Song of Solomon 3:5

Gesucht und gefunden

Es ist Nacht, als die Braut ihr Bett verlässt und in die Stadt geht (Hld 3:1; 2), um nach dem Bräutigam zu suchen. Sie findet ihn nicht, aber andere, die Wächter der Stadt, finden sie (Hld 3:3). Sie spricht sie ohne jegliche Einführung an. Sie nennt keinen Namen, sondern fragt die Wächter der Stadt, ob sie ‚den gesehen haben, den ihre Seele liebt‘.

Nachdem die Braut den Bräutigam auf die falsche Weise und am falschen Ort gesucht hat, sucht sie ihn jetzt bei den falschen Leuten. Wie können Menschen, die die Stadt bewachen und die keine Verbindung mit dem Bräutigam haben, ihr diese Frage beantworten? Wie können die, die ihn nicht kennen, ihr sagen, wo er ist? Wir lesen nicht, dass die Wächter antworten.

Wir können dies auf Gläubige anwenden, die seelische Probleme haben und zu ungläubigen Ratgebern gehen – Psychologen und Psychiatern – und sie nach einer Lösung fragen. Aber wie können sie eine Lösung anbieten? Schließlich haben diese Leute keine lebendige Beziehung mit dem Herrn Jesus. Sie glauben nicht an Ihn. Wenn es diese Beziehung nicht gibt, dann ist die ganze Suche umsonst. Und die Leere nimmt zu.

Die Wächter können auch für die religiösen Führer stehen – Leute, die sogenannte geistliche Verwalter für ‚ihre‘ Gemeinde sind, aber die auch nicht helfen können. Die allgemeine Lektion, die wir hier lernen können, ist: „Vertraut nicht auf Fürsten, auf einen Menschensohn, bei dem keine Rettung ist!“ (Ps 146:3).

In Markus 5 lesen wir von einer Frau, „die zwölf Jahre lang Blutfluss hatte und von vielen Ärzten vieles erlitten hatte und ihre ganze Habe verwandt und keinen Nutzen davon gehabt hatte – es war vielmehr schlimmer geworden“ (Mk 5:25; 26). Die vielen Ärzte, die sie in der Hoffnung auf Heilung besuchte, haben ihr Leiden nur verschlimmert, obwohl sie ihren ganzen Besitz investiert hat, um diese Hilfe zu bezahlen. Statt einer Besserung hat sich ihre Lage nur verschlechtert. Schließlich geht sie zum Herrn Jesus. Sie sagt: „Wenn ich auch nur seine Kleider anrühre, werde ich geheilt werden“ (Mk 5:28). Das bedeutet, dass es um den Glauben an den Herrn Jesus geht, denn Er ist imstande, die Leere in unserem Herzen auszufüllen.

Es sieht so aus, dass die Braut in Hld 3:4 aus der Stadt herausgekommen ist und dort ihren Geliebten findet. Er befindet sich außerhalb der Stadt auf dem Feld, wo er seine Herde zwischen den Lilien weidet, wie sie vorher schon sagte (Hld 2:16). Sie hat das vergessen, deswegen suchte sie am falschen Ort und bei den falschen Leuten. Jetzt, da sie sich von dem, was falsch ist, befreit hat, läuft sie in seine Arme. Sie hat ihn gefunden.

Also kann man den Herrn Jesus nicht in allen Arten von menschlichen Systemen oder bei den führenden geistlichen Vorstehern finden, sondern an dem Ort der Verwerfung. Denk an das Kreuz von Golgatha, das „außerhalb des Tores“ Jerusalems stand. Dort ist der Herr zu finden. Jeder, der nicht bereit ist, Ihn dort zu suchen und Ihm dorthin, an den Ort der Verwerfung, zu folgen, wird Ihn niemals finden.

Man muss sich anstrengen, Ihn dort zu finden. Aber wenn man mit Sehnsucht und Ausdauer sucht, in dem Glauben, dass Er sich finden lassen möchte, dann wird Er sich finden lassen. Er hat es versprochen: „Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden. Denn jeder Bittende empfängt, und der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird aufgetan werden” (Mt 7:7; 8; Jer 29:12; 13; Jes 45:19).

Die Braut lässt die Stadt und alle Leute hinter sich. Darin können wir die Flucht aus dem hektischen Leben in der Stadt sehen, mit all seinem Lärm, allen Arten von Aktivitäten, die uns vereinnahmen und uns keinen Moment der Ruhe lassen. Wir finden den nötigen und ersehnten Frieden außerhalb der Stadt in der Gegenwart des Herrn. Wir alle brauchen diese Zeiten der Ruhe mit dem Herrn.

