‏ Matthew 6

Kapitel 6

1
[Status: Ungeprüft]
Hütet euch [aber] eure Gerechtigkeit zu tun vor den Menschen [und] sie vor ihnen zur Schau zu stellen; sonst (andernfalls) werdet ihr keinen haben Lohn bei (vor) eurem Vater in den Himmeln.
2Sooft (wenn, wann immer) du also tust Wohltaten (Almosen) (aus Barmherzigkeit spenden möchtest), [dann] blase nicht die Posaune (Trompete) vor dir
Diese Formulierung entspricht natürlich dem „herausposaunen“ - „rede nicht darüber, was (wie viel) du gespendet hast“
, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Straßen (in den Gassen), damit (auf das) sie geehrt werden von den Menschen (um {sie} von den Menschen verherrlicht zu werden). Wahrlich, ich sage euch: Sie haben den Lohn empfangen
perfektisches Präs. also auch möglich: „sie haben den Lohn (damit schon) erhalten“(Haubeck/Siebthal 2007, 28f)
.
3Wenn du aber tust Wohltaten (Almosen gibst), lass nicht deine Linke
Gemeint ist wohl: linke Hand
wissen, was deine rechte tut,
4damit deine Wohltaten im Verborgenen sind; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dich entlohnen (belohnen). 5Und wenn ihr betet, tut dies nicht wie die Heuchler, denn sie lieben es (tun es gern) in den Synagogen und in den Ecken (auf dem Eckstein) der breiten Straßen (Plätze) ihr Gebet zu machen damit es sichtbar ist den Menschen; Wahrlich, ich sage euch: Sie haben den Lohn empfangen
perfektisches Präs. also auch möglich: „sie haben den Lohn (damit schon) erhalten“(Haubeck/Siebthal 2007, 28f)
.
6Wenn du aber betest
eventl. konativ „wenn du ... möchtes“(Haubeck/Siebthal 2007, 29)
, gehe in dein Zimmer (Kammer) [hinein] und schließe deine Türe um zu beten zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dich entlohnen (belohnen).
7Wenn ihr (aber) betet, redet nicht gedankenlos (plappert nicht) wie die Heiden, denn sie denken (meinen) durch ihre vielen Worte werden sie erhört werden (wird auf sie gehört). 8macht es also ihnen nicht gleich (wie sie); denn euer Vater kennt, was ihr für braucht (nötig habt, eure Not, Sorgen, Bedarf) bevor ihr ihn bittet. 9
[Status: Zuverlässig]
Ihr
Ihr steht im Griechischen betont am Ende des Satzes und grenzt so die Jünger von den „plappernden Heuchlern“ ab (Hagner 1993, S. 147): Im Gegensatz zu diesen sollen die Jünger „folgendermaßen beten“.
sollt daher (also) folgendermaßen beten: Unser Vater {der} im Himmel
im Himmel - W. „in den Himmeln“; idiomatischer Plural, der sich häufiger im NT findet (wohl ein Semitismus). In der LF sollte mit Einzahl übersetzt werden.
