‏ Philippians 3

Text: Philipper 3,1-3 Der Apostel geht in seinem Brief nun weiter, und ermahnt sie zum fröhlichen Leben im Willen GOttes bei ihrem ganzen Christenlauf, und stellt ihnen die falschen Apostel mit ihrem fleischlichen Sinn zum Abscheu, sich aber mit seinem von GOtt geschenkten reinen Sinn zur Nachfolge vor. In dem Aufruf: Freut euch in dem HErrn, faßt der Apostel die Kraft des Evangelii zusammen. GOtt ist Licht, und in Ihm ist keine Finsternis; darum ist auch aller Gnadenantrag, alle angebotenen Gemeinschaft mit GOtt, aller Zutritt zu GOtt etwas Erfreuliches für die Menschen. Ja, wenn sich GOtt auch nur als Den fühlen und finden läßt, der seine Sonne aufgehen läßt, der Samen und Ernte bewahrt, der Speise gibt zu seiner Zeit, der alle Hilfe tut: so macht Er damit schon Alles fröhlich. Noch mehr aber ist freilich Licht, Leben und Freude gebracht worden durch die Erscheinung unseres HErrn JEsu Christi, dessen Zeiten schon im Alten Testament beschrieben worden sind, als Zeiten, darin man sich freuen würde, darin Er komme, die Traurigen zu trösten, zu schaffen, daß ihnen Schmuck für Asche, Freudenöl für Traurigkeit gegeben werde. Bei Seiner Geburt haben die Engel gesagt: sie verkündigen große Freude für alles Volk. Als Er anfing den Namen seines Vaters zu verklären auf Erden, so geschah es auch auf eine Art, die Freude erweckte. Er verkündigte ein herannahendes Himmelreich, einen Rat GOttes, ein Reich im Himmel anzulegen, und selbiges durch das Evangelium auch auf Erden bekannt, und zur Offenbarung vieler himmlischer Kräfte fruchtbar zu machen. Wer sein Herz darauf ergab, hatte bei diesem sanftmütigen und von Herzen demütigen Lehrer gute Tage, Hochzeitstage, fröhliche Hoffnung auf immer Weiteres. Was die Welt zur Zeit seines Leidens für Anfechtung dazwischen brachte, diese Freude zu unterbrechen, das bekam bald seine gute Wendung dahin, daß die Traurigkeit in Freude verwandelt wurde. Und auf Pfingsten rüstete der zur Rechten GOttes erhöhte Heiland und HErr seine Zeugen aus, mit großer Freudigkeit das Evangelium zu predigen, worüber auf allen Seiten viel fröhliche Danksagung entstund, so oft ein Häuflein an GOtt gläubig wurde. Diese Freude am HErrn haben dann weder die gewöhnlichen Leiden dieser Zeit, noch auch die besonderen Verfolgungen auslöschen oder schwächen können; die Apostel haben sich es vielmehr angelegen sein lassen, den Gläubigen ihre an Christo gewonnene Gemeinschaft als die Quelle unzerstörlicher Freude anzupreisen, auch ihnen Alles aus dem Wege zu räumen, wo durch eine ungesunde Lehre, oder durch zum Verdrossenheit zum Leiden, oder durch Zweifel diese Freude hätte Schaden leiden können. Und so ist noch jetzt die erste Zukehr zum Licht, der erste Eintritt in den Gehorsam der Wahrheit auch wieder der erste Schritt in die Freude. Je richtiger es in die Übereinstimmung unseres Willen mit dem Willen GOttes hineingeht, je tiefer und dauerhafter wird auch der Grund zur Freude gelegt. Sonderlich aber gewinnt die Freude völligen Raum, je mehr man von allem Gesuch einer eigenen Gerechtigkeit absteht, und seinen Ruhm lauterlich in dem sucht, daß man in Christo erfunden werde. Daher es aber auch nicht zu wundern ist, daß sich noch mancher Mangel des Glaubens und der Freude im HErrn findet. Solchem Mangel aber wird nicht abgeholfen, wenn