Philemon 10-17

Liebe und Glaube und ein Appell

Phlm 1:4. Paulus beginnt den Brief an Philemon, wie er viele seiner Briefe beginnt: Er dankt Gott für das, was er über Philemon gehört hatte. „Ich danke meinem Gott“, sagt er zu Philemon. Das weist auf das persönliche und vertraute Verhältnis hin, das Paulus zu Gott hatte. Ein solches Verhältnis ist von großer Bedeutung. Ich hoffe, dass auch du von Gott „mein Gott“ sagen kannst und dass du in der Fürbitte für andere vertrauten Umgang mit Ihm pflegst. Paulus dachte stets in seinen Gebeten an Philemon. Wenn er in seinen Gebeten Philemons Namen erwähnte, dann geschah das nicht, um Gott etwas zu sagen, was ihm Sorge bereitete. Natürlich darfst du auch die Sorgen vor Gott ausbreiten, die du um andere hast.

Doch gibt es auch Gläubige, bei denen du sofort Dankbarkeit empfindest, wenn du an sie denkst, weil sie so viel Liebe und Glauben haben? Lässt du sie das auch einmal spüren? Es wird Philemon zweifellos gutgetan haben, dass Paulus in seinen Gebeten immer an ihn dachte. Trotz der Tatsache, dass sie einander wahrscheinlich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatten, hatte Paulus ihn nicht vergessen. Ich hoffe, dass auch du nicht aufhörst, für Gläubige zu beten, denen du einmal begegnet bist und die dich beeindruckt haben, und dass dein Gebet für sie nicht mit der Zeit nachlässt.

Phlm 1:5. Grund für die Dankbarkeit, die Paulus empfand, waren die Berichte, die er über Philemon empfangen hatte. Diese Berichte gaben Zeugnis von seiner Liebe und seinem Glauben. Liebe und Glaube gehören zusammen. Die Liebe, Hauptthema dieses Briefes, wird hier zuerst genannt. Philemon hatte Liebe zum „Herrn Jesus und … zu allen Heiligen“. Das gehört zusammen. Du kannst nicht von Liebe zum Herrn Jesus reden und gleichzeitig eine Abneigung gegen deine Brüder und Schwestern haben (1Joh 4:20). Mit Glauben ist Glaubensvertrauen gemeint, es kann aber auch mit Treue übersetzt werden. Philemon vertraute dem Herrn Jesus und den Heiligen.

Dem Herrn Jesus zu vertrauen, das mag ja gehen. Aber vertraust du auch deinen Geschwistern? Es ist schon so, dass es für eine gesunde Gemeinschaft wirklich unerlässlich ist, dass man von Vertrauen zueinander ausgeht. Das hat nichts mit Naivität zu tun. Du bist nüchtern genug, um zu wissen, dass dich auch einmal jemand betrügen kann. Trotzdem ist es nicht leichtfertig, wenn du den Heiligen vertraust. Wenn du anfängst, ihnen zu misstrauen und ihnen zu unterstellen, dass sie nicht ehrlich sind, ohne dafür deutliche Hinweise zu haben, richtet das die Gemeinschaft zugrunde. Misstrauen ist ein großes Übel. Bei Philemon war das Gegenteil der Fall.

Paulus sagt diese Dinge nicht, um Philemon zu schmeicheln. Es stimmte wirklich, dass Philemon Liebe und Vertrauen zu allen Heiligen hatte. Gleichzeitig sagt Paulus das sicher auch, um Philemon auf das vorzubereiten, was er kurz darauf für Onesimus von ihm erbitten wird. Dieser entlaufene Sklave gehörte nun ebenfalls zu „allen Heiligen“. Es ist so, als müsste Philemon seine Liebe zu „allen Heiligen“ nun dadurch unter Beweis stellen, dass er Onesimus Liebe erweist. Vielleicht hast du auch schon einmal empfunden, dass es manchmal einfacher ist, Geschwister zu lieben, die weit weg von dir wohnen, als die, die du jeden Tag siehst und mit denen du jeden Tag zu tun hast.

