‏ Titus 1:1-3

Einleitung

Ebenso wie die vorhergehenden Briefe an eine einzelne Person gerichtet sind (Timotheus), ist auch dieser Brief an eine einzelne Person gerichtet, nämlich an Titus. Timotheus und Titus waren nicht irgendjemand. Sie gehörten zu den Mitarbeitern von Paulus. Über Timotheus hast du das eine oder andere aus der Apostelgeschichte erfahren. Wenn du in diesem Buch jedoch etwas über Titus erfahren willst, wirst du dort vergeblich suchen. Er wird dort nicht erwähnt. Allerdings kann man das eine oder andere über ihn aus einigen Briefen des Paulus erfahren. So erwähnt Paulus ihn in seinem zweiten Brief an die Korinther. Aus dem, was er dort über ihn sagt, kannst du erkennen, dass Paulus ihn sehr schätzte.

Die Arbeit, die Titus in Korinth tat, ist ein Beispiel für seine Hingabe im Dienst. Aus dem, was in dem erwähnten Brief über ihn berichtet wird, können wir erkennen, dass er durch geistliches Wachstum und Erfahrung ein reifer Christ geworden war. Paulus wünschte sich Unterstützung von Titus (2Kor 2:12; 13); er erfuhr Trost durch Titus (2Kor 7:6); er wusste, wie sehr Titus sich gefreut hatte, weil er durch all das Gute, das er bei den Geschwistern in Korinth gesehen hatte, in seinem Geist erquickt worden war (2Kor 7:13). Paulus wusste um die Liebe des Titus zu Gläubigen, die gehorsam waren (2Kor 7:15), und konnte bezeugen, wie bereitwillig er sich für arme Gläubige einsetzte (2Kor 8:6; 16). Er nennt Titus seinen „Genossen“ und „Mitarbeiter“ bei den Korinthern (2Kor 8:23). Er hatte dasselbe Ziel wie Paulus. Darum schätzte Paulus ihn sehr im Werk des Herrn. Auch sah er bei Titus dieselbe Selbstlosigkeit, die ihn selbst kennzeichnete (2Kor 12:18). Paulus hatte in Titus einen außergewöhnlichen Mitarbeiter, sowohl hinsichtlich der Arbeit als auch hinsichtlich der Motive.

Weil Paulus von Titus als seinem „echten Kind“ spricht (Tit 1:4), dürfen wir wohl schließen, dass Titus das Evangelium von Paulus gehört und sich dann bekehrt hatte. Ob er sich direkt danach Paulus angeschlossen hat, ist nicht eindeutig. Zum ersten Mal begegnen wir Titus irgendwo zusammen mit Paulus, als es um die Streitfrage ging, ob Gläubige aus den Heiden beschnitten werden müssten (Gal 2:1; 3; Apg 15:1; 2). So wurde Titus schon sehr bald mit dem gesetzlichen Druck konfrontiert, den die Juden auf die Gläubigen aus den Heiden ausüben wollten. Er erlebte das mit und lernte, wie Paulus damit umging. Das große Gegenstück zum Gesetz ist die Gnade. Auch davon wurde Titus stark beeindruckt. Beides scheint eine gute Vorbereitung auf seine Aufgabe in Kreta gewesen zu sein, von der in diesem Brief die Rede ist.

Titus wird in den Briefen des Paulus zum letzten Mal in dessen zweiten Brief an Timotheus erwähnt (2Tim 4:10). Ohne nähere Erklärung teilt Paulus Timotheus mit, dass Titus nach Dalmatien gereist war. Mit großer Wahrscheinlichkeit ging Titus dorthin, um dem Herrn dort zu dienen.

Wann Paulus auf Kreta war, ist aus der Schrift nicht eindeutig zu erkennen. Man vermutet, dass er nach seiner ersten Gefangenschaft zusammen mit Titus auf Kreta war. Nachdem dort Gemeinden entstanden waren, reiste er weiter, ließ aber aus Sorge um die jungen Gemeinden seinen Mitarbeiter Titus dort zurück. Die Gemeinden waren gegründet worden, hatten aber noch viele Belehrungen hinsichtlich ihrer täglichen Praxis nötig. Paulus hatte seine Arbeit in dieser Hinsicht nicht zu Ende führen können. Das sollte Titus tun. Die Vollmacht dazu hatte Paulus Titus bereits mündlich gegeben und tat es jetzt auch noch einmal schriftlich.

