ihren Einfluss bekommen haben, werden von ihnen dermaßen indoktriniert, dass sie Söhne der Hölle werden und sich doppelt so schlimm verhalten, wie sie selbst. Die Bezeichnung „Söhne der Hölle“ besagt, dass sie ihre Nachfolger, die sie als Söhne betrachten, in Einklang mit der Hölle und für sie erziehen.

Drittes Wehe

Beim dritten „Wehe“ redet der Herr sie als „blinde Leiter“ an. Ihre Blindheit ist an ihrer Theorie zu erkennen, die sie über das Schwören entwickelt haben. Sie behaupten, dass das Schwören beim Tempel keine bindende Kraft habe, sondern nur, wenn jemand bei dem Gold des Tempels schwört.

Der Herr nennt sie deshalb „Narren und Blinde“. In seiner Erklärung zeigt Er dann, dass es nicht eigentlich um die korrekte Form des Schwörens geht, sondern um ihre törichte Begründung. Sie sehen wieder einmal nur auf das Äußere, das Gold, das ihnen so viel bedeutet, egal, in welchem Haus es sich befindet. Es könnte für sie ebenso gut ein Götzentempel sein. Wovon der Tempel spricht, was in ihm geschieht, sowie der Wert, den ein wahrhaftiger Gottesdienst dort hat, daran denken sie keinen Augenblick. Sie interessiert nur das glänzende Gold. Deshalb sind sie blind dafür, dass das Gold seinen Wert nur durch die Tatsache erhält, dass es zum Schmuck des Tempels dient. Für Gott aber ist nicht das Gold das Wichtigste, sondern der Tempel, seine Wohnung.

Der Herr nennt noch ein weiteres Beispiel, den Altar, womit Er den Gottesdienst selbst thematisiert. Im vorigen Beispiel ging es um den Tempel, wo der Gottesdienst stattfindet. Der Altar selbst bedeutet ihnen gar nichts: Sie interessieren sich nur für die Gabe.

Wieder nennt der Herr sie „Narren und Blinde“, und auch jetzt fragt Er, was größer sei. Dadurch weist Er schon darauf hin, dass sie einen verkehrten Unterschied machen, indem sie nur auf die dargebrachte Gabe und nicht auf den Altar sehen. Was für ein Altar es ist, spielt für sie keine Rolle. Es könnte sogar ein Götzenaltar sein, wenn nur eine eindrucksvolle Gabe darauf liegt! Dann hat man doch jedenfalls etwas, bei dem man schwören kann!

Der Herr erklärt nun in umgekehrter Reihenfolge, welche Bedeutung Altar und Tempel haben. Beim Altar zu schwören heißt doch, sowohl bei ihm als auch bei allem zu schwören, was darauf liegt. Altar und Gabe können nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Das tun die Führer aber in ihrer Torheit und Blindheit. Dasselbe gilt für das Schwören beim Tempel, denn das schließt auch das Schwören beim Herrn ein, der darin wohnt (nicht nur bei dem Gold darin).

Der Herr fügt noch einen weiteren Aspekt hinzu. Dazu wechselt Er von der Erde zum Himmel; auch bei dem kann man ja schwören. Aber auch hier geht es nicht um das Äußere, sondern um das Innere. Im Himmel befindet sich doch der Thron Gottes, das sollten sie gut bedenken. Und auf diesem Thron sitzt Gott, auch das müssten sie gut bedenken. Wenn sie das alles auf sich einwirken ließen, würde sie ihre Belehrungen über das Schwören wohl gründlich überarbeiten müssen.

Viertes Wehe

Das vierte „Wehe“ spricht der Herr über ihre Heuchelei bei der Ausführung des Gebotes über die Abgabe des Zehnten. Dieses Gebot erfüllten sie bis ins allerkleinste Detail, während sie das, worum es eigentlich ging, vernachlässigten. Die Abgabe des Zehnten war tatsächlich vorgeschrieben, was sie auch strikt einhielten. Sie hatten es aber inhaltlich so verändert, dass sie selbst als die allertreusten Erfüller dieses Gebots dastanden.

Der Herr stellt ihnen deutlich vor, was das Wichtigste am Gesetz ist, und dass sie sich darum eigentlich gar nicht kümmerten, nämlich das Urteil Gottes, die Gedanken, die Er über eine Sache hat, bzw. was Ihm wichtig ist. Auch das Erweisen von Barmherzigkeit war ihnen völlig fremd, ebenso die Treue Gott und seinen Geboten gegenüber. Sie traten das Gesetz sogar mit Füßen.

Wohlgemerkt, der Herr sagt nicht, dass der Zehnte nicht gegeben werden soll. Was Er verabscheut, ist ihre ungerechte Anwendung der Gebote; dadurch bewiesen sie, dass sie wirklich blind waren. Sie achteten auf die Mücken, d. h. auf die pedantische und kleinliche Ausführung der Vorschriften, wohingegen sie das Große und wirkliche Wichtige (das Kamel) nicht beachteten und großzügig ignorierten.

Fünftes Wehe

Das fünfte „Wehe“ bezieht sich auf den äußeren frommen Schein, der in so schrillem Kontrast zu ihrer inneren Verdorbenheit stand. Alles, was sie taten, sah fromm, abgesondert und rein aus, in Wirklichkeit aber war ihr Herz räuberisch und maßlos. Ein solches Urteil darf der Herr aussprechen, weil Er das Innere der Menschen kennt, das für Ihn ebenso offenbar ist wie für uns die sichtbaren Taten (Ps 139:1-4; Heb 4:12; 13).