Wenn man einander besser kennenlernt, hat das manchmal zur Folge, dass die Liebe abnimmt oder sogar aufhört; es kann aber auch sein, dass sie zunimmt. Letzteres ist natürlich das Ziel. In einer Ehe ist das auch so. Am Anfang sieht jeder bei dem anderen nichts Negatives. Wenn man einander besser kennenlernt, lernt man auch die weniger schönen Seiten des anderen kennen. Wenn man dann anfängt, einander Vorwürfe zu machen, läuft die Sache schief. Nimmt man sich darin jedoch gegenseitig an, wird das Band nur noch fester.

Phlm 1:6. Nachdem Paulus von seinem Dank gesprochen hat für das, was er über Philemon gehört hatte, schreibt er ihm, warum er für ihn betet, und leitet das mit dem Wörtchen „dass“ oder „damit“ ein. Er wünscht, dass die Gemeinschaft von Philemons Glauben stark sei, damit er all das Gute anerkennt, das in ihnen Christus gegenüber ist. Auch das dient zur Vorbereitung, um das Herz des Philemon mit den Gefühlen des Paulus auf eine Linie zu bringen. Philemon wird in der Gemeinschaft des Glaubens stark sein müssen, um Onesimus, der ihm geschadet hatte, vergeben und als einen Bruder aufnehmen zu können. Auch Onesimus hat nun in dieser Gemeinschaft des Glaubens seinen Platz, und um Onesimus so sehen zu können, benötigt Philemon die Kraft des Herrn. Der Herr will sie ihm geben.

Um Philemon das deutlich zu machen, möchte Paulus, dass Philemon weiß, was sein Herz in Bezug auf den Herrn bewegt. Sein Herz ist voll davon, Gutes für Christus zu tun. Wenn das auch bei Philemon so wäre, dann würde es diesem umso leichter fallen, Onesimus zu vergeben und ihn aufzunehmen. Paulus beginnt hier nicht im Einzelnen darzulegen, worin all das Gute in seinem Herzen bestand, das er für Christus tun wollte. Er betet nur dafür, dass der Herr dies Philemon deutlich machen möge.

Du brauchst es nicht vor dir her zu posaunen, was du alles für den Herrn tust und wie großartig dein Glaubensleben ist, damit andere das auch ja sehen. Leute, die mit ihrer großen Kenntnis und ihrem Glauben angeben, sind mehr mit sich selbst beschäftigt als mit dem Herrn. Wenn du möchtest, dass andere Jesus Christus in dir erkennen, dann bete dafür. Das Gute in dir ist nicht dein Fleisch. Darin wohnt nichts Gutes (Röm 7:18). Das Gute ist der Glaube und was durch ihn bewirkt wurde. Wo Glaube ist, ist auch das Gute. Wo kein Glaube ist, gibt es auch nichts Gutes.

Phlm 1:7. Paulus hatte manches Gute über Philemons Dienst gehört. Die Heiligen waren in ihrem tiefsten Inneren durch Philemon belebt worden. Alle, die mit ihm in Berührung kamen, sahen und empfanden seinen Glauben und seine Liebe. Sie wurden dadurch erquickt, was etwas mit Ruhe zu tun hat, mit einer Arbeitspause, durch die man neu gestärkt wird, um weiterarbeiten zu können.

Diese Berichte waren auch für Paulus eine Wohltat. Sie haben ihn erfreut und getröstet. Es ist schön, wenn man sich an dem, was von einem anderen berichtet wird, erfreuen kann. So mitten im Satz spricht Paulus ihn einfach noch einmal als „Bruder“ an. Das passt in das Konzept eines Briefes, der ganz besonders die Empfindungen des Gläubigen anspricht. Paulus betont damit noch einmal, dass er und Philemon auf derselben Grundlage der Gnade stehen. Hier fehlt jegliche Schärfe im Ton.

