Song of Solomon 5:4

Der Riegel wird entfernt

Im vorigen Vers haben wir gesehen, dass die Braut eingeschlafen ist und dem Bräutigam keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Als der Bräutigam zu ihr kommt und sie aufweckt, bringt sie mehrere Ausflüchte hervor, um in ihrem gemütlichen Schlafzimmer zu bleiben. Der Bräutigam spricht sie liebevoll an und sagt ihr, was er für sie getan hat. Aber die Braut bleibt liegen: Sie möchte ihre bequeme Stellung nicht verlassen, um dem Bräutigam nach draußen zu folgen. Sie hat ihr Zimmer mit ihren Ausreden für ihn verschlossen. Wir haben die Anwendungen davon für uns in unserer Beziehung mit dem Herrn Jesus gesehen.

In den Versen, die wir jetzt vor uns haben, sehen wir, dass der Bräutigam die Braut weiterhin anspricht, obwohl sie ihn abgelehnt hat. Die Braut sieht, wie ihr Geliebter seine Hand durch die Öffnung der Tür steckt (Hld 5:4). Sie hat ihm die Tür verschlossen. Aber er findet eine Öffnung in das Zimmer, in das sie sich eingeschlossen hat. Durch diese Öffnung zeigt er seine Hand. Das berührt sie. Es ist die Hand ihres Geliebten, die Hand, die ihretwegen tätig wird. Diese Hand möchte den Riegel entfernen, sodass die Braut zu ihm kommen kann.

Das erinnert uns an die Hand des Herrn Jesus, die Er den Seinen gezeigt hat, als sie voller Furcht zusammen waren (Lk 24:39; Sach 13:6). Es ist die Hand, die für sie durchbohrt wurde. Es ist genauso, wie es in einem Lied heißt: „Ich werde Ihn erkennen… an seinen Händen, die für mich durchbohrt wurden.“ Der Herr Jesus weiß auch, in unserem Leben eine Öffnung zu finden, um uns seine durchbohrte Hand zu zeigen. Wenn wir diese Hand sehen, seine Hand, die für uns, für mich, an das Kreuz genagelt wurde, dann muss uns das bewegen. Es wird uns innerlich rastlos machen genauso wie bei der Braut.

Als die Braut die Hand des Bräutigams sieht, führt sie das dazu aufzustehen (Hld 5:5). Sie möchte ihm die Tür öffnen. Sie ergreift den Griff des Riegels. Es scheint Myrrhe daran zu sein. Seine Hand hat diese Myrrhe dort zurückgelassen und jetzt ist sie auf ihren eigenen Händen und Fingern. Sie kommt mit ihm persönlich in Kontakt. Es ist im Überfluss, denn ihre Hände „troffen von Myrrhe“. Es handelte sich außerdem um „fließende Myrrhe“ – es ist Bewegung darin. Sie wird – im Bild gesprochen – an seine Leiden erinnert, denn davon spricht die Myrrhe.

Das ist es auch, was wir brauchen, wenn unsere Liebe für den Herrn Jesus abgenommen hat. Wir brauchen die Erinnerung an sein Leiden, nicht oberflächlich, sondern müssen seine Leiden in ihrer Tiefe erfahren. Noch einmal: Ich muss ganz gründlich verstehen, was Er für mich persönlich erlitten hat. Die Myrrhe muss sozusagen von meinen Händen und Fingern triefen. Das wird dazu führen, dass ich mich Ihm wieder völlig hingebe und Ihm meine ganze Liebe gebe.

Wir sehen bei Petrus, dass er den Herrn verleugnet, sobald er Schwierigkeiten bekommt. Das liegt daran, dass er in Gethsemane eingeschlafen ist. Dann zeigt ihm der Herr Jesus seine Liebe, indem Er ihn ansieht – während Er leidet. So schüttet Er sozusagen die Myrrhe über seine Hände. Durch diese persönliche Begegnung mit dem Herrn in seinem Leiden tut Petrus Buße.