,
Unser Vater im Himmel - Man geht gemeinhin davon aus, dass die auf Griechisch überlieferten Formen des Vaterunsers auf eine ursprünglich aramäische Überlieferung zurückgehen. Vermutlich liegt Mt 6,9 (Unser Vater im Himmel, gr.  Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς ) und Lk 11,2 (schlicht „Vater“, gr.  Πάτερ ) das aramäische und für Jesus typische  אַבָּא ´Abba „Vater“ zu Grunde (nicht: „Papa“ oder gar „Papi“, wie öfter zu lesen ist; vgl. Barr 1988). Das bedeutet: Die matthäische Version ist sowohl (1) um  ἡμῶν unser als auch (2) um  ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς im Himmel angereichert. Die Intention dahinter war wohl, das schlichte „Vater“ beizubehalten und gleichzeitig „liturgietauglich“ zu machen: „Unser Vater“ findet sich häufiger in jüdischen Gebeten (s. z. B. das „Unser Vater, unser König“) und war wohl charakteristisch für Gemeindegebete (Grimm 1992, S. 26; Gundry 1994, S. 105; Lambrecht 1984, S. 128f). Ähnliches gilt für „Vater im Himmel“, das sich ebenfalls häufiger in jüdischen Gebeten fand: „Wo immer die Rabbinen von Gott als dem Vater sprachen, führten sie den Zusatz »himmlisch« ein, weil ihnen die vertraulich-intime Anrede »Vater« gegenüber Gott zu respektlos erschien.“ (Schnackenburg 1984, S. 111; so fast alle Exegeten). Die Frage nach der sinnvollsten Übersetzung ist schwierig: Eigentlich ist weder das evangelische „unser Vater“ noch das katholische „Vater unser“ korrektes Deutsch, da das Deutsche Vokative nicht mit Pronomina konstruiert - außer in geprägten Wendungen wie „Eure Majestät“ und eben „Vater unser“. Die Wortstellung in „Vater unser“ ist zudem zwar nicht „grammatikalisch falsch“ (Luz 1985, S. 333), aber veraltet, ohne dabei einen bedeutungsmäßigen Unterschied zu machen. Wie also übersetzen? Für jede mögliche Übersetzung - (1) Unser Vater im Himmel, (2) Unser Vater im Himmel, (3) Vater unser im Himmel - lässt sich sinnvoll argumentieren. Zum Beispiel: (1) ist das beste Deutsch und erfüllt die gleiche Funktion wie das griechische „Unser Vater im Himmel“, da es im Deutschen ja auch ohne dieses Pronomen ein „liturgietaugliches Gemeindegebet“ wäre. Andererseits wäre (3) gerade als geprägte und veraltete Wendung stilistisch am nähsten am Griechischen. Und (2) ist ein sinnvoller Mittelweg zw. natürlichem Deutsch und Treue zum Griechischen. Letztlich ist wohl jede dieser Übersetzungen gleichermaßen möglich.
,
, k
Möge (Mögest)
Möge - Imperativ Aorist; die griechische Standard-Verbform für Gebete (die sonst keine weitere temporalsemantische Bedeutung hat; vgl. Grosvenor/Zerwick u. a.): Wieder - wie schon in Vater unser im Himmel - greift Mt zurück auf ein „Gebetsidiom“. Vielleicht entspricht dem heute eher das deutsche Gebetsidiom „Wir bitten (dafür), dass...“? B/N zumindest übersetzen sehr gut mit „Lass uns...“
dein Name (du) geheiligt
Möge dein Name geheiligt werden - jüdisches Idiom. Inhaltlich bedeutet es etwa „Gottes Willen tun“, „Gottes Geboten folgen“ (vgl. z. B. B/S I, S. 411-4; ThWNT I, S. 99; Lohfink 2015, S. 10f; Oakman 1999, S. 161-164)* - eine Tätigkeit, der man missionarische Wirksamkeit zusprach (für ein schönes Bsp. s. Lazarus 1922, S. 43f): „[Es] entstand nun die zwar schon im AT mehrfach belegte [s. v.a. Lev 22,31f], aber in ihrer Reinheit erst in der späteren jüdischen Litteratur vorkommende Anschauung, dass man durch ein sittliches Leben, ja durch jede sittliche Handlungsweise den Namen Gottes heilige, d.h. ihm Ehre mache und damit zu seiner Anerkennung unter den Menschen beitrage“ (Perles 1903, S. 68). Noch heute ist dieses Kiddusch Haschem, die „Heiligung des Namens“, eines der zentralsten jüdischen Gebote überhaupt (s. z.B. Eisenberg 2005, S. 12f). Alternativ gibt es zur Stelle heute recht häufig (1) die Interpretation, dass Gott das Subjekt der Heiligung seines Namens sei und dass die „Namensheiligung“ meine, dass er gegen die Entweihung seines Namens durch die Menschen vorgehe, indem er sich am Ende der Zeit als der Heilige offenbare, und v.a. in freieren Üss. (2) die Interpretation, dass „Gottes Namen heiligen“ schlicht meine „Gott preisen“. Aber beide Interpretationen berücksichtigen die Vorhandenheit des besagten Idioms nicht genug. V. 9c meint so das selbe wie 10a und 10b; in allen drei Teilversen wird gebetet um die Herrschaft Gottes auf Erden, die aus drei verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen wird: (9c) Aus der der Menschen, die Gottes Namen heiligen = seinen Geboten folgen und so auch andere mit dieser Gesetzestreue anstecken sollen, (10a) aus der der Herrschaft selbst, die sich auf der Erde durchsetzen soll (s. nächste FN) und (10b) aus der Gottes, dessen Wille sich auf der Erde durchsetzen soll. *Ein sehr schönes Beispiel ist die jüdische Tradition, der zufolge das Königtum deshalb dem Stamm Juda zugefallen sei, weil Nachschom zur Zeit des Exodus Gottes Befehl, das Meer zu durchziehen, schon befolgte, bevor sich das Meer geteilt hatte und einfach in die Fluten sprang. Darauf spricht Gott: „Jener, der am Meer meinen Namen geheiligt hat, wird kommen und über Israel herrschen“ (Menn 1997, S. 264).