Phlm 1:8. Es ist nicht so, dass Paulus nicht hätte befehlen können, Onesimus als Bruder aufzunehmen. Er hatte dazu sogar „große Freimütigkeit“. Das war aber keine menschliche Freimütigkeit, sondern eine Freimütigkeit in Christus. Christus hatte ihm sozusagen die Freiheit gegeben, das zu befehlen. Wenn er das getan hätte, hätte er nichts Verkehrtes getan.

Phlm 1:9. Trotzdem machte er von dieser Freimütigkeit keinen Gebrauch, weil er ein höheres Motiv hatte: das Motiv der Liebe. Wenn du zu einer Sache Freimütigkeit hast, dann ist es, wie du siehst, noch nicht selbstverständlich, dass du auch davon Gebrauch machst.

Um die Dinge richtig abzuwägen, wie Paulus das hier tut, muss man schon nahe beim Herrn sein, seine Gesinnung haben und allein auf die Interessen des Herrn und die des anderen ausgerichtet sein. Es ist natürlich viel einfacher, etwas zu befehlen, besonders, wenn man dazu befugt ist. Mit viel Mühe und Anstrengung einen anderen zu einem bestimmten Handeln zu bewegen, ist viel schwieriger. Dazu musst du, ebenso wie Paulus, etwas von der Liebe Gottes als dem Wesen des Christentums verstanden haben. Da geht es nicht um befehlen, um das Halten von Gesetzen, sondern um den Glauben, der durch die Liebe wirkt (Gal 5:6). Natürlich gibt es Gebote, die wir zu befolgen haben (z. B. 2Thes 3:6). Hier geht es aber darum, Gnade und Liebe zu erweisen. Es geht darum, wie Gläubige miteinander umgehen und wie sie sich gegenseitig annehmen. Das kann man nicht durch einen Befehl regeln. Dazu muss man an die Liebe appellieren, so wie Paulus hier an Philemons Liebe appelliert. Angesichts der Liebe, für die Philemon bekannt war, wäre ein Befehl auch unpassend gewesen.

Paulus spricht Philemons Herz an, wenn er sich ihm als „Paulus, der Alte“ und nochmals als „ein Gefangener Christi Jesu“ vorstellt. Paulus wird hier etwa 60 Jahre alt gewesen sein. Nach unserer Vorstellung ist er damit noch nicht wirklich alt. Trotzdem bezeichnet er sich als einen alten Mann, was sicher auch an den vielen Entbehrungen liegt, die er durchgemacht hatte. Das konnte man ihm wahrscheinlich ansehen.

Vor Philemons innerem Auge entsteht jedenfalls nicht das Bild einer beeindruckenden Persönlichkeit, eines Mannes mit einer starken Ausstrahlung, der leidenschaftlich argumentiert. Für das natürliche Empfinden hat der einst so große Apostel an Würde verloren. Aber gerade ein solches Auftreten ist ein viel stärkerer Appell an die Herzensbereitschaft Philemons, wenn er den großen Apostel so demütig im Blick auf Onesimus bitten hört. Er sieht, wie Paulus den Platz eines armen Bittstellers einnimmt (Spr 18:23).

Phlm 1:10. Bis jetzt konnte Philemon sich gefragt haben, worauf Paulus eigentlich hinauswollte und was wohl der Inhalt seines Anliegens war. Nun aber kommt Paulus zur Sache: Sein Anliegen an Philemon betrifft Onesimus. Wenn Paulus dessen Namen ganz unvermittelt genannt hätte, wären bei Philemon wohl allerlei unangenehme Erinnerungen und unschöne Gefühle hochgekommen. Doch Paulus lässt der Namensnennung von Onesimus eine Beschreibung vorausgehen, die die Gefühle Philemons sicher besänftigt haben.

Paulus spricht über Onesimus als mein „Kind, das ich gezeugt habe in den Fesseln“. Diese Mitteilung hört sich fast wie eine Geburtsanzeige an. Eine Geburt ist ein freudiges Ereignis. Meist steht auf einer Geburtsanzeige, dass man „mit Freuden“ die Geburt bekanntgibt. So spürst du die Freude des Paulus, wenn er mit dieser Formulierung Philemon mitteilt, dass er während seiner Gefangenschaft ein geistliches Kind gezeugt hat.

