Ruth 4:1

Einleitung

Das vierte Kapitel ist das Kapitel, das von Boas handelt. Er steht hier im Mittelpunkt. Es geht einzig und allein um ihn. Nachdem im zweiten Kapitel Ruth und im dritten Noomi die Initiative ergriffen haben, tut es in diesem Kapitel Boas. Er beginnt zu handeln, um am Ende Ruth zu seiner Frau nehmen zu können. Wir hören kein Wort aus dem Mund von Noomi und auch nicht von Ruth. Sie schweigen. Sie haben die Sache aus den Händen gegeben und sie in seine Hände gelegt.

Die beiden Blutsverwandten und die Zeugen

So, wie es Noomi am Ende des vorhergehenden Kapitels gesagt hatte, so geschieht es auch. Boas lässt keine Zeit vergehen. Während Ruth Noomi von ihrer nächtlichen Begegnung mit Boas berichtet, geht er zum Tor hinauf. Wir sehen in seinem ganzen Auftreten, dass er alles mit Überlegung tut, ruhig und geduldig. Alles, was er tut, tut er, wie es sich gehört, und das in einer Zeit, die davon gekennzeichnet ist, dass jeder tut, was recht ist in seinen eigenen Augen. Er ist nicht wie Simson, der eine Frau haben will, und zwar sofort. Auch übergeht er nicht das Recht des ersten Lösers. In allem handelt er mit dem HERRN.

Boas geht zum Tor hinauf, denn das ist der Ort, wo öffentlich Recht gesprochen wird (5Mo 16:18; 1Mo 19:1; 1Mo 34:20). Die Sache kann vom ganzen Volk beobachtet werden. Boas handelt in allem völlig transparent. Rechts- und Heiratsangelegenheiten dürfen in keiner Weise den Anschein von Heimlichkeit erwecken. Sie müssen für jeden wahrnehmbar sein.

Boas sucht zunächst den Blutsverwandten. Er wartet geduldig, bis der andere, der nähere Blutsverwandte, vorbeikommt. Als dieser erscheint, ruft er ihn, jedoch nicht mit seinem Namen. Sein Name wird überhaupt nicht genannt. Boas wird seinen Namen zweifellos gekannt haben. Schließlich weiß er ja, dass dieser der Blutsverwandte ist, der in einem noch näheren Verwandtschaftsverhältnis zu Noomi steht als er. Es scheint so, dass Boas ihn deswegen so anspricht, weil der Mann ein solches Desinteresse an Noomis Angelegenheit an den Tag legt. Obwohl Noomi schon so lange zurück ist, hat er noch nichts von sich hören lassen. Auch jetzt kommt er nicht, um seine Pflicht als Löser zu erfüllen. Er ist einfach auf dem Weg irgendwohin. Boas muss ihn rufen, um ihn an seine Pflicht als Löser zu erinnern.

Der Mann hört auf Boas und setzt sich zu ihm. Er hat wahrscheinlich begriffen, dass er sehr wohl eine Verantwortung hat. Hätte Boas ihn nicht gerufen, wäre er vermutlich weitergelaufen. Er will nichts mit Noomi und Ruth zu tun haben. Er konnte mit Noomis Land nichts anfangen und wollte es auch nicht. Diese Haltung kommt durch das Gespräch mit Boas ans Licht. Boas ruft ihn herbei, damit er nachweisen kann, dass dieser Löser weder lösen kann noch will.

Als der erste Löser seinen Platz im Tor eingenommen hat, holt Boas „zehn Männer von den Ältesten der Stadt“, und auch sie setzen sich ins Tor. Es ist immer Boas, der handelt. Er hat die Autorität, er bestimmt, was zu geschehen hat. Die anderen Anwesenden stimmen ihm zu, denn seine Anweisungen und Anordnungen sind richtig.