werden. n
10Möge dein Königtum (Königsherrschaft, Königreich)
Königtum (Königsherrschaft, Königreich) - traditionell „Reich“, aber die Wendung „Reich Gottes“ hat seltenst räumliche Bedeutung, sondern meint das Faktum der Herrschaft Gottes; das dynamische Königtum Gottes im Vollzug (Jeremias 1971, S. 101; ad loc. Lambrecht 1984, S. 130 u.v.a.). Arichea 1980, S. 227 schlägt als kommunikative Üss. daher vor: (1) „Mögest du über uns herrschen“, (2) „Mögest du unser König sein“, (3) „Mögest du über alle Menschen herrschen“. V. 10a meint damit genau das selbe wie 9c.
kommen
kommen - In der Exegese geht man heute zumeist davon aus, dass Jesus das Königtum Gottes als mit seinem Auftreten bereits angebrochen, aber noch nicht vollends realisiert verstand (in der Theologie spricht man hier von der „Spannung von schon-jetzt und noch-nicht“). So muss wohl das „kommen“ erklärt werden: Der Beter soll um die völlige Realisierung der bereits angebrochenen Herrschaft Gottes bitten.
.Möge dein Wille geschehen - wie im Himmel so auch auf der Erde
wie im Himmel so auch auf der Erde - Cullmann 1997 und schon einige vor ihm haben erwogen, ob sich „wie im Himmel, so auch auf der Erde“ auch deuten ließe als „sowohl im Himmel als auch auf der Erde“; dagegen aber gut z. B. Lohfink 1989, S. 123. Gottes Wille soll auf Erden ebenso geschehen, wie er im Himmel geschieht.
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11Unser Brot (Essen)
Brot (Essen) - „Brot“ steht in der Bibel häufig pars pro toto für Nahrung i.A., da das Gros der Mahlzeiten im Alten Israel nur aus Brot und Wasser bestand. So auch hier, vgl. ad loc. Arichea 1980, S. 221; Luz 1985, S. 347; Schürmann 1958, S. 63; Schweizer 1981, s. 97
für den kommenden Tag (unser notwendiges Brot, unser heutiges Brot, unser Brot, das auf uns kommt)
kommend (notwendig, heutig, das auf uns kommt) - Das griechische Wort  ἐπιούσιος epiusios ist umstritten. Es findet sich nur hier, in der lk Parallelstelle Lk 11,3 und wahrscheinlich auf einem alten Papyrus, der überdies mittlerweile wieder verloren gegangen ist. Die Bedeutung des Wortes muss daher erschlossen werden, indem man rekonstruiert, von welchen griechischen Worten es sich herleitet: # von  ἔπι + ιέναι: kommend (i.S.v. nächster), morgig. Dieser Ableitung folgen heute die meisten und sie ist die unproblematischste.(1a) Das  ἄρτος ἐπιούσιος wäre dann das „kommende Brot“ und würde sich nachmittags oder abends geäußert auf den morgigen Tag und morgens geäußert auf den kommenden Tag beziehen.(1b) Alternativ haben einige vorgeschlagen, „kommend“ als künftig zu verstehen; das „künftige Brot“ wäre dann das Himmelsbrot, das am Ende der Zeit verspeist wird (s. Lk 14,15): Auch „Unser künftiges Brot gib uns heute“ wäre dann eine Bitte um den Anbruch der Gottesherrschaft am Ende der Zeit. Allerdings störte hier dann das „unser“ (Luz 1985, S. 342; Vögtle 1975, S. 350).