Es kann durchaus sein, dass der feinfühlige Philemon beim Lesen tief empfunden hat, dass dieses Ereignis für Paulus ein großer Trost gewesen sein muss. Paulus hatte erleben dürfen, dass er jemanden zum Herrn hatte führen dürfen, obwohl er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Das konnte nur das Werk Gottes sein. Ich weiß nicht, ob er schon sofort so weit war, dass er sich mit Paulus über diese neue Geburt freuen konnte. Doch wird das sicher seine Gefühle beschwichtigt haben. Der Brief ist damit auch noch nicht beendet. Paulus setzt seine vorbereitenden Bemühungen weiter fort, die Philemon bewegen sollen, sich mit Onesimus zu versöhnen.

Wir nennen ihn Onesimus. So hätte auf der Geburtsanzeige stehen können. Dieser Name bedeutet „nützlich“. Mit diesem Namen hatten seine Eltern die Erwartung ausgedrückt, dass so sein Leben sein möge: nützlich. Leider entsprach er den Erwartungen seiner Eltern nicht. Das Gegenteil hatte sich gezeigt. Doch dies hatte sich mit seiner Bekehrung geändert: Aus dem „Nutzlosen“ wurde ein „Nützlicher“. So sollte es bei jedem Bruder und jeder Schwester sein. Die Liebe geht davon aus, dass sich jeder Bruder und jede Schwester zum Nutzen einbringt. Die Bekehrung macht aus jemandem, der nur an sich selbst denkt und auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, einen Menschen, der für andere nützlich ist.

Lies noch einmal Philemon 1,4–10.

Frage oder Aufgabe: Was könnten andere über deine Liebe und deinen Glauben berichten?

Rechne dies mir an

Phlm 1:11. Wenn Paulus davon spricht, dass Onesimus „nützlich“ ist, dann weist er zuerst darauf hin, dass Onesimus Philemon nützlich wäre, und erst dann, dass Onesimus ihm selbst sehr nützlich war. Dass Onesimus Philemon nützlich wäre, steht für Paulus außer Frage. Es scheint so, als habe er den Eindruck gehabt, dass sich bei Onesimus eine Gnadengabe entwickelte. Während seiner Gefangenschaft hatte er davon bereits profitiert und das sehr genossen.

Phlm 1:12. Onesimus bedeutete Paulus so viel wie sein eigenes Herz. Das ist eine echte Empfehlung. Sollte Philemon bereits daran gedacht haben, Onesimus für das Unrecht, das er ihm zugefügt hatte, und für den verursachten Schaden zu bestrafen, dann war es ihm doch unmöglich, das Herz des Paulus zu verletzen. Das würde er nämlich tun, wenn er Onesimus bestrafen würde. Paulus bekleidet Onesimus Philemon gegenüber mit seiner eigenen Würde. Er nennt ihn „mein Herz“. Paulus kommt sozusagen in der Person des Onesimus selbst zu Philemon. Philemon sollte Onesimus aufgrund all dessen annehmen, was Paulus für Philemon bedeutete. Hier lernst du, wie man das Herz eines anderen erreichen kann.

Phlm 1:13. Paulus hätte Onesimus gern bei sich behalten. Was hatte er doch für eine Stütze an dem jungen Mann, wodurch er so viel Freude hatte. Onesimus diente ihm nicht nur durch seine Anwesenheit, sondern auch durch das, was er tat. Er war für Paulus ein sehr guter Diener. Deshalb hätte er ihn lieber bei sich behalten. Hinzu kam noch, dass Paulus in Onesimus so etwas wie einen Stellvertreter Philemons sah. Wenn Paulus Onesimus sah, sah er Philemon. Er wurde dadurch ständig an Philemon erinnert. Philemon selbst hatte keine Gelegenheit, Paulus in seinem Gefängnis aufzusuchen, doch auf diese Weise wurde das wettgemacht. Das wird auch Philemon befriedigt haben.