Der Herr zeigt ihnen nun auch den Weg, auf dem sie von dieser Heuchelei frei werden können. Das ist nur möglich, wenn zuerst das Innere gereinigt wird, dass sie nämlich innerlich zur Buße kommen. Nur durch Bekenntnis der Sünden wird ein Mensch im Inneren gereinigt. Erst danach können auch seine Handlungen aus einem gereinigten Inneren hervorkommen, also auch rein sein.

Sechstes Wehe

In seinem sechsten „Wehe“ enthüllt der Herr den Todesgeruch, der all ihrem Handeln anhaftet. Sie sind wie wandelnde Särge. Prächtige Särge zwar, aber wie wundervoll sie auch aussehen, ihr Inneres enthält nichts Schönes, sondern es ist alles leblos, gestaltlos, faul und stinkend.

Der Herr betont ausdrücklich, wie sehr diese Führer einen falschen Schein aufrechterhalten, wodurch sie vor den Menschen als gerecht erscheinen, obwohl in ihrem Herzen nichts anderes als Betrug vorhanden ist. Dieser Betrug besteht darin, dass sie sich anders geben als sie sind und dass sie nur ihren eigenen Willen tun. Und davon sind sie „voll“, wie der Herr sagt. Es ist also bei diesen Heuchlern überhaupt nichts anderes vorhanden. Heuchelei ist das Gegenteil einer ehrlichen Selbstdarstellung, und Gesetzlosigkeit ist das Gegenteil davon, den Willen Gottes zu befolgen.

Siebtes Wehe

Das siebte und letzte „Wehe“ betrifft ihre Scheinheiligkeit in Bezug auf die Ehrerweisung gegenüber den Propheten und Gerechten, die früher getötet worden sind. Sie tun so, als hätten sie große Achtung vor diesen Zeugen, die wegen ihres Eintretens für die Wahrheit in früheren Jahrhunderten umgebracht worden sind. Sie bauen und schmücken deren Grabmäler und wagen es sogar, mit großen Worten und in stolzer Haltung sich von ihren Vätern zu distanzieren, die diese Verbrechen auf ihren Gewissen hatten. Sie selbst würden dabei niemals mitgewirkt haben!

Diese Speerspitze aber, die sie auf ihre Väter richten, wendet der Herr nun auf sie selbst. Sie hatten doch jene Mörder „unsere Väter“ genannt! Der Herr erklärt nun, dass sie damit sich selbst als wahre Söhne dieser Mörder bloßstellen, die sich ebenso wenig der Botschaft jener ermordeten Propheten beugen.

In naher Zukunft würden sie beweisen, wirklich Söhne ihrer Väter zu sein, indem sie den wahren Propheten und den Gerechten töten würden. Damit würden sie das Maß ihrer Väter voll machen!

Der Herr fällt das Urteil

Schließlich verurteilt der Herr diese Gegner mit einer Heftigkeit wie nie zuvor: Er stellt sie auf eine Stufe mit dem Teufel, der Schlange. Ebenso wenig wie der Teufel werden diese Menschen der Hölle entfliehen. Diese Worte stellen wohl die schrecklichste Anklage aus dem Mund des Herrn dar, von der uns die Schrift berichtet. Nie hat er je zu irgendeinem Zöllner oder Sünder etwas Derartiges gesagt. Diese flammenden Worte hat Er für religiöse Heuchler reserviert.

Mit den Worten „Darum siehe, ich sende euch...“ erhebt sich der Herr Jesus in seiner göttlichen Gewalt als Richter über sie. Derselbe, den sie zu töten im Begriff standen, ist Jahwe, Gott selbst, bekleidet mit aller Macht. Nachdem sie Ihn getötet haben, wird Er auferstehen. Und nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt wird Er als verherrlichter Herr und Christus Propheten, Weise und Schriftgelehrte zu ihnen senden.

Das Senden dieser Knechte ist wiederum ein Beweis seiner großen Gnade. Aber auch für diesen Gnadenbeweis würden sie blind bleiben, weil sie nie etwas anderem nachstrebten als ihren eigenen Interessen. Indem sie einige von ihnen töten, würden sie das Vollmaß ihrer Ungerechtigkeit, das sie schon in der Verwerfung ihres Messias bewiesen haben, aufs Neue zum Überfließen bringen.

Mit Stephanus haben wir ein treffendes Beispiel dafür. Wie ist dieser Zeuge als Prophet aufgetreten, der ihnen ins Herz und Gewissen gesprochen hat – mit einer Weisheit, der seine Widersacher nicht standhalten konnten, und mit einer Schriftauslegung, die niemand widerlegen konnte (Apg 6:10; Apg 7:53). Das Ergebnis aber war, dass sie ihn in ihrer unbändigen Wut gesteinigt haben (Apg 7:57-60).

Nach dem Zurückweisen dieser Knechte, die der Herr in seiner Gnade nach seiner Himmelfahrt senden würde, würde für sie keine Rettung mehr möglich sein. Ihr Maß würde dann mehr als voll sein. Alles von ihnen vergossene Blut würde über sie kommen. Das vergossene Blut jedes Gerechten würde Gott von ihrer Hand fordern.

Der erste Gerechte, dessen Blut vergossen worden ist, war Abel (1Mo 4:8) und der letzte Märtyrer, von dem die hebräische Schrift berichtet, war Sacharja (2Chr 24:20-22), wobei wir bedenken müssen, dass die Bücher der Chronika in der hebräischen Bibel ganz am Ende stehen. Mit einem feierlichen „Wahrlich, ich sage euch“ bekräftigt der Herr das Urteil über dieses Geschlecht, diese Sorte von Menschen.

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