(1c) Orchard 1973 und Hultgren 1990 haben außerdem vorgeschlagen, mit dem „kommenden Brot“ sei das „Brot, das uns begegnet“ gemeint, sind damit aber zu Recht auf keinen großen Anklang gestoßen. # von  ἔπι + οὐσία: für die Existenz, notwendig. Allerdings würde bei dieser Wortbildung das Iota ellidiert werden (Hemer 1984, S. 92; Luz 1985, S. 342f) und das extra betonte „heute“ wäre redundant (Hagner 1993, S. 149) # vom Ausdruck  ἔπι την οὖσαν ἡμέραν: für den heutigen Tag, aber auch hier müsste das Iota ellidiert werden (Hemer 1984, S. 92; Luz 1985, S. 342) und das „heute“ wäre überflüssig (Hagner 1993, S. 149); außerdem ist  οὖσαν ohne  ἡμέραν nie für „heutig“ belegt (Luz 1985, S. 342). Es läuft also deutlich auf „morgig“ hinaus. Dafür spricht auch stark, dass laut Hieronymus im alten Hebräerevangelium  מחר machar („morgen“) gestanden hatte. Es passt außerdem zur Verkündigung Jesu, der sich ja ausgesprochen (auch) an die Armen - die sich eben nicht sicher sein konnten, ob sie am nächsten Tag Arbeit finden und so ihr Brot verdienen würden - wandte (so z. B. Heininger 2002, S. 197f; Klauck in seinen Vorlesungen zum Mt-Ev.), und ebenso passt es zur Situation der Wanderprediger, durch die (in der Spruchquelle Q) das Vaterunser tradiert wurde und die gleichfalls nicht sicher sein konnten, ob sie am kommenden Tag ausreichend Nahrung erhalten würden (vgl. z.B. Heininger 2002, S. 197; Lohfink 2015, S. 8f).
gib uns heute t

12und vergib uns unsere Schulden (Schuld, Sünden)
Schulden (Schuld, Sünden) - Das Griechische ofeilemata bezeichnet eigentlich nur Geldschulden. Es ist dies ein Aramäismus: das aramäische choba´ meint sowohl Geldschulden als auch Sünden (so fast alle Exegeten). Arichea 1980, S. 222 empfiehlt die Übersetzung der Good News: „Die Fehler, die wir getan haben... denen, die an uns gefehlt haben“.
,wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben (vergeben)
vergeben haben (vergeben) - Einigen Exegeten scheint es merkwürdig, dass hier die Vergebung durch die Menschen offenbar zur Bedingung der Vergebung Gottes gemacht wird („wie auch wir vergeben haben“); sie gehen daher davon aus, dass hinter diesem Aorist ein semitisches Perfekt gestanden habe, das sowohl Vergangenheits- als auch Gegenwartsbedeutung haben kann und man also übersetzen müsste: „wie auch wir vergeben“ (so z. B. Grimm 1992, S. 93; Jeremias 1971, S. 195; Kistemaker 1978, S. 324; Luz 1985, S. 348; Stöger 1980b, S. 102). Das ist abzulehnen; Vv. 14f machen klar, dass in diesem Kontext die Vergebung der Menschen tatsächlich als Bedingung für die Vergebung Gottes gedacht wird (Hagner 1993, S. 150f; Lambrecht 1984, S. 137).