Titus hatte einen zweifachen Auftrag. Was noch fehlte, sollte er in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen (Tit 1:5). Der Brief beschäftigt sich also damit, wie in den örtlichen Gemeinden Gottes Ordnung aufrechterhalten werden kann. Diese Ordnung wird hier nicht so sehr im Zusammenhang mit den Zusammenkünften betrachtet; es geht mehr um die gegenseitigen Beziehungen der Gläubigen im täglichen Umgang miteinander und um ihr Verhalten der Welt gegenüber.

Apostel, Glauben und Erkenntnis

Tit 1:1. Paulus beginnt seinen Brief damit, dass er seinen Namen nennt. Damit will er nicht seine eigene Person in den Vordergrund stellen: Es geht ihm um den Dienst, zu dem er berufen ist. Deshalb verbindet er mit seinem Namen zwei Funktionen, nämlich die eines Knechtes und die eines Apostels. Zuerst nennt er sich „Knecht Gottes“. Damit stellt er sich mit Titus und dir auf eine Stufe. Er ist in erster Linie ein Knecht Gottes, so wie du das auch in erster Linie bist. Wenn du den niedrigsten Platz einnimmst, bist du am besten zum Dienst geeignet (vgl. Lk 22:26).

Nachdem er sich als Knecht vorgestellt hat, bezeichnet er sich als „Apostel“. Als Apostel hat er einen Platz der Autorität. Darin steht er nicht mit Titus und dir auf einer Stufe, sondern darüber. Es ist gut, noch einmal darauf hinzuweisen, dass er sich zuerst Knecht und erst danach Apostel nennt. Autorität im Sinne Gottes kann man nur in der Gesinnung eines Knechtes ausüben. Um ein guter Führer zu sein, muss man zunächst einmal wissen, was es heißt, ein Knecht oder ein Diener zu sein. Doch er nennt sich auch Apostel. Und damit hat er eine Stellung und eine Aufgabe, die ihm Autorität verleiht und Gehorsam verlangt.

Im Anschluss daran gibt er den Beweis für seine Apostelschaft. Das tut er nirgends so ausführlich und so betont wie hier. Es fällt auf, wie sehr er seine Apostelschaft mit den Gläubigen in Verbindung bringt. Du wirst das in den Tit 1:1-3 sehen. Auch fällt auf, dass er in einer ganz besonderen Weise von den Gläubigen spricht. Seine Apostelschaft ist in erster Linie „nach [oder: in Übereinstimmung mit] dem Glauben der Auserwählten Gottes“ (vgl. Röm 8:33; Kol 3:12). Das schließt eine Apostelschaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz oder in Verbindung mit einem irdischen Volk aus. Die Apostelschaft des Paulus gehört nicht zum Gesetz, sondern zum Glauben. Gesetz und Glaube schließen einander aus (Gal 3:12).

Paulus unterwirft seine Apostelschaft nicht der Beurteilung durch das Gesetz, sondern der Beurteilung durch den Glauben. Es geht ihm nicht um einen Gehorsam gegenüber Regeln und Gesetzen, sondern um einen Gehorsam, der dem Glauben entspringt. Dieser Glaube ist bei den „Auserwählten Gottes“ vorhanden. Weil es hier um die Gemeinde geht, ist es offensichtlich, dass man hier an die Auserwählung zu denken hat, die „vor Grundlegung der Welt“ stattgefunden hat (Eph 1:4). Weil du glaubst, bist du von Gott auserwählt. Dann wirst du die Autorität der Apostelschaft des Paulus anerkennen.

Praktische Anwendung: Heute kann man sagen, dass jeder geistlich gesinnte Führer den Glauben der Auserwählten im Blick hat und seine Autorität in Übereinstimmung damit ausübt. Er bringt nicht unter ein Joch, sondern legt Wert auf den Glaubensgehorsam. Dabei geht es ihm bei den Gläubigen nicht in erster Linie um die äußeren Dinge, sondern um ihre Herzen, um ihr inneres geistliches Leben.

Es gibt ein zweites Kriterium für die Apostelschaft des Paulus: Sie entspricht auch „der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist“. Die Apostelschaft des Paulus kannst du auch an der Weise erkennen, wie er die Wahrheit vorstellt. Er präsentiert die Wahrheit über Gott, den Herrn Jesus, die Gemeinde usw. nicht als ein Dogma, als Wahrheiten, die du auswendig lernen kannst. Wenn Paulus in der Wahrheit unterrichtet, dann bringt er das, wie du siehst, immer mit einem gottesfürchtigen Leben in Verbindung. Wirkliche Erkenntnis der Wahrheit zeigt sich in einem Leben, das tiefe Ehrfurcht vor Gott und allem erkennen lässt, was Er gesagt hat.