man eben doch auch Freude affektieren, oder Anderen ablernen will; noch auch wenn Andere gewaltig auf uns zudringen, und uns diesen Mangel als ein mißliches Zeichen vorstellen; sondern vielmehr, wenn man nur die Erkenntnis Christi anpreist, und darauf hilft, wie in dem Beruf GOttes zu seinem wunderbaren Licht, und in unserem Gehorsam gegen denselben Alles liege; und das gleichwohl auch guter Unterschied zu machen sei, ob uns GOtt auch im Äußeren Raum zur Freude mache, oder ob uns durch einen kränklichen Leib, kümmerliche Umstände etwas angehängt sei, um deswillen sich die Freude mehr in den innern Herzensgrund zurückziehen muß, als daß sie sich über Alles ausbreiten könnte. Zu jedem Zeugnis, zu jedem schriftlichen oder mündlichen Vortrag muß freilich etwas Neues, eine frische Herz und Mund belebende Gnade verliehen werden; aber sonst hat es auch einen Apostel nicht verdrießen dürfen, viel weniger darf es uns Arme befremden, wenn wir spüren, daß wir unter den Geheimnissen GOttes nicht über Eines, wie über das Andere, Macht haben, sondern daß in unserem Vortrag immer etwas vorschlägt, das uns zu zeugen vornehmlich anvertraut ist, und worin auch unser innerer Mensch allermeist seine Stärke hat. – Der Ausdruck: seht auf die Hunde , ist freilich scharf. Da aber die Juden aus fleischlichem Ruhm von den unbeschnittenen Heiden so gering hielten, und den Namen der Hunde häufig von ihnen brauchten, so gibt es ihnen der Apostel mit großem Ernst heim. Bei ihrer Unreinigkeit, Untüchtigkeit zum Reich GOttes, Feindschaft wider das Reich Christi, verdienten sie ihn auch so gut, als die am Kreuz Christi stehenden Feinde ( Ps. 22, 17–21); und die aus dem neuen Jerusalem Ausgeschlossenen ( Offb. 21, 8 und 22, 15) . Man kann sich viel Arbeit machen, wie jene Schriftgelehrten um einen Judengenossen ( Matth. 23, 15), aber man ist damit doch ein böser Arbeiter, und dient damit nicht GOtt, sondern seinem Bauch. Die neben dem Glauben an Christum aufgedrungene Beschneidung war nicht mehr das, was sie nach GOttes Einsetzung war, sondern bloß eine am Fleisch vorgenommene Zerschneidung; da man die neue Kreatur, die allein gilt, aus dem Glauben an Christum ohne Beschneidung haben konnte. Bei solchem Dienst GOttes im neuen Wesen des Geistes läßt man nicht Christum und sonstige übernommene fleischliche Übungen zusammenflicken; sondern bringt nichts vor GOtt als Christum, und unser Erfundenwerden in Ihm. Text: Philipper 3,4-11 Der Apostel zeigt, wie er nicht nur bei seiner Bekehrung zu Christo alles Vertrauen auf fleischliche Vorzüge völlig aufgegeben und weggeworfen habe, sondern wie noch jetzt sein täglicher Glaubenslauf und Kampf nichts von Aufrichtung einer eigenen Gerechtigkeit aufkommen lasse, vielmehr allen seinen Ruhm in die Gemeinschaft mit Christo setze, und hier die Leidens = und Sterbensgemeinschaft an sich zu tragen begehre, um Ihm dorten auch im Leben der Herrlichkeit gleich zu werden. Unter dem Ausdruck: sich Fleisches rühmen , nimmt der Apostel alles das zusammen, was einem Menschen teils von seiner leiblichen Geburt, oder Abstammung vom Fleisch Vorzügliches anhangt, teils, was der Mensch diesen Ruhm zu behaupten und zu erweitern, selbst in Naturkraft tun kann; woraus sich denn der wirkliche fleischliche Sinn, oder die – von GOtt und seiner Gerechtigkeit abgekehrte