Viele Leute gestatten den sozialen Medien, ihr Leben anzutreiben und haben keinen Moment der Ruhe, weil sie glauben, immer erreichbar sein zu müssen. Sie müssen sofort antworten, sobald eine Nachricht hereinkommt. Die sozialen Medien bestimmen ihr Leben. ‚Ich befürchte, dass ich etwas verpassen könnte; ich muss deshalb immerzu informiert sein.‘ Auf diese Weise wird uns der Frieden immer mehr genommen.

Haben wir noch Zeit, in der wir mit dem Wort Gottes und dem Herrn Jesus allein sind? Nur dann werden wir Ihn finden – nicht in der Stadt, sondern außerhalb der Stadt. Dann bekommen wir Kraft, um in die Stadt zurückzugehen und ein Zeuge zu sein.

Als sie ihn gefunden hat, hält sie ihn richtig fest (Mt 28:9; Spr 3:18). Sie möchte ihn nicht wieder verlieren. Darauf ist sie jetzt sehr bedacht. Sie geht mit ihm zusammen in das Haus ihrer Mutter. Sie geht sozusagen zurück zum Anfang ihrer Existenz, wo ihr Leben begann und wo sie aufgezogen wurde. Wenn wir vom Herrn abgewichen sind, müssen wir an den Anfang unseres Lebens mit Ihm zurückgehen. Wir müssen uns an die erste Begegnung mit Ihm erinnern, unsere erste Liebe für Ihn (Off 2:4; 5a).

Die Braut kehrt mit ihrem Bräutigam nicht nur in das Haus ihrer Mutter zurück, sondern in das Gemach ihrer „Gebärerin“. Das heißt ganz zurück zum Anfang, zum Moment der Geburt des neuen Lebens. Israel musste das immer tun, nachdem das Volk aus Ägypten befreit wurde. Jedes Jahr mussten sie das Passah als Erinnerung an ihre Befreiung aus Ägypten feiern.

Das können wir jeden Sonntag tun, wenn wir den Tod des Herrn verkünden und daran gedenken, was Er für uns getan hat. Aber wir sollen auch jeden Tag daran denken und dürfen nicht vergessen, dass wir erlöst sind und wie es vor sich ging und dem Herrn danken, dass Er uns von unseren Sünden und dem ewigen Gericht erlöst hat.

Sind wir (noch) dankbar? Erinnern wir uns daran, wo und wann unsere erste echte Begegnung mit dem Herrn Jesus stattgefunden hat? Erinnern wir uns an die Freude und den Frieden, den es uns gab, dass die schwere Last unserer Sünden von uns genommen wurde und dass wir wiedergeboren wurden und Kinder Gottes geworden sind? Wenn etwas Schlimmes auf der Welt passiert, werden die Leute manchmal gefragt, wo sie waren und was sie in diesem Moment getan haben. Sie erinnern sich auch oft daran. Die Bekehrung von den Götzen hin zu Gott ist die tiefste bewusste Erfahrung im Leben eines Menschen. Dann kommt der Herr Jesus mit seiner Liebe und seiner Vollmacht in sein Leben hinein und verändert es vollkommen. Er bekommt eine ganz andere Perspektive.

In Hld 3:5 spricht sie dieselben Personen mit denselben Worten anwie in Hohelied 2 (Hld 2:7). Deshalb klingt es wie ein Refrain. Aber es ist nicht dasselbe. Hier in Hohelied 3 spricht sie diese Worte, nachdem die verlorene Verbindung mit dem Bräutigam wiederhergestellt wurde. Also dreht sich das Gespräch um die Wiederherstellung der Gemeinschaft. Jetzt, wo sie ihn wiedergefunden und in das Gemach in dem Haus ihrer Mutter gebracht hat, hängt sie sozusagen ein Bitte-nicht-stören-Schild an die Tür. Sie lässt alle wissen, dass sie keinerlei Elemente hereinlässt, die ihre wiedererlangte Gemeinschaft mit ihm stören könnten.

Gemeinschaft mit dem Herrn hat nichts mit Eile zu tun. Es braucht Zeit, darin zu wachsen, selbst wenn die Beziehung wiederhergestellt ist. Wachstum im Glauben sollte nicht künstlich angeregt werden. So bewirkt die laute, bewusstseinserweiternde Musik in einem Gottesdienst, dass der Geliebte weggeht. Das ist auch der Fall bei sanfter Musik, die die Emotionen anspricht. Die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus braucht Ruhe und Frieden, nicht Aufreizung. Der Geist Gottes ist gegenwärtig und wirkt durch den „Ton eines leisen Säuselns“ und nicht durch einen großen und starken „Wind“, ein „Erdbeben“ oder ein „Feuer“. Liebe braucht Zeit, um zu wachsen, auch, wenn eine erkaltete Liebe wieder aufgeweckt wird.

Copyright information for GerKingComments