Praktische Anwendung: Heute wirst du den als einen geistlichen Führer anerkennen, der in seinem eigenen Leben die Kenntnis der Wahrheit praktisch umsetzt und so zur Ehre Gottes lebt. Solch ein Führer wird niemals fordern, sich einer Theorie zu unterwerfen, sondern er stellt die Wahrheit in Wort und Tat vor. Es gibt heute viele, die von sich behaupten, Diener Christi zu sein, die aber versuchen, ihren Dienst „nach“ den neuesten sogenannten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder den neuesten Argumenten des Unglaubens auszurichten. Der Glaube und die Erkenntnis, um die es hier geht, ist jedoch nicht der Glaube und die Erkenntnis der Welt, auch nicht der Christenheit, sondern der „Auserwählten Gottes“.

Lies noch einmal Titus 1,1.

Frage oder Aufgabe: Welche Kriterien für eine geistliche Führung erkennst du in Tit 1:1?

Die Apostelschaft des Paulus

Tit 1:2. Ein dritter Beweis für die Apostelschaft des Paulus liegt darin, dass sie im Zusammenhang mit „der Hoffnung des ewigen Lebens“ steht. Das ewige Leben wird hier als etwas erwähnt, was du erst noch erhalten wirst. Das scheint im Widerspruch zu Johannes zu stehen. Johannes spricht ja über das ewige Leben als deinen gegenwärtigen Besitz (1Joh 5:11). Trotzdem ist das kein Widerspruch. Mit „Leben“ kann nämlich zweierlei gemeint sein. Kurz gesagt: Wenn Johannes von Leben spricht, dann geht es um das, wodurch wir leben, während es bei Paulus um das geht, worin wir leben. Im ersten Fall ist es das Leben in dir, im zweiten das Leben um dich herum, deine Umgebung, der Lebensbereich. Ersteres meint man, wenn man zum Beispiel von einem gesunden Leben spricht, Letzteres, wenn man vom Stadtleben oder Landleben spricht. Das ewige Leben ist wohl in dir, doch du lebst noch in einer Welt, die in der Sünde liegt. Wenn du im Himmel bist, wird die gesamte Umgebung und Atmosphäre, in der das ewige Leben gelebt und genossen wird, voll und ganz zu diesem ewigen Leben passen. Ewiges Leben weist nicht nur auf die Dauer oder Länge hin, sondern auch auf die Qualität dieses Lebens.

Praktische Anwendung: Heute erkennst du einen echten geistlichen Führer daran, dass er die Herzen der Auserwählten dadurch ermutigt, dass er ihnen die himmlische Herrlichkeit am Ende ihrer Reise vorstellt.

Du kannst dich darauf verlassen, dass du das ewige Leben als Lebensbereich oder Lebensatmosphäre einmal genießen wirst. Das hat der „nicht lügende Gott“, wie es wörtlich in Tit 1:2 heißt, nämlich verheißen. Gott kann nicht lügen, Er ist dazu nicht in der Lage, es ist Ihm unmöglich (Heb 6:18). Das steht im Gegensatz zum Charakter der Kreter, die offenbar nicht anders konnten, als zu lügen (Tit 1:12), und auch im Gegensatz zu dem lügnerischen Wesen, das jedem Menschen eigen ist (Röm 3:4). Wenn Gott das ewige Leben verheißt, dann kann man sich darauf völlig verlassen.

Beinahe hätte ich geschrieben: Das ewige Leben ist dir verheißen. Das wäre ja eigentlich auch nicht verkehrt. Du bist ja vor Grundlegung der Welt auserwählt. Die Verheißung gilt zwar auch dir, aber so steht es hier nicht. Hier steht, dass Gott das ewige Leben „vor ewigen Zeiten“ verheißen hat. Wenn ich das bedenke, finde ich den Gedanken noch weitaus schöner, dass Gott dieses ewige Leben dem Herrn Jesus verheißen hat, denn außer Ihm gab es damals niemanden. Damit ist nicht gemeint, dass das ewige Leben dem Herrn Jesus als etwas verheißen wurde, was Er noch nicht besaß, denn Er ist das ewige Leben (1Joh 5:20). Gott hat Ihm vielmehr das ewige Leben verheißen, um es seinen Auserwählten zu geben (Joh 17:2).