Selbstliebe eine Nahrung verschafft. Er steigt von einer Stufe zur andern auf; sagt, er sei nicht nur als ein Judengenosse unter das Volk GOttes gekommen, sondern als ein darunter geborenes Kind vom achten Tag her in GOttes Bund, aus einem Stamm, der mit Juda am Königreich Davids, und am lautern Gottesdienst festgehalten, auch sich nach der babylonischen Gefangenschaft wieder am zahlreichsten im verheißenen Lande eingefunden hat; daneben aus einem väterlichen Haus, das von Voreltern keine ungleiche Ehen eingegangen hat. Diese mit der leiblichen Geburt erhaltenen Vorteile wurden bei Paulo vermehrt dadurch, daß er sich beim damaligen Verfall der Religion zu der – gegen den Riß stehenden Sekte der Pharisäer gehalten, die nicht nur das Gesetz und die Propheten ungeschmälert bewahren, sondern zu deren gesicherter Beibehaltung auch noch einen Zaun von Aufsätzen der Ältesten darum machen, und sich durch solche Strenge ein großes Ansehen erwerben wollten; ja, daß er nicht nur diesem Guten anhing, sondern auch aus Eifer, dem vermeinten Bösen zu steuern, die Gemeinde GOttes verfolgte; und also durchaus nach seinem besten Wissen und Gewissen handelte. Das hätte ihm nun Alles Gewinn sein können, oder auf das hin hätte er sich nach eigener Einbildung und nach Anderer Rechnung den Himmel gewiß, und nebenher auch Ehre von den Menschen versprechen können. Aber bei besserem aufgegangenem Licht hatte er damit nicht nur Nichts zu gewinnen und zu verdienen gehofft, sondern vielmehr gefunden, daß es ihn leicht an der Erkenntnis der Wahrheit, und mithin an seinem Heil hätte hindern können. Deswegen er Alles, was er von Geburt, Auferziehung, angenommener Weise her, von Einsicht, Gemütsart und Tugendfleiß habe, das er für sein eigen und ihm vorzüglich zukommend rechnen möchte, das rechne er für mißlich und schädlich, wenn man sich nicht auf GOttes Ruf im Evangelio mit Ekel davon abwende, damit Christo und der ganzen Anstalt GOttes, darin Er uns zur Weisheit und Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht ist, der Ruhm allein bleibe; und man darin Gewinn und Ersatz für Alles finde, was man aus dem Fleisch für Ruhm zu suchen aufgegeben hat. Es ist wie mit zwei Waagschalen, wie die eine steigt, so fällt die andere; was ich der einen beilege, verringert das Gewicht der anderen. Was der Mensch sich beilegt, entzieht er der Erkenntnis Christi an ihrem Überschwang, den sie haben sollte; was er Christo hierin einräumt, das macht ihn zum Heruntersetzen seiner selbst, zum Abstehen von allem Vertrauen auf sein Geschäft willig. Darum werden einem die scharfen Ausdrücke: für Schaden, für Kot achten, in der Erfahrung auch erträglich. Denn die Gnade Christi wegwerfen, die große Anstalt GOttes in der Sendung Seines Sohnes vergeblich achten, wäre ja noch viel erschrecklicher. Kommt aber durch das Gesetz die Gerechtigkeit, so ist Christus vergeblich gestorben, urteilt Paulus ( Gal. 2, 21) . Viel leichter ist es ja, meine Sache für Schaden und nichts zu achten, als an diesem köstlichen Friedensgedanken GOttes, an der zu unserem Heil verordneten heimlichen Weisheit GOttes etwas zu verrücken. Dieser Blick, diese Willigkeit, so zu rechnen, hat Pauli schleunige Bekehrung so erleichtert, und das nachmalige Festhalten an diesem einmal gefaßten Sinn hat auch seinen ganzen weiteren Glaubensgang