‏ Acts 15

Text: Apostelgeschichte 15,1-21 Die entstandene Frage: Ob man den aus dem Heidentum bekehrten Gläubigen die Beschneidung aufdringen solle, oder nicht, wird von den Aposteln und Übrigen zu Jerusalem in Überlegung genommen. Petrus und Jakobus machen zur Entscheidung derselben nachdenkliche Vorträge. Paulus war, von den Trübsalen etwas auszuruhen, gen Antiochia gekommen, und fing an sich mit den Brüdern über ihren gemeinschaftlichen Glauben zu erbauen, so kam diese neue Not nach. Wie gut aber, daß diese gesegneten Erweisungen GOttes unter den Heiden schon vorangegangen waren, woraus hernach die Gründe zur Entscheidung genommen werden konnten. GOtt ist überall der Erste und der Letzte. Das Widrige kommt erst hinter seinem Segen darein, bleibt aber nicht stehen. Die Störer des friedsamen Glaubens = Ganges kamen von Judäa herab, stunden auch in einem jüdischen eigenliebigen Sinn, und führten eine meisterlose Sprache. GOtt wandte es aber, daß auch von Judäa und Jerusalem her das Gegenteil bestätigt werden, und in alle Welt ausgehen mußte. Daß sie es als zur Seligkeit notwendig aufbringen wollten, das war das Gefährlichste, und erforderte schleunige Hilfe, damit ängstlichen Seelen Luft gemacht würde. Was ohne genugsamen Grund aus GOttes Wort und Wahrheit so hoch gesetzt, und als zur Seligkeit nötig betrieben, aber doch als sehr förderlich angepriesen wird, das kann gar leicht zu einer bitteren Wurzel ausschlagen, und viel Unfrieden anrichten. Durch Erneuerung auf das Angedenken, was GOtt mit ihnen getan, und durch Erzählen von dem - der Gnade würdigen Wandel, worin die Heiden standen, konnten diese Heiden = Apostel ihre Herzen stärken, über dieser guten Sache unverdrossen zu halten, und gern auch darüber zu leiden. Für Andere aber lag darunter schon auch eine Vorbereitung, diesen Gläubigen keine ungebührliche Last aufzulegen. In wie viel Vorurteilen von der Erziehung und anderen Quellen her man neben dem Glauben eine Zeit lang könne stecken bleiben, davon hat die Kirchengeschichte bedenkliche B eispiele. Die göttliche Eingebung, unter welcher die Apostel sonst standen, und woraus sie Glaubenslehren und Lebenspflichten entschieden, schloß hier gemeinschaftliche Beratschlagung und Betrachtung des geschriebenen Worts nicht aus. Der herbe Ausdruck: sich gezankt , ist nach des seligen Luthers Zeiten zu beurteilen, und eigentlich als ein Befragen und Versehen beiderlei Meinungen und ihrer Gründe anzusehen. Mit guter Voraussicht ist es geschehen, daß die Erstlinge aus den Heiden durch den Dienst des Petrus herbeigeführt worden sind. Denn da man Paulus und seine Frucht unter den Heiden nachgehends ohnehin mit dem Ansehen des Petrus hätte gern niederdrücken mögen (wie aus Gal. 2 und sonst abzunehmen), so verlor dies Vorgeben viel Schein, da Petrus selbst den Grund zu dieser besonderen Haushaltung GOttes mit den Heiden gelegt hatte, über welcher Paulus nachgehends nur unverbrüchlich hielt. Daß unter der Hinzulassung der Heiden zu der Gnade Christi ohne den Beschneidungszwang nichts Übereiltes noch Un- ordentliches vorgenommen worden, deshalb beruft sich Petrus auf den Herzenskündiger, der es ja am Besten wissen konnte, wie Er sie ansehe, und wie Er sie auch von anderen angesehen haben wolle. Das größte und über alle übrige leibliche Reinigungen weit Erhabene ist ja die Reinigung des Herzens durch den Glauben. Was setzt so von allen eigenliebigen Gedanken, verkehrten Begriffen, irdischem Sinn so herunter, als der Glaube? Was führt so aus allem Mißtrauen und Scheue, die sich verborgen hält, hervor, als die durch den Glauben am Herzen widerfahrene Reinigung? Wer in einer Sache, darin GOtt schon hinlänglichen Ausspruch getan, und damit richtigen Herzen weiter aufgehendes Licht gesät hat, doch nicht ruhig halten, sondern seine eigenwilligen Gedanken geltend machen will, der versucht