Phlm 1:14. Paulus versuchte nicht, Philemon mit seinen Worten zu manipulieren und ihn unter geistlichen Druck zu setzen. Er wollte das, was sein Herz bewegt hatte, mit Philemon teilen, damit es ihm umso leichter fiele, Onesimus zu vergeben und ihn aufzunehmen. Indem er Philemon so seine Herzensüberlegungen mitteilte, wollte er sein Herz milde stimmen. Er wollte von dem Nutzen, den er selbst an Onesimus hatte, absehen, damit Philemon Nutzen an ihm haben könnte. Das ist die wirkliche Gesinnung Christi: zu Gunsten anderer auf etwas zu verzichten. Paulus wollte lieber allein bleiben, wenn andere einen Vorteil durch das haben würden, was ihm selbst zum Vorteil war.

Die Handlungsweise des Paulus war anders als das, was das Gesetz vorschreibt. Nach dem Gesetz durfte er Onesimus nicht einmal zurückschicken (5Mo 23:15; 16). Doch Gnade geht immer weiter als das Gesetz, denn Paulus wollte, dass zwischen Philemon und Onesimus wieder alles in Ordnung kommen würde. Darum wollte er nicht das Recht beanspruchen, Onesimus bei sich zu behalten. Er wollte das mit Philemon besprechen und nichts erzwingen. Eine Entscheidung zu erzwingen, ist kein guter Weg. Philemon hätte das zwar befolgen müssen, aber so wollte Paulus nicht vorgehen. Er wollte, dass Philemons Wohltat „nicht wie gezwungen, sondern freiwillig sei“.

Wenn Paulus Onesimus bei sich behalten hätte, hätte er sich an das Gesetz gehalten. Er hätte Philemon das schreiben können. Formal wäre alles in Ordnung gewesen. Philemon hätte nichts dagegen vorbringen können. Paulus hätte sogar schreiben können, dass Philemon sich dazu aufraffen müsse, Onesimus zu vergeben, dass dies so etwas wie eine Verpflichtung wäre, etwas, „was sich so gehörte“. Doch Liebe kann man nicht erzwingen. Man kann nur Anreiz dazu schaffen, indem man sie selbst erweist. Das bewirkt bei dem anderen eine Freiwilligkeit, die der Herr schätzt (2Kor 8:8; 9; 2Kor 9:7).

Phlm 1:15-16. In diesen Versen führt Paulus noch ein Argument dafür an, Onesimus wieder aufzunehmen: Onesimus war ein Bruder geworden. Paulus nennt ihn sogar einen „geliebten Bruder“. Er spricht sogar davon, dass sein Weglaufen zu seiner Bekehrung geführt hatte. Das tut er jedoch in einer Weise, die Onesimus’ Verantwortung in keiner Weise schmälert.

Du kannst das an dem Wörtchen „vielleicht“ erkennen (Phlm 1:15). Es zeigt, wie vorsichtig Paulus diese Schlussfolgerung zieht. Er sagt das nicht mit absoluter Sicherheit, weil Gott noch andere Absichten haben könnte. Paulus spricht von einem Ergebnis, das für sich selbst steht und das man als ein souveränes Handeln Gottes betrachten muss. Vielleicht kennst du aus deinem eigenen Leben Situationen, von denen du zu deiner Schande gestehen musst, dass du da einen eigenwilligen Weg gegangen bist, den der Herr aber dennoch dazu benutzt hat, dich wieder zu Ihm zurückzubringen. Das macht deine Schuld nicht geringer, aber seine Gnade größer.

Paulus sprach nicht vom Weglaufen, sondern vom Getrenntsein. Die Trennung war „für eine Zeit“, die Rückkehr dagegen „für immer“. Die Beziehung zwischen Herr und Sklave gilt für eine Zeit. Auch in diese Beziehung kam Onesimus wieder zurück. Doch eine neue Beziehung war hinzugekommen: die eines Bruders. Die Beziehung zwischen Bruder und Bruder endet nie. Sie bleibt ewig. Auf diese Beziehung hat man kein Anrecht, sie ist eine Gnade. Für Paulus war Onesimus vor allem ein „geliebter Bruder“. Für Philemon war er sowohl Sklave (das war er „im Fleisch“) als jetzt auch ein Bruder (das war er „im Herrn“).