so unumstößlich gemacht. – Als ergriffen von JEsu Christo darf man sich rechnen, so bald das Evangelium in einem kräftig geworden ist; aber Ihn dann weiter zu gewinnen, tiefer in Ihn und in den einigen Ruhm von Ihm eindringen, in seine Gnade zu stehen kommen, in keinem andern Vertrauen erfunden werden, das ist unser täglicher Glaubenslauf. Wo und so oft sich der Mensch in GOttes Gericht stellt, wo es in seinem Gewissen um eine Ansprache an GOtt und deren Grund, um Freiheit vom zukünftigen Zorn und Hoffnung auf das ewige Reich GOttes zu tun ist; da muß Christus und das, wozu Er mir von GOtt gemacht ist, der einige Grund sein und bleiben. Und das nach der freien Gnade, nach welcher auch das Ergreifen und Zueignen Christi mit keiner einigen Bedingung beschwert ist, sondern Alles auf das Glauben, auf das Annehmen, wie es GOtt gibt, wie es GOtt bereitet hat, auf das Halten dafür, wie mir es im Zeugnis GOttes vorgesprochen ist, ankommt. Bei solchem Ausleeren von allem Eigenen breitet sich hernach im Herzen die Erkenntnis Christi aus, nach der Kraft seiner Auferstehung. Wenn man das von der Auferstehung Christi aus den Toten nehmen will; so kann man rechnen, der Apostel setze das zuerst, weil er auch sonst die Erweckung des Glaubens in unseren Herzen aus der Kraft herleitet, womit GOtt Christum und in Christo auch uns lebendig gemacht. Füglicher aber ist es vermutlich, den Ausdruck: die Kraft seiner Auferstehung, von seinem gesamten Dasein zu verstehen, wie es sonst heißt: GOtt habe aufgerichtet, oder erweckt ein Horn des Heils, und mithin Alles, was Er als der – von GOtt erweckte und bereitete Heiland mit Reden, Tun und Leiden vorgenommen hat, unter die Kraft seiner Auferstehung, seines Daseins zu unserem Besten gehört. Welches Ganze sich denn auch vergnüglich in seine Teile aufschließt, daß man den verdienstlichen Wert der Leiden JEsu, des Gerechten für die Ungerechten, aber auch die genaue Gemeinschaft, in die wir Alle mit diesem Einen hineingerechnet sind, und unter welcher nun auch die Ausführung dieses erworbenen Heils an uns zu Stande kommt, erkennen lernt; aus welcher Gemeinschaft der Leiden man auch nimmer auszutreten verlangt, sondern am Kreuz zu sterben, unter Ähnlichkeit seines Todes, als den wohlabgemessenen Schritten der Auferstehung von den Toten, oder der Hoffnung, mit Ihm im Leben zu herrschen, entgegen zu kommen versichert ist. O eine köstliche Art des neuen Menschen, immer mit solchem zuversichtlichen Verlangen zu Christo gekehrt sein, oder auf einem solchen Felsen, Feste und Warte stehen, wie es Paulus Gal. 5, 5 ausdrückt: wir aber warten im Geist durch den Glauben der Gerechtigkeit, der man hoffen muß; und also in solchem Anhangen, Aufsehen, Hinblicken, Ausstrecken, Nachjagen, Ergreifen Christi sich immer bei der nötigen Wachsamkeit, und doch auch bei gemäßer Ruhe erhalten. Text: Philipper 3,12-16 Darum zeigt der Apostel noch weiter, wie unter der – so hoch gepriesenen Erkenntnis Christi, und des lauteren Sinnes, in Ihm erfunden zu werden, so gar kein träges und unfruchtbares Wesen eingeführt werde, daß vielmehr dabei des Menschen ganzer Ernst und Eifer vielfältig gute Übung bekomme. Hier bezeugt der noch im Lauf begriffene, und sich wirklich auf einen Lauf umgürtende Paulus, daß er es noch nicht ergriffen habe, nämlich nicht sowohl