GOtt . Die äußerliche Zeremonie, sich beschneiden zu lassen, wäre just nicht so für ein unerträgliches Joch zu rechnen gewesen. Aber die dabei aufgebürdete Notwendigkeit zum Seligwerden machte die größte Not. Dabei wären die jetzigen Gläubigen im Gewissen übler dran gewesen, als vormals die Väter, die es als Zuchtmeisters Anleitung auf Christum brauchten, und dorther die Vollendung ihrer Gewissen in guter Hoffnung herleiteten, die sie im Gesetz nicht haben konnten. Durch Petri Vorgang war nun die Menge schon auch zubereitet, Pauli und Barnabä Erzählungen bedächtlicher und fruchtbarer, mit weniger Vorurteil, anzuhören. Die Weisheit von oben ist freilich aufs Erste keusch, und bewahrt sich, daß sie nicht ohne Grund von Anderen Etwas annimmt, das der Lauterkeit entgegen ist, sie ist aber auch friedsam, gelinde, läßt sich sagen (Jak. 3:17) . Petri Vortrag nahm sein Augenmerk mehr auf GOttes Werk , auf die aus der Erfahrung vor Augen liegenden Wege GOttes; nun tut Jakobus hinzu, wie damit auch das Wort in der Propheten Schriften stimme. GOttes Werk und Wort gehörig miteinander verbunden, gewähren noch viel Gewißheit. Wer GOttes Wort, sonderlich auch der Propheten Schriften, fruchtbarlich erforschen will, muß auch GOttes Taten und Werken ihren gehörigen Wert zu bestimmen wissen. Und wer darin zu geübten Sinnen kommen will, muß sich aus GOttes Wort das rechte Licht aufstecken lassen. Wer von den Gläubigen aus den Juden nicht unparteiisch genug in den Verfall, in die Lücken, die Aufrichtens nötig hatten, hineinsah, dem war das, was GOtt mit der Annahme der Heiden tat, kein rechter Dank; der wollte lieber selbst an seiner Sache flicken, als die von GOtt aufgerichtete Behausung im Geist mit Freuden ansehen. So lange hatte man aus Psalm 102 darum gebeten: Du wollest dich aufmachen, und über Zion erbarmen. Deine Knechte sähen es gerne, daß sie gebaut würde. Und da es nun daran war, so wollte man es nicht besser verstehen, sondern hätte die zugerichteten Steine und Kalk gern wieder anders umgearbeitet. Mit Allem, was GOtt durch den reichlichen Beruf der Heiden in die mit keinem Beschneidungszwang belegte Gnade Christi tat, war es ja doch nur eine aus dem übrigen großen Haufen, der dem Zorn heimfällt, herausgezogene köstliche Auswahl, über welche bei der an sie gekommenen, und von ihnen im Glauben angenommenen Predigt des Evangeliums, des HErrn Name genannt wurde. Wenn GOtt schon mit der Offenbarung Seines Worts und mit der Ausführung seiner Werke nach und nach verfährt, so hat Er doch durch das Nachfolgende das Vorige niemals abzuändern nötig, wie es bei Menschen um eines dazwischen gekommenen unvermuteten Umstandes willen geschehen kann; sondern wenn es in der Erfüllung weiter gerückt ist, so fand es sich, daß GOtt auch schon die jetzt sich ergebende Abänderung in Seinem Wort vorausgesehen und angedeutet hat. O wie läuft es vom Anfang der Wege GOttes im ersten Buch Mose bis an das in der Offenbarung des Johannes beschriebene Ziel nach einem solchen Reichtum der Weisheit und Erkenntnis durch, daß man es nicht genug bewundern kann, wie GOtt Alles durchgesehen, und schon in das erste Verheißungswort Alles gelegt hat, was nachmals Christi Kreuz und Thron weiter aufgeschlossen hat! - Die Gewissenhaftesten, die sich eigentlich zu GOtt bekehren, kann man mit Auflegung vieler äußerlicher Übungen am Meisten verderben, entweder auf falsches Vertrauen leiten, oder im Gewissen mit Not verstricken. Die in wenigerem Ernst stehen, machen sich auch aus Allem weniger. Abgötterei und Hurerei war bei den Heiden gemeiniglich beisammen, und auch unter der angehenden Gemeinde Christi hätte Eins ein Fallstrick zum Anderen werden können. Blut und ersticktes Essen war den Juden ein großer Anstoß. Diesen zu vermeiden waren die Heiden aus Liebe schuldig. Da GOtt überhaupt durch die Zerstreuung der Juden unter