Von dieser Verheißung hättest du nichts gewusst, wenn Gott das nicht offenbart hätte. Es ist doch beeindruckend, dass Gott dir etwas darüber mitteilt, was in der Ewigkeit ein Gesprächsthema zwischen dem Vater und dem Sohn war. Wenn du dann noch bedenkst, dass der Vater dem Herrn Jesus gegenüber deinen Namen genannt hat, um dir das ewige Leben zu geben, wird dir dann nicht ganz schwindelig? Mit der Offenbarung dieser Verheißung hat Gott dann bis „zu seiner Zeit“ gewartet. Zunächst musste deutlich werden, was im Herzen des Menschen in Bezug auf Gott war. Das ist am Kreuz ganz offenkundig geworden. Dort ließ der Mensch den Herrn Jesus, Gott, offenbart in Güte und Gnade, den schrecklichsten Tod sterben.

Dieser Tiefpunkt in der Menschheitsgeschichte war zugleich der Augenblick, wo Gott sein ganzes Herz aufdecken und die Breite, Länge, Höhe und Tiefe seines Planes offenbar machen konnte (Eph 3:18).

Tit 1:3. Und wie machte Gott das offenbar? Durch sein Wort, wobei Er die Predigt dieses Wortes Paulus anvertraut hatte (vgl. Röm 10:14-17; 1Kor 2:7-10). Dieses Wort haben wir nun in der Schrift (Röm 16:25-27). Dadurch gelangt diese Offenbarung auch zu dir (1Kor 2:10-14).

Paulus hatte sich diesen Dienst nicht selbst angeeignet oder ihn eigenmächtig inhaltlich bestimmt (Gal 1:11; 12). Seine Apostelschaft und der damit verbundene Dienst waren „nach Befehl unseres Heiland-Gottes“. Dieser Name Gottes bezeichnetet Ihn als denjenigen, der allen Menschen das Heil anbietet und so ein Heiland ist (vgl. Tit 2:11; 1Tim 2:3; 4). Die Paulus anvertraute Predigt hat daher eine doppelte Ausrichtung: Einerseits predigt er das Evangelium allen Menschen, wodurch sie errettet werden müssen; andererseits entfaltet er all denen die ganze Wahrheit, die das Evangelium angenommen haben und errettet sind.

Praktische Anwendung: Auch heute ist jedem geistlichen Führer etwas anvertraut worden, was er den Gläubigen weitergeben soll. Was sie weitergeben, soll dazu dienen, dass Gläubige lernen, miteinander zur Ehre Gottes zu leben.

Tit 1:4. Paulus richtet sich an Titus als sein „echtes Kind nach unserem gemeinschaftlichen Glauben“. Das Wort „echt“ bedeutet eigentlich „legal gezeugt“. Das bedeutet nicht, dass Titus sein leiblicher Sohn war. Die Hinzufügung „nach unserem gemeinschaftlichen Glauben“ weist auf eine geistliche Zeugung hin (vgl. 1Tim 1:2; 1Kor 4:15; Phlm 1:10). Titus kam durch den Dienst des Paulus zum Glauben. Der Heide Titus und der Jude Paulus bekannten sich zu demselben Glauben (vgl. 2Pet 1:1). Beide gehörten sie zu der Gemeinde, in der es weder Juden noch Griechen gibt (1Kor 12:13; Kol 3:11).

Paulus schließt seine Einleitung mit dem üblichen Segenswunsch der Gnade und des Friedens ab. Gnade steht an erster Stelle. Titus kann seine Arbeit nur dann tun, wenn er sich dessen bewusst ist, dass er für seine Aufgabe Gottes Gnade nötig hat. In eigener Kraft wird er seinen Auftrag niemals ausführen können. Wenn er sich von der Gnade, die Gott ihm gibt, abhängig weiß, kann er im Frieden Gottes seine Arbeit tun. Er wird nicht so schnell entmutigt sein, wenn es ständig Widerstand gibt oder an Mitarbeit mangelt oder wenn seine Arbeit keine Frucht zu zeigen scheint. Paulus wünscht ihm, dass ihm Gnade und Friede „von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Heiland“ zufließen. Damit erinnert er Titus an das Kindesverhältnis zum Vater und daran, dass der Herr Jesus sein Erlöser ist. Das eine schenkt Vertrauen, das andere bewirkt Hingabe und Einsatzbereitschaft.

Praktische Anwendung: Ein geistlicher Führer kennt Gott als seinen Vater und vertraut sich Ihm ganz an. Zudem kennt er den Herrn Jesus als seinen Erlöser, der ihn befreit hat, damit er für Ihn lebe. Der Preis, den der Erlöser gezahlt hat, und das Bewusstsein, dass du dadurch erlöst bist, ist der größte Ansporn, Ihm zu dienen.

Lies noch einmal Titus 1,2–4.

Frage oder Aufgabe: Welche Kriterien für geistliche Führerschaft findest du in den Tit 1:2; 3?

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