das Kleinod, als welches sich von selbst versteht, daß er noch nicht am Ziel sei, der etlichemal bezeugt, er werde noch weiter im Fleisch leben; sondern vielmehr den lauteren Sinn, von dem Paulus nächst zuvor Meldung getan hatte, die überschwengliche Erkenntnis Christi, das unverrückte Erfundenwerden in Ihm, die ganze Kraft der Auferstehung JEsu, die Erfahrung Alles dessen, was zur Gemeinschaft der Leiden JEsu, und zu den tiefen Tritten in die Ähnlichkeit Seines Todes gehört zc. Mit diesem Allem, sagt der Apostel, bin ich noch nicht zu Ende gekommen. Man kann die Erkenntnis Christi, die Gerechtigkeit aus dem Glauben allein, die darin gefundene Ruhe sich zu abgerissen vorstellen, wie wenn es so bald in den Menschen gepflanzt, und in ihm gewachsen wäre, als es in Worte gefaßt ist. Aber dem rechten Grund und der damit übereinstimmenden Erfahrung nach gehört ein solches Anhalten und Eindringen dazu, daß alles Bemühen, seine eigene Gerechtigkeit aufzurichten, dagegen nur Flatterhaftigkeit ist; so tief geht jenes gegen diesem. Sinn, Überzeugung, hergegebener Wille, Verlangen ist freilich der innere Grund davon. Aber Nachjagen drückt außer dem auch die Einrichtung des ganzen Gangs nach dieser Regel aus, die Sorgfalt, in diesen Glaubensschranken zu bleiben, alles Aufhältige zu vermeiden, ja mit der Vorstellung, ob ich es ergreifen möchte, sich immer in den größten Ernst zu setzen. Dabei geht einem Gläubigen freilich die Art, wie er von JEsu Christo ergriffen worden ist, wie Er ihn gnadenmäßig überwältigt hat, am meisten nach, und gibt ihm den stärksten Trieb. O welch freie, unverdiente, unvermutete, kräftige, mein ganzes Gewissen erschütternde, meinen ganzen Willen erweckende Gnade war das! Andere konnten den Apostel in ihren Gedanken höher setzen, wie wenn man Jemand bloß nach dem Grund des Geistes, bloß nach dem, was ihm zu glauben und zeugen anvertraut ist, schätzte. Aber ein Jeder spürt es bei sich doch am besten, aus welcher Finsternis auch bei ihm das Licht hervorbricht. Das Ausgefertigte an der Arbeit ist oft mit einem unansehnlichen Lumpen zugedeckt, und nur das, was wirklich unter der Arbeit ist und noch der Ausfertigung bedarf, fällt in das Gesicht: so verhält es sich auch bei GOttes Werk in der Seele. Nicht nur das, was er bei seinem oben bezeugten Sinn für Schaden achten gelernt hat, sondern auch seinen ganzen bisherigen im Dienst Christi zurückgelegten Weg rechnet der Apostel unter das, was dahinten ist, dessen er vergesse, nicht, daß er die ihm darunter widerfahrene Gnade verleugnete, von welcher er vielmehr rühmt, daß sie an ihm nicht vergeblich gewesen sei. Aber seine Gerechtigkeit, wenn von seiner Vollendung die Rede war, durfte ihm nicht aufhältig werden, sich nicht so zwischen GOtt und sein im Eindringen in Christum begriffenes Herz stellen, daß er sich mit Wohlgefallen daran auf = und vom Nachjagen abgehalten hätte. Es ist unaussprechlich, wie die Welt, und Alles, was in der Welt ist, in des Menschen Herz fällt. Wenn er nur einmal von der Begierde, seine eigene Gerechtigkeit aufzurichten, vom Gesuch der Ehre bei Menschen abgebracht ist; da geht es unanstößlich dem zu, was da vornen ist, nicht nur dem Kleinod, sonder auch dem allernächst dahin führenden Weg. Hingegen treiben sich immer noch viele Wurzeln in das Irdische, so lange man noch