Phlm 1:17. Aufgrund dieser neuen und ewigen Beziehung, die auf Gnade gegründet ist, bittet Paulus Philemon, Onesimus so aufzunehmen, als ob Paulus selbst vor ihm stünde. Er spricht Philemon als seinen „Genossen“ an. Beachte jedoch, dass er sich als einen Genossen Philemons bezeichnet und nicht umgekehrt. Damit nimmt er den niedrigsten Platz ein und achtet Philemon höher als sich selbst. So handeln die Liebe und die Gnade. Das ist wirklich schwer zu lernen. Oder findest du es einfach, einem anderen die Ehre für eine Arbeit zukommen zu lassen, an der du doch den größten Anteil hattest? Doch genau das ist die Art und Weise, wie man Herzen zu der Gesinnung des Herrn führen kann.

Phlm 1:18-19. Paulus hatte diese Gesinnung. Das wird deutlich, wenn er Philemon bittet, ihm die Schuld(en) von Onesimus anzurechnen. Onesimus hatte bei seiner Flucht anscheinend das eine oder andere mitgehen lassen oder hatte etwas getan, wodurch er sich den Zorn seines Herrn zugezogen hatte. Paulus tut alles, um Philemon zu besänftigen. Das kann er am besten dadurch erreichen, dass er alle Schuld auf sich nimmt. Was entwendet worden war, musste zurückgegeben oder zurückbezahlt werden. Dafür verbürgt sich Paulus. Er nimmt die ganze Verantwortung für die Schulden auf sich. Er würde die Schuld begleichen.

Siehst du darin nicht die Gesinnung des Herrn Jesus, der in vollkommener Weise die Schuld anderer (deine Schuld) auf sich nahm? Auch das, was dir vielleicht an Bösem zugefügt wurde, hat Christus getragen. Er hat gleichsam gesagt: „Ich will bezahlen.“ Ich kann mir vorstellen, dass Philemon daran dachte, als er das las. So richtet Paulus den Blick nicht auf sich selbst, sondern auf den Herrn Jesus. Wenn du Ihn vor Augen hast, wird dein ganzes Handeln aus den richtigen Motiven geschehen (1Joh 3:16). Nur wenn du auf Christus blickst, wirst du auf das Unrecht, das dein Bruder dir angetan hat, in rechter Weise reagieren. Noch nie ist jemand zum Verlierer geworden, wenn er um des Herrn willen verzichtet hat.

Es gab aber noch etwas: Im Fall von Paulus und Philemon könnte man auch von einem Schuldenausgleich sprechen. Philemon schuldete Paulus mehr als umgekehrt. Philemon hatte bei Paulus Schulden. Auch er war durch den Dienst des Paulus zum Glauben gekommen, somit war Paulus sein geistlicher Vater. Onesimus war daher nicht nur sein Bruder, sondern er hatte auch den gleichen geistlichen Vater wie er. Sollte das nicht ebenfalls einen Einfluss auf sein Verhältnis zu Onesimus haben?

Phlm 1:20. Durch „Ja, Bruder“ bringt Paulus zum Ausdruck, dass er von Philemon eine positive Reaktion erwartet. Die Liebe hofft alles (1Kor 13:7). Erneut spricht Paulus Philemon als Bruder an und bringt das auch jetzt wieder in Zusammenhang damit, dass Philemon Herzen erquickt (siehe Phlm 1:7). Er wollte Nutzen an Philemon haben. Auch du solltest deine Geschwister so sehen. Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass manche die Güte anderer ausnutzen und missbrauchen. Der Nutzen, den Paulus suchte, lag in Philemons Verhalten: Philemon würde Paulus’ Herz dadurch erquicken, dass er Onesimus in Gnaden annehmen würde, so wie er selbst von Gott in Gnaden angenommen worden war. Paulus suchte nichts für sich. Alles, was er suchte, war in Christus.