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13Und führe (lass nicht zu, dass wir geraten)
führe (lass nicht zu, dass wir geraten), Versuchung (Tests), Bösen - Bei V. 13 arbeitet die Exegese sich v.a. an der Ambivalenz der beiden Ausdrücke (1)  εἰσενέγκῃς εἰς πειρασμόν und (2)  ἀπὸ τοῦ πονηροῦ ab. (1a)  πειρασμός heißt meist „Versuchung“ und bezieht sich dann auf das Streben Satans, den Gläubigen von seinem Glauben und seine Rechtschaffenheit abzubringen. Oder, (1b): Nach altjüdischer Vorstellung bringt Gott immer wieder Unheil über den gläubigen Menschen, damit dieser sich in diesen „Tests“ als rechter Gottesdiener bewähren kann (vgl. z. B. Gen 22,1; Ex 16,4; Ri 3,1-4; Ps 26,2; Sir 2,1); alternativ könnte sich  πειρασμός auf diese „Tests“ beziehen (vgl. EWNT III, S. 153: „Je nach Intention differenziert sich der Test positiv als Bewährungsprobe, negativ als Verleiten zum Fall. [...] Überwiegend ist eine Belastung und Bedrohung durch Menschen oder Mächte (vgl. »Drangsal, Verfolgung, Fallstricke« usw.) gemeint [...].“). Damit hängt zusammen die richtige Deutung von  πονηρός: Hier könnte  πονηρός sowohl (2a) als Maskulinum gedeutet werden und dann „den Bösen“ meinen - also den Teufel, oder aber (2b) als Neutrum und dann „das Böse“=Unheil meinen. Kombiniert man die beiden (a)- und die beiden (b)-Deutungen, ergäbe das also: * (a) Versuche uns nicht (=strebe nicht danach, uns vom Glauben abzubringen); / rette uns vor dem Satan * (b) Unterziehe uns keinen Tests; / bewahre uns vor Unheil Das Problem von Deutung (a) wäre, dass dann ja Gott der Aktant der (satanischen) Versuchung wäre. In der Regel behilft man sich dann damit,  εἰσφέρω zu erklären als eine Fehlübersetzung eines aramäischen Verbs im Aphel-Stamm, das eigentlich permissive Bedeutung gehabt habe: „Lass nicht zu, dass wir [von Satan] versucht werden“ (z. B. de Moor 1988; Jeremias 1971; Jenni 1997b; Kistemaker 1978; Tournay 1998; Schnackenburg 1984; ähnlich Torrey 1933), also: * (a') Lass nicht zu, dass wir versucht werden / rette uns vor dem Satan Gegen (a') spricht: Eine Exegese auf Basis eines hypothetischen aramäischen Grundtexts ist sehr spekulativ und sollte daher stets letzte Wahl sein (vgl. Gielen 1998, S. 203; Heininger 2002, S. 201; Lambrecht 1984, S. 135); hier ist es überdies schlicht ein bewusstes Fehllesen des Texts (Fitzmyer 2003, S. 271). Zudem sollte man bei einer Übersetzung eines Aphel-Verbs eher ein griechisches Passiv-Verb erwarten und bei einer auf ein „Missverständnis“ zurückgehenden Fehlübersetzung außerdem (hier nicht vorhandene) Textvarianten (so gut Porter 1990, S. 360). Dass (a) problematisch ist, sieht man ja schon daran, dass so viele Exegeten sich veranlasst sahen, ob dieser Problematik stattdessen für (a') zu argumentieren. Berücksichtigt man dann noch die älteste Deutung dieser Bitte in 2Tim 4,18 („Der Herr wird mich retten vor jedem bösen Werk“), die für (b) spricht, sollte man sich hier dann doch deutlich für diese Deutung entscheiden.
uns nicht in Versuchung (Tests), xsondern rette (erlöse) uns von dem Bösen.
Textkritik: An das Vaterunser schließt sich in jüngeren Texten oft noch eine Doxologie an, die klar sekundär ist (u. a. daran zu erkennen, dass sie in unterschiedlichen Ausgestaltungen angehängt wird). Am verbreitetsten ist die Doxologie, die auch in unserem Vaterunser gebetet wird: „denn dein ist das Reich (also: Herrschaft, Königtum) und die Kraft (besser: Macht) und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen“; sie ist vermutlich abgeleitet von 1Chr 29,11 (Gnilka 1986, S. 228). Es ist dennoch keine Verfälschung, wenn wir das Vaterunser inklusive dieser sekundären Doxologie beten: Gebete wurden früher stets durch eine meist frei zu formulierende Doxologie abgeschlossen (vgl. 2Tim 4,18; Did 8,2 („denn dein ist die Macht und die Herrlichkeit, Amen“) und ad loc. z. B. Luz 1985, S. 349f; Schweizer 1981, S. 93); besagtes „denn dein ist das Königtum und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen“ ist sehr wahrscheinlich eine dieser frei formulierten Doxologien, die später standardisiert und angehängt wurden.

14
[Status: Ungeprüft]
Denn wenn ihr verzeiht (vergebt) den Menschen ihre Schuld (Fehltritt, Verfehlung, Sünde), wird auch euch der Vater in dem Himmel vergeben.