nicht in dem Einigen: in Ihm erfunden werden, steht und ruht. – Vollkommen nimmt die Schrift oft für aufrichtig und ganz, und so kommt es auch Kindern in Christo zu; oft nimmt sie es aber auch für den Sinn, der sich bei Geübteren findet, sonderlich die den Sinn GOttes von der Erlösung, so durch JEsum Christum geschehen ist, gründlich fassen, wie z. B. Hebr. 5 und 6, 1 , oft auch für ausgemacht und vollendet.; mithin kann sich Paulus das Eine absprechen, und im Anderen sich doch an solche anschließen. Paulus wünscht freilich, daß Alle in dem Sinn mit ihm Eins wären, ihre Gerechtigkeit allein in Christo und seiner Gemeinschaft zu suchen. Wer aber für jetzt noch nicht genugsame Einsicht darin hatte, den wollte er doch nicht wegwerfen, sondern ihn lieber am Band der Alles hoffenden Liebe behalten: GOtt werde es ihm noch offenbaren, und die vorhangende Decke wegtun. Doch soll diese geäußerte Hoffnung den Anderen die Gnade, in die sie wirklich zu stehen gekommen sind, nicht gleichgültig machen; sondern denen ist gesagt: halte was du hast; die übrigen sind kräftig aufgefordert, auch heranzukommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes GOttes. Text: Philipper 3,17-21 Der Apostel gibt zwei wichtige Ursachen an, warum sie es in der Nachfolge mit ihm und andern Gleichgesinnten halten sollten; nämlich weil die leidigen anderen Beispiele, so sie vor sich haben, auf so ein schreckliches Ende hinauslaufen, in seines Glaubens Schranken aber das Heil so gewiß und groß sei. Es ist freilich wahr, daß wir zunächst auf GOtt und dessen heiligen Willen, und die aus allen Seinen Werken hervorleuchtenden Tugenden gewiesen sind; auch das uns GOttes Heiligkeit in dem mit so vieler Sanftmut und Demut geführten Wandel unseres lieben Heilands in der Welt, zur Nachfolge am bequemsten gemacht werde. Darum es auch oben hieß: Ein Jeglicher sei gesinnt, wie JEsus Christus auch war. Das schließt aber nicht aus, daß nicht auch Lehrer und Andere die Lehre GOttes und ihres Heilandes so zieren sollten und könnten, damit man auf sie als auf Vorbilder sehen, und es in der Nachfolge mit ihnen halten könnte. Es ist daher auch ein Undank, wenn man sich durch Mißdeuten und Verdrehen einzelner Handlungen die Lichter selbst auslöscht und verdunkelt, die man noch hätte; da man doch leicht des Menschen ganzen himmlischen und über das Irdische erhabenen Sinn unterscheiden, und zur Nachfolge vor sich nehmen könnte, wenn man sich schon nicht in jede einzelne Handlung so völlig zu finden wüßte. Das Angedenken an seine öfteren Warnungen vor versuchten Beispielen hat den Apostel so angegriffen, daß ihm wirkliche Tränen aus den Augen geflossen sind, deren Merkmale die Philipper im Brief noch werden gesehen haben. Nach der heutigen Weltart soll man mit Lachen die Wahrheit sagen, und unter sinnreichen Scherzen, oder sonst kaltblütig seine Sache anbringen. Aber der Apostel Art, mit Weinen zu sagen, ist bewährter. – Bei der Beschreibung der bösen Beispiele deckt der Apostel durch die beiden Ausdrücke im Anfang: die Feinde des Kreuzes Christi, und im Beschluß; die irdisch gesinnt sind, die beiden tiefen Quellen auf, aus denen es bei ihnen geht. Bei sich und den mit ihm Gleichgesinnten leitet der Apostel Alles aus der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit her, die aber auch aus der