alle Völker auch Moses und der Propheten Schriften zu mehrerer Kenntnis unter den Heiden gebracht hatte, so hofft der Apostel, daß sie durch die nähere Berührung miteinander, indem Juden und Heiden unter einander wohnten, und die zum Christentum Bekehrten in den jüdischen Schulen zusammen kamen, schon werden bedeutet werden, worin sie einander sich etwa weiter zur Besserung gefällig machen könnten. Text: Apostelgeschichte 15,22-34 Nach dieser gemeinschaftlichen Überlegung wird ein Ausschreiben angefertigt, wegen dem, was die Gläubigen aus den Heiden zu tun hätten, mit dessen Überlieferung die Abgeordneten hin und wieder viel Freude verursachten. Hier ist auf alle Zeiten hinein ein Muster der christlichen Klugheit gegeben, wie in Einrichtung einer Gemeinde, in Entscheidung einer Sache, in Fortführung einer Anstalt so zu verfahren sei, daß dem Gewissen, der Liebe, der Freiwilligkeit nichts vergeben werde, und es also zum Gewinn der Meisten gesegnet sein kann. Bei der Ausbreitung des Evangeliums ist bis dahin alles mündlich ausgerichtet worden. Hier griff man zum ersten Mal zum Schriftlichen. Die ernstliche Widerlegung der eigenmächtigen Gesetz = Eiferer wurde angebracht, um dem Gewissen der Anderen Luft zu machen; wie der Heiland auch von den Pharisäern und Schriftgelehrten oft so hart geredet hat, um den unter ihr Ansehen Gefangenen aufzuhelfen. Dem Paulus und Barnabas wird hingegen ein gutes Zeugnis beigelegt, allermeist von den Malzeichen ihrer Leiden hergenommen, welchen auszuweichen diese jüdischen Eiferer besser verstanden. Leiden sollen einem im Reich Christi eher eine Macht über Anderer Herzen geben, als daß sie einen verächtlich machen. - Beim heutigen Rückfall in heidnischen Unglauben kommt auch die heidnische Geringschätzung der Hurerei wieder auf. Wo Christi Geist Raum hat, kann es in keine solche Frechheiten ausarten. - Auch von den für nötig erkannten wenigen Stücken brauchen sie nur den mäßigen Ausdruck: Ihr tut wohl , gegen jener Ungestümen Drohen: Ihr könnt nicht selig werden. O wie hat man der Gewissen zu schonen! Diese standhafte Erklärung war ein Trost für die Bekehrten aus dem Heidentum. Denn wenn schon das Reich GOttes nicht Essen und Trinken ist, und nicht in dergleichen Freiheiten hauptsächlich besteht, so ist es doch eine köstliche Förderung, wenn das, was die Gerechtigkeit und den Ruhm an GOtt, was den Frieden und das zuversichtliche Zusammenfließen mit Anderen, was die Freude im Heiligen Geist aufhalten wollte, aus dem Weg getan wird. Damit entstand denn aus dieser Veranlassung viel Erbauen auf den gemeinschaftlichen Glauben. Was es für Nutzen gehabt habe, daß Silas zum Dableiben gelenkt worden, wird sich im Nachfolgenden aufschließen. Was ist an einem wachsamen Herzen gelegen, dem GOtt mit einer Augenleitung den Weg zeigen kann! Text: Apostelgeschichte 15,35-41 Des Paulus und Barnabas letzte gemeinschaftliche Arbeit, ihre erfolgte Trennung, auf welche Paulus Silas zum Gehilfen bekommt. Antiochia muß ein gelegener Ort gewesen sein, wo das Licht des Evangeliums auf einen Leuchter gesetzt war, daß es Vielen weit herum dienen konnte. Doch kam Paulus ein Verlangen an, auch wieder nach ihrer anderwärtigen Arbeit zu sehen. Wie er das in brüderlichem Sinne unternahm, nicht aus Mißtrauen, sondern in zärtlicher Liebe (1.Thess. 