Phlm 1:21. Paulus hatte seinen Brief im Vertrauen darauf geschrieben, dass Philemon Onesimus die Freiheit schenken würde. Das drückt er zwar etwas verschleiert aus („Ich weiß, dass du auch mehr tun wirst“), doch für jemanden, der die Sprache der Liebe verstand, war das deutlich genug. Auf diese Weise könnte Philemon Onesimus die Möglichkeit eröffnen, seine Gabe zum Wohl der Gemeinde auszuüben. Das würde bedeuten, dass Philemon ihn nicht für sich selbst und die Aufgaben in seinem Haus behalten würde.

Phlm 1:22. Nachdem Paulus so ausführlich geschrieben hat, um Onesimus’ Rückkehr vorzubereiten, fügt er nur noch einen einzigen Satz hinzu, mit dem er etwas für sich selbst erbittet: Er bittet Philemon, ihm eine Unterkunft zu besorgen. Das drückt seine Erwartung aus, bald freigelassen zu werden. Mit seiner Freilassung rechnet er nicht aufgrund der Güte des Kaisers, sondern aufgrund der Gebete der Geschwister. Sein ganzes Leben sieht er in Verbindung mit dem Herrn und mit seinen Geschwistern. Diese Bitte um Unterkunft, die das baldige Kommen des Paulus bedeutet, wird Philemon zusätzlich dazu bewegen, Paulus’ Bitte in Bezug auf Onesimus zu entsprechen.

Phlm 1:23. Paulus endet seinen Brief mit den Grüßen einiger Brüder. Es sind dieselben Brüder, die auch im Brief an die Kolosser genannt werden. Von Epaphras liest du hier etwas, was im Brief an die Kolosser nicht erwähnt wird (Kol 1:7; Kol 4:12). In diesem Brief, in dem es so sehr um die Empfindungen eines Dieners geht, sehen wir, welchen Trost Paulus in einem Leidensgenossen findet. Wenn du weißt, dass jemand dasselbe durchmacht wie du, kann das eine große Ermutigung sein und Kraft schenken, um durchzuhalten (vgl. 1Pet 5:9).

Phlm 1:24. Dann nennt Paulus die Namen von vier Personen, die er als seine Mitarbeiter bezeichnet. Markus war der Mann, dem das Leben im Dienst für den Herrn zu schwer geworden war, der aber doch wieder nützlich wurde (Apg 13:13; Apg 15:37; 38; Kol 4:10). Aristarchus war ein Reisebegleiter des Paulus, mit dem er unruhige Zeiten durchlebt hatte (Apg 19:29). Demas ist hier noch dabei, würde aber bald abspringen (2Tim 4:10). Er war somit das Gegenstück zu Markus. Ermutigung und Enttäuschung liegen oft dicht beieinander. Zum Schluss nennt er Lukas, den Arzt, von dessen Fürsorge für seinen Körper er sicher dankbar Gebrauch gemacht haben wird.

Phlm 1:25. Seinen persönlichen Gruß richtet er nicht nur an Philemon, sondern an alle. Er wünscht, dass die Gnade unseres Herrn Jesus Christus mit dem Geist aller sein möge. Wie wichtig ist dieser Wunsch auch heute! Dein Geist ist jeden Tag zahllosen Einflüssen ausgesetzt. Alles, was du siehst und hörst, beeinflusst dein Denken. Es ist doch äußerst wichtig, dass du deinen Geist rein erhältst. Die Gnade unseres Herrn Jesus will bewirken, dass du dich von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes reinigst (2Kor 7:1). Dann bist du in deinem Geist frei und kannst den Herrn Jesus besser kennenlernen. Du bist dann besser in der Lage, sein Wort zu verstehen und seinen Willen zu tun. Seine Gesinnung wird sich dann mehr in dir zeigen. Ist das nicht das Hauptthema dieses Briefes?

Lies noch einmal Philemon 1,11–25.

Frage oder Aufgabe: Wie kannst du das Herz eines Bruders oder einer Schwester in Christus erquicken?

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