Liebe zu JEsu Kreuz, aus dem Sinn, mitzudulden und mitzusterben, erwachsen muß. Demnach ist freilich das Kreuz unseres HErrn JEsu Christi als der – in die ganze Welt hineinreichende Wegweiser anzusehen, von welchem aus sich die wichtigste Wegscheide auftut, bei welcher man so auseinander kommt, daß man in Zeit und Ewigkeit nimmer zusammenkommt. Zum Kreuz Christi aber gehört freilich das ganze Geheimnis GOttes, nach welchem Christus Friede gemacht hat durch das Blut am Kreuz; unter solcher Erduldung des Kreuzes aber nicht nur für sich in die Herrlichkeit eingegangen ist, sondern auch Allen, die Ihm gehorsam werden, den Weg eingeweiht hat, beim Verlieren ihres Lebens in dieser Welt, es zu erhalten zum ewigen Leben. Von diesem Kreuzgeheimnis wendet man sich in Feindschaft ab, wo man das Wohlgefallen an sich selbst, den Ruhm vom Gesetz, seiner Beschneidung, seine Sittenlehre, seine Selbstbesserung zu seinem Hauptgrund macht, und daneben noch den Vorteil sucht oder genießt, daß man die Lüste seiner Natur weniger angreifen, und bei ordentlichen Weltmenschen weniger wagen darf. Das Ende setzt man sonst weit hinaus, denkt weniger daran. Aber im Heiligtum GOttes lernt man zuerst darauf merken, und Alles darnach schätzen. Oft ist auch wirklich das Ende näher, als man vermutet. – Den Bauch stellt die Schrift als den Sammelplatz der niedrigsten Lüste vor, die durch den Leib genossen und ausgeübt werden können. Dem dient man, wie seinem GOtt, wenn man sich von dessen Willen, Absichten, Befriedigungen in Allem regieren läßt. Unter der Herrschaft des Fleisches und unter dem Regiment des Bauchs verlieren die Menschen alle Empfindungen der wahren Ehre, alle Absicht auf die zukünftige Herrlichkeit, allen Bedacht auf ihr und Anderer Gewissen; und neben allem Gesuch der Ehre bei den Menschen tun sie doch die ehrvergessensten Sachen. Nicht gerade irdische Beschäftigungen, aber der irdische Sinn, der in der Achtung, Liebe des Herzens auf das Irdische gelegte Wert richtet des Menschen Seele so übel zu, daß daran Alles für den himmlischen Beruf verschlossen, und die ganze Kraft in das Irdische gezogen wird. Unser Wandel, Heimwesen, Stadt und Vaterland aber, darin wir verbürgert sind, und dessen Suchen und Hoffen uns auch in Allem regiert, beruht nicht in einer nur in den Sinn gefaßten Einbildung, sondern ist im Himmel; GOtt hat es daselbst bereitet; und der Glaube an das Wort gewährt uns eine ganze Darstellung davon. Das Evangelium zeugt von Christi Hingang zum Vater, vom Eingang in den Himmel von dem dortigen königlich = priesterlichen Geschäft, hält aber auch die Hoffnung der Zukunft vor. Irdisch Gesinnte haben sich selbst zu beraten, den Bauch zu füllen gesucht, bis darüber der Bauch ihr GOtt geworden ist, und sie sich in Feindschaft vom Kreuz Christi abgerissen haben. Genossen des himmlischen Berufs aber haben sich freilich eine Weile unter die Gemeinschaft des Kreuzes, in die Ähnlichkeit des Todes JEsu hingegeben, und davon auch Malzeichen an ihrem Leibe umhergetragen; haben nun aber auch die Offenbarung des Lebens JEsu an ihrem Leibe zu gewarten; welche Umgestaltung unseres Leibes und gesamte Aufhebung des Todes der ansehnlichste Beweis von der Macht des HErrn JEsu sein wird, sich alle Dinge untertänig zu machen.
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