15Wenn ihr aber nicht vergebt den Menschen, wird auch der Vater euch eure Schuld nicht vergeben. 16
Diese Übersetzung ist sehr frei und gehört eigentlich in die Lesefassung: Macht keine trüben Gesichter wie die Heuchler, wenn ihr fastet, denn deren Gesichter sind verstellt um den Menschen als Fastende zu erscheinen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben bereits ihren vollen Lohn erhalten.
Wenn ihr aber fastet, werdet (seid) nicht verdrießlich
wörtlich: mit finsterem Blick/ traurig/mürrisch dreinschauend
wie die Scheinheiligen (Heuchler), die ihr Gesicht verschwinden lassen
 ἀφανίζω bildet ein Wortspiel mit  φαίνομαι, vgl. Jakobus 4,14, und heißt wörtlich unsichtbar machen. Da das Verb in Vers 19 wieder aufgenommen wird, habe ich nach einer Übersetzung gesucht, die für beide passt. Gemeint ist, dass diese Fastenden sich nicht waschen und ihr Gesicht daher unter einer dicken Schicht Dreck "verschwinden lassen"
, damit die Leute wahrnehmen (sehen, bemerken)
wörtlich: damit sie den Leuten als Fastende erscheinen
, dass sie fasten. Wirklich (wahrlich), ich sage euch, sie haben ihren Lohn [bereits] erhalten
nämlich dadurch, dass die Leute ihr Fasten bemerkt haben - d.h. sie haben um der Anerkennung durch die Leute willen gefastet, nicht um Gottes willen
perfektisches Präs. also auch möglich: „sie haben den Lohn (damit schon) erhalten“(Haubeck/Siebthal 2007, 28f)
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17Du aber, wenn du fastest, parfümiere (salbe) deinen Kopf (dein Haupt) und wasche dein Äußeres (Gesicht), 18damit
das ist zu frei übersetzt: du bei den Menschen nicht den falschen Eindruck erweckst, dass du ein Fastender bist, sondern zu deinem verborgenen Vater, der dir im Verborgenen zusieht und dir vergibt (vergilt)
nicht die Leute wahrnehmen (sehen, bemerken), dass du fastest
wörtl.: damit du nicht den Leuten als Fastender erscheinst
, sondern (aber) dein Vater, der im Verborgenen (verborgen) ist. Und dein Vater, der ins das Verborgene sieht, wird dir [dein Fasten] vergelten (dich belohnen).
19Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde (auf Erden), wo Motten
Kollektiver Singular
und Fraß (Holzwurm, Wurmfraß)
das Griechische Wort  βρώσις bedeutet eigentlich Speise (seit Homer); hier meint es das Zerfressen, Zernagen. Gemeint ist ein fressendes Insekt, wohl der Holzwurm, der die Holzkisten zerstört, in denen die Schätze aufbewahrt sind. Keinesfalls ist damit Rost gemeint, denn Gold, Silber oder Edelsteine können nicht von Kupferrost oder Grünspan befallen werden. Vgl. Dazu Ulrich Luz, EKK I/1, S. 464, Anm. 15
[sie] verschwinden lassen (zerstören, vernichten) und [wo] Diebe einbrechen
wörtl.: durchgraben (von Lehmwänden), aber der Begriff ist zum t.t. für "einbrechen" geworden.
und stehlen.
20Sammelt aber euch Schätze im Himmel, wo weder Motten
Kollektiver Singular
noch Fraß (Holzwurm, Wurmfraß) [sie] verschwinden lassen (zerstören, vernichten) und [wo] Diebe nicht einbrechen und auch nicht stehlen.
21Denn (dort) wo dein Schatz ist
 ἐστιν: 3.Sg. Präsenz akt.
, da (dort) wird
 ἔσται: 3.Sg. Futur med.
auch dein Herz sein.
22Die Lampe des Leibes (Körpers) ist das Auge. Wenn nun dein Auge lauter (gesund) ist, so wird dein ganzer Leib (Körper) licht (erleuchtet) sein. 23Wenn aber dein Auge böse (schlecht) ist, so wird dein ganzer Leib finster (dunkel) sein. Wenn also das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß ist die Finsternis! 24Niemand (keiner) ist fähig (stark, mächtig)
heißt: „niemand kann“ bzw. „niemandem ist es möglich“
zwei Herren zu dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird sich zu dem einen halten (sich um ihn kümmern) und den anderen verachten (mißachten). Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon (Geld, Reichtums, Vermögen) dienen.