3:5); so mußte es freilich auch von den Anderen in gleichem Sinne aufgenommen werden. Wer sich auf den Tag rüstet, wo der König hineingehen wird, die Gäste zu besehen, der läßt sich auch gern von Anderen besehen, wie er sich im Glauben, in der Liebe, in der Hoffnung befinde? Anfangs wird Barnabas Gedanke wegen Johannis Gefährtschaft nur bescheiden als ein gegebener Rat vorgestellt, wobei also Überlegung Statt gehabt hätte. Aber es hatte bei ihm doch schon so tiefe Wurzel, daß er der gegenseitigen Vorstellung nimmer nachgab. In Pauli Meinung war mehr Schärfe aus der Wahrheit, in Barnabas Sinn mehr Nachgeben aus der Liebe. Warum ist aber dieser Zwiespalt so ausgekommen, und hier gar aufgeschrieben worden? Ist das nicht auf alle Zeiten hinein anstößig? Nein, eben darin unterscheidet sich die Schriftgeschichte von menschlichen Lebensbeschreibungen. Die Schrift setzt einen guten Menschen, und erzählt hernach Manches von seinen Fehlern, wie sie durch GOttes Gnade zum Guten gelenkt worden sind. Menschliche Lebens = Beschreibungen melden fast lauter schöne Sachen, dabei es doch um den ganzen Menschen mißlich aussehen kann. Heuchelei und große Blindheit an sich selbst zeigt es an, wenn einer sich an solchen Fehlern stößt. Wer sich selbst kennt, und weiß, aus welchem Tod des alten Menschen alle Frucht des neuen Menschen erwachsen muß, der wird GOtt danken, daß er solche Stücke in sein Wort gesetzt hat. Wir brauchen nicht sowohl unverbesserliche Tugendbilder, als vielmehr Exempel, wie man aus der Schwachheit des Fleisches, aus den Nachstellungen des Satans, aus dem dringenden Zusammentreffen mancher schnellen Umstände wieder herausgezogen, und auf richtigen Weg geleitet wird. Hätte aber doch nicht Einer dem Anderen nachgeben, als einen solchen Riß zum Voneinanderziehen veranlassen sollen? Wir wissen nicht Alles, was sonst mag in der Stille mitgewirkt haben. Man erwäge zum Einen nur aus Gal. 2:13-14 , ob es nicht Barnabas kann begegnet sein, daß, da er sonst vor Paulus in Christo gewesen, und in großem Ansehen bei der Gemeinde gestanden ist, ja Paulus erst aufgesucht und angeführt hat (Apg. 9:27, 11:25-26), Paulus nun aber durch seine reiche Einsicht in die Haushaltung GOttes mit den Heiden so einen Vorsprung vor ihm bekam, er es nicht gleichmütig genug angesehen hat. So kann es auch für Pauli nachmalige amtliche Wirksamkeit förderlich gewesen sein, daß er, statt an Barnabas einen ganz gleichen Kollegen zu haben, er nun in Silas einen mehr ihm untergebenen Gehilfen bekam. Demnach hätte Barnabas nachgeben sollen? Auch das kann man nicht just sagen. Es kann auch gut gewesen sein, daß er über seiner Liebe zu Markus gehalten hat. Markus hat sich nachgehends wieder zurecht gefunden, wie selbst Paulus seiner Kol. 4:10 im Besten gedenkt. Da kann ihm auf der einen Seite Pauli Ernst zu seiner Demütigung, auf der einen Seite Barnabas nachgebende Liebe zu seinem Trost und Wiederaufrichten, Eines so nötig als das Andere gewesen sein. Beide haben also auf einem ganz unterschiedlichen Weg doch zu seinem Besten gearbeitet. Wir sind gemeiniglich viel zu kurz angebunden, bestehen nur auf einerlei Weg. Es ist ein Mißverstand, der aus einem gesetzlichen Sinn herrührt, wenn man meint, ein Kind GOttes müsse das Einemal eben so, wie das Anderemal, handeln, und ein Anderer daneben auch wieder gerade so. Das Evangelium bringt einen getrosten Sinn und ein weites Herz mit sich, das mit göttlicher Weisheit und mit wohlbefugter Freiheit so handeln, aber auch abwechseln kann, wie es die Umstände erfordern; und so räumt man auch Anderen gleiches Recht ein. O wenn man nur nicht Gefallen an sich selbst, an seiner Meinung, an seiner Weise hat, sondern, einen Anderen von Herzen höher achten kann, als sich selbst. Wenn man nur sich keines Menschen rühmt, und just meint, man müsse dieses und jenes Mannes Beifall haben. O wer darauf merkt, wie uns des Einen Schärfe, Geringachtung, Zurücksetzung eben so gut und nötig ist, als die Liebe, der Beifall, so man bei Anderen findet! - Im Beschluß der Geschichte finden sich subtile Anzeigen, daß die Brüder im Grund Paulus mehr Recht gegeben haben, als Barnabas. Und Paulus selbst fand sich durch diesen Vorfall nicht geschwächt, noch vom Leben aus GOtt verrückt; vielmehr etwa auch durch diese Erfahrung für manche Schwächere zu ihrer Stärkung desto brauchbarer.
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