Diese zehn Männer sind die Zeugen der Verhandlungen über den Besitz Noomis zwischen Boas und dem ersten Löser. Wir können in ihnen ein Bild der zehn Gebote des Gesetzes sehen. Auch in dem ersten Löser sehen wir ein Bild des Gesetzes. Das Gesetz hat den Menschen nicht freikaufen können. Es legt ihm die Bedingungen vor, um von seiner Schuld freizukommen. Nur wenn er diese Bedingungen erfüllt, kann der Mensch den verheißenen Segen empfangen.

Kurz gesagt, läuft das Gesetz auf Folgendes hinaus: Tu dies und du wirst leben. Der Mensch ist jedoch nicht imstande, das Gesetz zu halten. Es gab noch nie einen Menschen, der das Gesetz gehalten hat und sich dadurch das Leben verdient hätte. Jeder Mensch fällt unter das Urteil des Gesetzes, und das ist der Fluch. Um den Segen der Verheißung des Lebens zu empfangen, ist ein anderer Löser nötig. Dieser andere Löser ist der Herr Jesus, von dem Boas ein Bild ist. Der Herr Jesus hat getan, was das Gesetz nicht konnte. Doch Er hat zugleich alle heiligen Forderungen des Gesetzes vollständig erfüllt. Davon sind die zehn Zeugen, die Boas gerufen hat, ein Bild.

Das Gesetz kann nicht anders, es muss dem Sünder, der weiß, dass der Herr Jesus sein Löser ist, zustimmen. Alle Forderungen des Gesetzes sind erfüllt durch das, was Christus am Kreuz getan hat: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: ‚Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!‘), damit der Segen Abrahams in Christus Jesus zu den Nationen käme, damit wir die Verheißung des Geistes empfingen durch den Glauben“ (Gal 3:13; 14).

Das Gesetz kann Ruth nicht an den Ort des Segens bringen, aber dies muss erst im Beisein von Zeugen deutlich werden. Diese zehn Zeugen (ein Bild der zehn Gebote) können nur der Tatsache zustimmen, dass der erste Löser nicht lösen kann.

Im Blick auf das Lösen müssen drei Fragen beantwortet werden:

1. Hat der Löser das Recht zu lösen, das heißt, gehört er zur Familie?

2. Kann er es, das heißt, ist er dazu fähig, kann er den Preis bezahlen?

3. Ist er bereit, das zu tun, will er es?

Auf jede dieser Fragen ist der Herr Jesus die Antwort.

1. Der Herr Jesus kann der Löser sein, weil er Mensch geworden ist, so wie wir, allerdings ohne die sündige Natur (Phil 2:7; Heb 4:15). Er hat Fleisch und Blut angenommen (Heb 2:14).

2. Kein Mensch kann für einen anderen Menschen das Lösegeld bezahlen. Jeder muss selbst das Gesetz halten, um gerettet zu werden und Leben zu empfangen. Das ist unmöglich, weil das Fleisch sich dem Gesetz nicht unterwirft und es auch nicht kann (Röm 8:7). Der Herr Jesus hat vollkommen Gottes Willen erfüllt und hat darum mit dem Preis seines Blutes für andere bezahlen können (1Pet 1:18; 19).

3. Er hatte auch die Bereitschaft, es zu tun, und Er hat es getan. Er hat bei seinem Kommen in die Welt gesagt: „Siehe, ich komme … um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10:7; 9). Durch das, was Er getan hat, hat Er die Ansprüche des Gesetzes erfüllt, und was Er getan hat, wird jedem zugerechnet, der an Ihn glaubt. Wer an Ihn glaubt, darf wissen, dass er durch den Willen Gottes, den der Herr Jesus erfüllt hat, geheiligt ist, das heißt, er darf wissen, dass er für Gott abgesondert ist.

Die beiden Löser (das Gesetz und Christus) werden von Paulus in herrlicher Weise nebeneinander gestellt, wenn er sagt: „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleisch verurteilte“ (Röm 8:3). Er sagt das, nachdem er in Römer 7 gezeigt hat, was das Gesetz bei jemandem bewirkt, der das Verlangen hat, Gottes Willen zu tun, dazu aber das Gesetz zur Norm seines Handelns macht: Es führt zu großem inneren Elend, anstatt zu Befreiung und Erlösung.

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