25Deswegen (Darum, Deshalb) sage ich euch: Seid nicht besorgt (beunruhigt, macht euch keine Sorgen) um euer Leben (eure Seele), was ihr essen [oder was ihr trinken] sollt
In manchen Handschriften fehlt das Trinken ( ἢ τί πίητε ), das SBLGNT lässt es weg, NA27 setzt es in Klammern.
, auch nicht (und nicht, oder) um euren Leib (Körper), über das, was ihr anziehen sollt. Ist (bedeutet) nicht das Leben (die Seele) mehr als Essen (die Speise) und der Leib mehr als Gewänder
Koll. Singular
(Kleidung)?
26Seht (Schaut, Beobachtet) [euch] die Vögel des Himmels an, denn sie säen nicht und (, noch) ernten nicht, noch sammeln sie [etwas] ([Vorräte]) in Vorratshäuser (Scheunen); und [doch] (aber) euer himmlischer Vater ernährt (füttert) sie; seid ihr (unterscheidet ihr euch) nicht viel mehr wert (wertvoller) als sie
„Mehr wert sein“ ist keine wörtliche Übersetzung, aber natürlich die Bedeutung von „ διαφέρετε αὐτῶν “, „sich von ihnen unterscheiden“
?
27Wer aber von euch könnte dadurch, dass er sich sorgt (mit seinem Sorgen, Sorgen macht), hinzufügen (anfügen) an sein (zu seinem) Lebensalter [auch nur] eine Elle
D.h. „sein Leben auch nur ein bisschen verlängern“ bzw. „einen Tag hinzufügen“.
?
28Und um ein Gewand
Koll. Singular „um Kleideung“
(Auch was Die Kleidung betrifft), was sorgt (beunruhigt) ihr euch (warum macht ihr euch Sorgen)? Seht (Beobachtet, Lernt von den) die Blumen
Feldblumen. „Lilien“ ist nicht gesichert.
des Ackers (Feldes), wie sie wachsen; sie mühen sich (quälen) nicht und (noch) noch spinnen sie
Pars pro toto für „machen sich Kleider“
;
29Ich aber sage euch, dass (:) nicht einmal Salomo in all seiner Herrlichkeit (Pracht, Glanz) bekleidet (angezogen) war wie eine von diesen (ihnen). 30Wenn {nun (aber)} obwohl das Gras des Feldes, das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, Gott es trotzdem kleidet, [wird er] euch nicht viel mehr [kleiden], ihr Kleingläubigen? 31Also (Deswegen) sorgt euch nicht, indem (und) ihr sagt: Was sollen wir essen? oder: Was sollen wir trinken? oder: Was sollen wir anziehen? 32Denn nach allen diesem (diesen Dingen) streben (suchen, trachten) die Völker (Nationen, Heiden). Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all diese Dinge braucht (nötig habt). 33Sucht {aber} erst (zuerst) das Reich (Herrschaft) [Gottes] (die Gottesherrschaft)
Hier sind sich die Quellen uneinig: Einige Quellen lesen hier  βασιλείαν τοῦ θεοῦ (die gewählte Übersetzung), andere lassen  τοῦ θεοῦ weg, wieder andere lesen  βασιλείαν των ουρανων (also „Himmelreich“).
und seine Gerechtigkeit, und dies alles (all dies) (andere) wird euch hinzugefügt (geschenkt) werden.
Frei übersetzt: „dafür werden euch alle anderen Dinge gegeben werden“
34Sorgt euch also nicht (Macht euch also keine Sorgen) um den morgigen Tag (morgen, den nächsten Tag), denn der morgige Tag (morgen, der nächste Tag) hat eigene Sorgen (wird für sich selbst sorgen, bringt seine eigenen Sorgen mit): [Jeder] Tag hat genug eigenes Schlechtes (Übel).
Der Versuch, einer wörtlicheren Wiedergabe: „Das dem [einzelnen] Tag zugehörige Schlechte ist genug.“
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