Dann steht die Braut auf, um zu öffnen. Als sie die Tür öffnet, um ihn einzulassen, stellt sich heraus, dass er nicht mehr da ist. Er ist weg! Wo ist er? Er hat sich zurückgezogen. Warum? Er möchte, dass sie erfährt, was es bedeutet, dass sie ihm nicht geöffnet hat. So kann es in unserem Leben sein. Wenn wir schließlich kommen, um Ihm die Tür zu öffnen und Ihn wieder in unser Leben zu lassen, finden wir Ihn plötzlich nicht mehr. Dann sollen wir lernen, dass Er das auch aus Liebe für uns tut, um uns noch mehr zu zeigen, dass wir erkennen sollen, wer Er ist. Allerdings verschwindet Er nicht für immer, sondern Er verlässt uns, um uns dazu zu bringen, Ihn zu suchen.

Die Braut ist plötzlich zum Leben erwacht. Plötzlich ist sie voller Tatendrang, um nach ihm zu suchen. Wie ist es dazu gekommen? Sie sagt es: „Ich war außer mir, während er redete.“ Seine Stimme, seine Worte haben das bei ihr bewirkt. So geht es auch bei uns. Die Worte des Herrn Jesus „sind Geist und sind Leben“ (Joh 6:63). Er spricht lebendige und lebensspendende Worte. Petrus erkennt das und möchte deshalb zu niemand anderem gehen als zu dem Herrn, denn Er hat „Worte ewigen Lebens“ (Joh 6:67-69).

Die Braut geht hinaus, um ihn zu suchen, aber sie findet ihn nicht. Sie ruft, aber er antwortet nicht. Indem er weggeht, prüft er, ob sie sich nach ihm sehnt – ob sie wirklich nach ihm suchen möchte. Wir wundern uns auch manchmal, warum der Herr nicht antwortet, wenn wir Ihn im Gebet suchen. Eine der Lektionen, die Er uns lehren möchte, ist, dass wir nicht die Bedingungen festlegen können, um mit Ihm in Kontakt zu kommen. Manchmal verbirgt sich Gott vor uns – das ist zumindest unser Gefühl (vgl. Klgl 3:8; 44) – weil wir uns selbst so oft vor Ihm versteckt haben. Manchmal antwortet Gott nicht auf unser Rufen, weil wir so oft nicht auf seine Aufforderungen geantwortet haben.

Seine Liebe handelt auf diese Weise, denn Er möchte zur Hingabe ermutigen und die Liebe vergrößern. Deshalb lässt uns der Herr auch durch Übungen gehen, um zu sehen, ob wir Ihn vermissen und Ihn suchen. Dann prüft Er uns, damit Er sehen kann, ob uns die Gemeinschaft mit Ihm wirklich etwas bedeutet. Es ist auch möglich, dass wir nur zu Ihm rufen, wenn wir in Schwierigkeiten sind. Wir möchten aus dieser Situation befreit werden. Und Gott soll das sofort tun. Danach führen wir unser eigenes Leben fort und möchten nicht, dass Er zu stark darin eingreift.

Wenn wir wirklich ein Leben in Gemeinschaft mit Ihm leben wollen, dann sollten wir nicht enttäuscht sein, wenn Er uns nicht direkt antwortet oder auf eine andere Art, als wir es uns vorgestellt haben. Dann werden wir weiterhin darauf vertrauen, dass Er das Beste für uns im Sinn hat, und wir werden darin ausharren, Ihn zu suchen. Das sehen wir hier bei der Braut. Sie setzt ihre Suche fort. Dadurch gerät sie in Umstände, die sie dazu führen, dass sie ein schönes Zeugnis davon abgeben kann, wer der Bräutigam für sie ist, wie der folgende Vers zeigt. Der Herr Jesus möchte das auch bei uns durch solche Situationen erreichen, in denen wir Ihn dem Gefühl nach verloren haben.

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